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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Elektrische Telegraphen
der gesamten Verkehrsverhältnisse jederzeit von wesentlichem Einfluß sein mußte. Bei der außerordentlich großen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität und bei der immerhin merklichen Einfachheit und verhältnismäßigen Billigkeit der Mittel, durch welche man die Elektricität für telegr. Zwecke zu verwerten vermag, konnte es nicht ausbleiben, daß für den allgemeinen Nachrichtenverkehr die E. T. allen andern den Rang ablaufen mußten und daß sie mit fortschreitender Entwicklung des Gesamtverkehrs und dem stetig steigenden Werte einer möglichst großen Raschheit in der Abwicklung desselben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung und gewaltige Entwicklung gewinnen muhten.
Die Wirkungen, welche man mit Hilfe der Elektricität an einem fernen Orte hervorbringen kann, sind an sich schon ziemlich zahlreich, sie lassen sich außerdem auch in mannigfaltiger Weise als telegr. Zeichen benutzen. Zu nennen sind: physiol. Wirkungen, die elektrostatische Anziehung und Abstoßung leichter Körper, das überspringen von Funken und die Entzündung brennbarer, platzender Stoffe durch sie, die Erregung von Magnetismus, die Ablenkung von Magnetnadeln und allgemeiner die Anziehung und Abstoßung von Magneten, ferner ähnliche Einwirkung von Magneten auf durchströmte Leiter, elektrochem. Zersetzungen. Sowie eine dieser Wirkungen entdeckt wurde, kam auch bald ein Vorschlag zu ihrer Verwertung für die Telegraphie. Nach der Art der in ihnen verwerteten elektrischen Wirkung unterscheidet man unter den so verschiedenen E. T. besonders die elektrochemischen und die elektromagnetischen Telegraphen.
Ähnlich war es auch bezüglich des Bekanntwerdens der verschiedenen Erzeuguugsweisen von Elektricität (vgl. auch Telegraphenverkehr). Schon als man bloß die Elektricitätserregung durch Reibung (mittels der Elektrisiermaschine) kannte, tauchte der erste, ziemlich vollendete Vorschlag zu E. T. auf, den 1753 ein Schotte (Ch. Marshall?) veröffentlicht hat; dieser und auch die spätern, z. B. von Lesage in Genf (1774), Lomond (1787) und Reuher (1794) blieben ohne Erfolg; am ehesten hätte es noch ans dem von Ronalds (1816-23) eingeschlagenen Wege glücken können, mittels der so schwer zu isolierenden und nicht leicht in großer Menge zu beschaffenden Reibungselektricität auf weite Fernen zu telegraphieren. Mittels der wesentlich günstigern Berührungselektricität oder des Galvanismus (s. d.) zu telegraphieren, versuchte zuerst Sömmerring in München (1809); in seinem zweifellos lebensfähigen Telegraphen benutzte er als telegr. Zeichen die Gasblasen, welche aufsteigen, wenn der elektrische Strom Wasser zersetzt. Die Entdeckung des Elektromagnetismus (s. d.) und des Multiplikators 1820 gab aber noch bessere Mittel an die Hand, und doch blieb der an den Sömmerringschen erinnernde Entwurf von Ampere (1820) unausgeführt, ebenso jener Schillings von Canstadt in Petersburg. Erst 1833 wurde ein elektromagnetischer Telegraph von Gauß und Weber für ihr Laboratorium in Göttingen ausgeführt; derselbe beruhte auf der Ablenkung der Magnetnadel durch den elektrischen Strom. Steinheil in München befähigte 1830 die E.T., bleibendeZeichen (Punkte in zwei Zeilen) zu schreiben, baute 1837 eine Telegraphenlinie von München nach Bogenhaufen und entdeckte 1838, daß die Erde als Rückleiter des Stroms benutzbar sei. 1837 erhielten in England Wheatstone und Cooke (welcher letztere in Heidelberg die Schillingsche Erfindung kennen gelernt hatte) ein Patent auf einen Nadeltelegraphen. In demselben Jahre machte auch Morse (s. d.) in Neuyork seinen noch jetzt vielgebrauchten Telegraphen bekannt und baute 1844 die erste (60 km) lange Telegraphenlinie in Amerika von Washington nach Baltimore. England besah damals noch wenig Telegraphenlinien. In Deutschland, wo 1843 der erste Telegraph für die Rheinische Eisenbahn von einem Engländer gebaut ward, wurden dann rasch eine größere Anzahl von Linien ausgeführt.
Die sachlichen Erfordernisse für die E. T. sind: eine Elektricitätsquelle, eine den gebenden Ort mit dem empfangenden Ort verbindende Telegraphenleitung (s. d. und Elektricitätsleitungen) und Telegraphenapparate. Zur Ausübung der Telegraphierthätigkeit müssen diese drei Dinge jedoch erst in die richtige Verbindung miteinander gebracht werden; dies geschieht durch die Telegraphenschaltungen (s. d.). Ferner läßt sich dieselbe Elektricitätsquelle in sehr verschiedener Weise zum Telegraphieren benutzen, und es ergeben sich hiernach verschiedene Telegraphenbetriebsweisen (s. d.). Alles, was sich auf die wirkliche Benutzung jener Erfordernisse zum Telegraphieren bezieht, läßt sich unter dem Begriff Telegraphenbetrieb zusammenfassen.
Als Elektricitätsquellen für E. T. werden vorwiegend Galvanische Batterien (s. d.) benutzt und bei Zeigertelegraphen häufig Magnetinduktoren; nur in wenigen Fällen ersetzt man dieselben durch elektroelektrische Induktoren, durch Dynamomaschinen (s. d.) oder durch Accumulatoren (s. d.). Von den galvanischen Batterien finden vorwiegend Verwendung die äußerst bequemen und lange ausdauernden Zinkkupferbatterien in Form der Meidingerschen Ballonelemente (s. Tafel: Elektrische Telegraphen III, Fig. 4), bei denen der Kupfercylinder K in dem Glase d und der Zinkcylinder 2 in dem Glase 6 steht, während die zum Ersatz
des verbrauchten Kupfervitriolgehalts der Füllungsflüssigkeit bestimmten Kupfervitriolkrystalle sich in einer mit ihrer Mündung in die Füllungsflüssigkeit eintauchenden Flasche L mit Ausflußröhrchen r befinden; X und 2 sind die von k und 2 auslaufenden Poldrähte. Ferner werden die Zinkkohlenelemente von Marie-Davy, bei denen das Zink in reinem Wasser, die Kohle in einem wässerigen Brei von faurem fchwefelfaurem Quecksilberorydul steht, sowie für minder ausdauernde Benutzung (z. B. in der Telephonie und bei Haustelegraphen) die Zinkkohlenelemente von Leclanchs (Fig. 7) verwendet, deren Kohlenplatte innerhalb einer Thonzelle in einer Mischung aus grobgepulverter Kohle und Braunstein steht, während der massive, amalgamierte Zinkcylinder in einer Ecke des vierkantigen Glases in einer wässerigen Salmiaklösung sich befindet. Ist nur eine einmalige, sehr kräftige Stromgebung erforderlich, wie z. B. bei Läutewerken (s. Elektrisches Läutewerk), so bedient man sich mit Vorteil eines Dynamo-Induktors, in welchem der anfangs schwache Strom sich bei fortgesetztem Drehen, ähnlich wie bei den Dynamomaschinen, rasch verstärkt und erst, wenn er die erforderliche Stärke erreicht hat, der Leitung zugeführt wird.
Die Telegraphenapparate werden in Hauptapparate (^) und Nebenapparate (8) geschieden; ohne die erstern ist ein Telegraphieren