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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Essigälchen - Essigfabrikation
aromatische (5. verdankt seine Wirkung ausschlieh-
lich den darin gelüsten ätherischen Ölen. Er
hat den Namen Vicrräuberessig, Vin^i^is äo"
quati'e v0l6ui-8, daher erhalten, daß zur Zeit der
Pest in Marseille vier Männer, die sich durch An-
wendnng dieses Präparats geschützt hatten, in die
Wohnungeir. der Kranken eindrangen und dieselben
beraubten. Nach der Vorschrift des Arzneibuches
für das Deutsche Neich soll der aromatische E.
folgendermaßen bereitet werden. Lavendelöl, Pfef-
ferminzöl, Rosmarinöl, Wacholderöl, Zinlmetöl,
von jedem 1 Teil, Citronenöl, Nelkenöl, von jedem
2 Teile, werden in 450 Teilen Weingeist gelöst und
dann 650 Teile verdünnte Essigsäure und 1900
Teile Wasser hinzugefügt. Nach achttägigem Stehen
wird filtriert. - Medizinischer (5. ist Bezeich-
nung für verschiedene durch Maceration mit ver-
dünnter Essigsäure erhaltene und durch einen Zusatz
von Weingeist vor freiwilliger Zersetzung bewahrte
Auszüge von heilkräftigen Pftanzensubstanzen. Das
Arzneibuch für das Deutsche Reich enthält nur noch
einen medizinischen E., den Meerzwiebelessig (s. d.).
Gfsigälchen, s. Haarwürmer und Essigfabrika-
Gsfigäther, s. Essigsäureäther. ftion.
Gssigbaum, s. Mni8.
Gssigbildner, s. Essigfabrikation.
Essigessenz, eine konzentrierte Lösung von aus
Holzessig dargestellter Essigsäure, die nach gehöriger
Verdünnung mit Wasser als Speiseessig verwendet
Essigester, s. Essigsäureäthcr. ^wird.
Essigfabrikation. Bei der Darstellung des
Speiseessigs (s. Essig) kommen zwei verschiedene
Methoden in Betracht, von denen die eine auf der
durch Oxydation bewirkten Umbildung von Alkohol
in Essigsäure, die andere auf einer Reindarstellung
von Essigsäure (s. d.) und deren Verdünnung mit
Wasser beruht. Als alkoholische Flüssigkeiten können
dabei dienen: Wein, Bier, vergorene Malzauszüge,
vergorene Obstsüfte, vergorener Rübensaft, ver-
dünnter Branntwein. Werden diese der Luft aus-
gesetzt, so bildet sich bald an der Oberfläche dersel-
ben eine zarte weihe Pilzdecke (Essigtahm) von
Laotei'ium sN^0oä0!'lli3,) iicoti ^o^, dem Essig -
pilz oder Essig ferment. Die lebenden Zellen
dieses Pilzes haben die Fähigkeit, Sauerstoss aus
der Luft aufzunehmen und denselben auf verdünn-
ten Alkohol zu übertragen, wodurch diefer in Essig-
säure und Wasser umgewandelt wird, welchen Vor-
gang man mit Essig gärung bezeichnet. Ver-
hindert man auf künstlichem Wege den Zutritt von
Pilzen zu den alkoholischen Flüssigkeiten, oder ver-
setzt man dieselben mit pilztötenden Stoffen, z. B.
einer Spur von Carbolsäure, so kann man Sauer-
stoff beliebig lange zutreten lassen, ohne daß eine
Bildung von Essigsäure eintritt. Es ist daher die
Gegenwart von lebendem Essigpilz das Bedin-
gende für die Essigbildung, und letztere wird be-
günstigt, wenn Verhältnisse geschaffen werden, die
sich der Lebensweise dieser Pflanzenart am meisten
anpassen. Diese sind, außer der Anwesenheit einer
alkoholischen Flüssigkeit, deren Gehalt an Alkohol
jedoch 10 Volumprozent im Marimum nicht über-
steigen darf: 1) reichlichster Zutritt der Luft, 2) eine
Temperatur, die nicht unter 10" (^. sinkt und nicht
über 35" (^. steigt, 3) Vorhandensein von wenn auch
nur geringen Mengen von Nährstoffen der niedern
Organismen (Phosphate des Ammoniums, Ka-
liums, Magnesiums), 4) eine gewisse Menge von
bereits fertig gebildeter Essigsäure, da der Essigpilz
vorzugsweise auf sauren Flüssigkeiten gedeiht. Be-
günstigt und beschleunigt wird die Essigbildung durch
künstliche Aussaat oder reichlichere Zufuhr des Essig-
pilzes. Daher tritt die Essigbildung stets in Ge-
fäßen und in Räumen, die bereits zur Essigbereitung
gedient haben, weit rascher ein und verläuft dort
schneller als in ungebrauchten Gefäßen und in neuen
Räumen, in denen ein regelmäßiger Betrieb oft nur
schwer sich einleitet. Die in den gebrauchten Gefäßen
und an den Decken und Wandungen der alten Essig-
ftuben stets vorhandenen Essigfermente entfalten eben
ihre Thätigkeit, sobald sie in die ihrer Entwicklung
günstigen Bedingungen zurückversetzt werden.
Da 1>act6liliin aceti nur durch Übertragung
von Sauerstoff die Efsigbildung veranlaßt, so kann
es seine Wirksamkeit auch nur dann äußern, wenn
es selbst Gelegenheit findet, Sauerstoff aufzuneh-
men, d. h. wenn es auf einer mit der Luft in Be-
rührung stehenden Flüssigkeit schwimmt. ^Wird es
in dieser untergetaucht und dadurch vom ^auerstosi
der Luft getrennt, so hört seine Wirkung sofort auf.
Die einzelnen Zellen umkleiden sich dann mit einer
gallertartigen Substanz, und diese sinkt zu Boden,
wo sie als Gallertmasse, Essigmutter genannt,
so lange unwirksam bleibt, bis ihre Zellen wieder
in Berührung mit Sauerstoff kommen. Diese Masse
besteht aus zahlreichen Bakterien, welche dicht an-
einander lagern, während gleichzeitig die äußern
gelatinösen Schichten der Bakterienzellwandungen
stark anschwellen (Zooglöenbildung, Vakterien-
schleim). Bei der E. muß daher eine einmal ge-
bildete Pilzdecke möglichst unberührt erhalten blei-
ben. Man soll daher die in Säuerung zu ver-
setzenden Flüssigkeiten, das Essig gut, nicht auf
gewöhnliche Weise in die schon in Betrieb befind-
lichen Gefäße eingießen, sondern sie von unten auf-
steigend langfam einstießen lassen. Eine Unter-
brechung des Betriebes kann mitunter auf eigen-
tümliche Weise durch eine Zerstörung des Pilz-
rasens herbeigeführt werden. In den der E. die-
nenden Apparaten siedeln sich leicht kleine Tierchen,
die Essig älchen (f. Haarwürmer), an, die zum
Atmen des Sauerstoffs bedürfen. Um ihren Sauer-
stoffbedarf befriedigen zu können, drängen sie sich
an die Oberfläche der Flüssigkeit und suchen den
Pilzrasen zu durchbrechen. So entsteht ein Kampf
ums Dasein zwischen Tier und Pflanze, bei dem
bei kräftiger Vegetation des Pilzes die Tiere
unterliegen und entweder ersticken oder an die
von der Flüfsigkeit durchnäßten Wandungen flüch-
teu müssen, während, wenn sie das Übergewicht er-
langen, der Pilzrasen an vielen Stellen durch-
brochen oder auch wohl ganz zerrissen und in die
Flüssigkeit untergetaucht "wird, womit die Essig-
bildung ihr Ende erreicht und mit Erfolg erst wie-
der eingeleitet werden tann, wenn die Tiere durch
Ausbrühen mit heißem Wasser getötet worden sind.
Zur Darstellung von Tafelessig benutzt man als
Essiggut nur Wein oder verdünnten Branntwein.
Die Darstellung des Weinessigs wurde früher in
sehr umfangreichem Maße in Frankreich und zwar
vorzugsweise in Orliianv betrieben, wo der Über-
fluh der kleinen, ohnehin wenig haltbaren Weine
auf diese Weise vorteilhast verwertet wurde. In-
folge des Auftretens der Reblaus ist dieser Industrie-
zweig bedeutend zurückgegangen. Das meiste, wa.s
jetzt als Weinessig in den Handel gebracht wird, ist
Branntweinessig, dem durch Zusatz von etwas Rot-
wein eine rötliche Farbe erteilt ist.