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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fernrohr

den Forschungen van Swindens scheint dem erstern, einem Brillenmacher in Middelburg, die Priorität zu gebühren. Um 1608 kamen F. aus Holland ins Ausland; 1609 erhielt Galilei Nachricht von der Erfindung und versuchte hierauf selbst und zwar mit gutem Erfolge die Herstellung eines F. Jedenfalls ist Galilei der erste gewesen, welcher zeigte, wie man F. verfertigen und sie zu astron. Zwecken benutzen könne. Die ersten F., holländische oder Galileische F. genannt, hatten ein doppelt-konvexes Objektiv- und ein konkaves Okularglas und zeigten die Gegenstände aufrecht oder in ihrer natürlichen Stellung. Bei diesem Instrument (s. Fig. 1) sucht eine konvexe Objektivlinse oo von einem entfernten Gegenstand AB nahezu in ihrer Brennweite (s. d.) ein umgekehrtes wirkliches Bild ba zu erzeugen. Allein bevor noch dieses Bild zu stande kommt, fallen die nach jedem einzelnen Punkte desselben konvergierenden Lichtstrahlen auf die konkave Okularlinse vv und werden so gebrochen, daß die Strahlen hinter der letztern divergent austreten. In Fig. 1 ist der Gang der Strahlen dargestellt, welche von dem Punkte A ausgehen und, nachdem sie Objektiv und Okular getroffen haben, aus letzterm divergierend austreten. Ein Auge, welches diese austretenden Strahlen empfängt, sieht in dem Punkte a’ ein virtuelles Bild des Punktes A. In gleicher Weise kann man für jeden andern Punkt des Gegenstandes AB den ihm zugehörigen Bildpunkt konstruieren, so daß man von dem Gegenstand AB ein vergrößertes, aufrechtes Bild erblickt. Das Verhältnis der beiden Winkel, unter welchen vom Auge das Bild a’b’ vermittelst des F. und der Gegenstand AB direkt gesehen werden, heißt die Vergrößerung des F.; man erhält dieselbe, wenn man die Brennweite des Objektivs durch die des Okulars dividiert. Je größer also die Brennweite des Objektivs und je kleiner die des Okulars ist, desto stärker vergrößert das F. Der auf einmal im F. übersehene Raum heißt das Gesichtsfeld; derselbe ist nur abhängig vom Durchmesser des Okulars und der Entfernung des Okulars vom Objektiv, nicht aber vom Durchmesser des Objektivs. Die Größe des Gesichtsfeldes nimmt ab in dem Verhältnis, in welchem die Vergrößerung zunimmt. Der Durchmesser des Objektivs heißt die Öffnung des F.; von der Größe der Öffnung eines F. hängt seine Lichtstärke ab. Je größer die Öffnung ist, um so mehr Licht wird von dem nämlichen Gegenstand ins F. gelangen, um so heller wird daher auch sein Bild erscheinen. Andererseits wird aber die Bildhelligkeit wieder mit der zunehmenden Vergrößerung abnehmen, da bei gleichem Objektiv dann die nämliche Lichtmenge auf eine immer größer werdende Bildfläche verteilt wird. Um störendes Seitenlicht zu vermeiden, sind Objektiv und Okular in eine innen geschwärzte Röhre eingesetzt. Bei kleinern F. macht man dieselbe des bequemern Transportes wegen meist ausziehbar. Die Länge der Galileischen F. ist gleich der Brennweite des Objektivs weniger der des Okulars. Ein erheblicher Nachteil dieses F. ist sein geringes Gesichtsfeld; da dieses bei Anwendung stärkerer Vergrößerung noch weiter verkleinert werden würde, so leuchtet ein, daß die vergrößernde Leistung des Galileischen oder holländischen F. nur eine mäßige sein kann. Wegen seiner Kürze ist es jedoch jetzt noch sehr beliebt als Taschenperspektiv, Opernglas (s. d.) und Feldstecher (s. d.). Trotz seiner schwachen Leistungen wurden mit dem holländischen F. gleich nach seiner Erfindung von Galilei, Fabricius, Scheiner u. a. doch die großartigsten Entdeckungen am Himmel gemacht (s. Astronomie).

^[Abbildung:]Fig. 1.

Jetzt ist das holländische F. aus der Astronomie vollständig verdrängt durch das weit vollkommenere astronomische oder Keplersche F. Dieses von Kepler, der überhaupt die erste theoretische Erklärung des F. gab ("Dioptrice", Augsb. 1611), erfundene F. besteht aus einer konvexen Objektivlinse oo (Fig. 2) und einer ebenfalls konvexen Okularlinse vv. Von einem entfernten Gegenstand AB erzeugt die Objektivlinse oo in ihrem Brennpunkte ein umgekehrtes Bild ba; dieses liegt zugleich aber auch im Brennpunkte des Okulars vv und erscheint dem durch dieses Okular sehenden Auge bei b’a’ vergrößert und in Bezug auf den Gegenstand AB verkehrt. Die Länge des astronomischen F. ist gleich der Summe der Brennweiten von Objektiv und Okular; seine Vergrößerung wird wie die des holländischen F. berechnet. Vor dem holländischen F. hat das astronomische große Vorzüge, namentlich den, daß es ein größeres Gesichtsfeld und eine größere Lichtstärke gewährt. Der Umstand, daß nur bei dem letztern ein wirkliches Bild des Objektes im Brennpunkte entsteht, läßt es auch allein zu astron. Messungen geeignet erscheinen. Das astronomische F. zeigt die Gegenstände umgekehrt. Für die Beobachtung der Gestirne ist dies gleichgültig; um das astronomische F. aber auch zur Betrachtung irdischer Objekte brauchbar zumachen, muß man ein aus mehrern Linsen zusammengesetztes Okular an Stelle der einfachen Okularlinse anwenden. Ein solches terrestrisches (d. h. ein für die Betrachtung der Gegenstände auf der Erde geeignetes) Okular ist vom Kapuziner Ant. Mar. de Rheita 1665 erfunden worden. Dasselbe

^[Abbildung:]Fig. 2.