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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Französische Kunst

die mit half, die konventionelle Farbengebung durch die Wiedergabe neuer Eindrücke zu erschüttern. Decamps, Biard, Fromentin, Cormon, Bida u. a. sind als Träger dieses Bestrebens zu bezeichnen.

Nicht minder brachte Vernet in die Schlachtenmalerei einen neuen, lebhaftern Zug; er löste sie aus der Darstellung von Einzelkämpfen zu der Darstellung moderner Heeresmassen auf und schuf somit ein ganz anderes System der Komposition. Charlet, Raffet und namentlich Bellangé führten diese Richtung erfolgreich weiter. Weicher, schlichter aber kaum minder durchgreifend wirkte Delaroche (s. Taf. VI, Fig. 2), welcher der romantischen Schule zu dem Kanon in Farbe und Entwurf verhalf, der nun, neben dem klassischen sich fortentwickelnd, endlich mit diesem sich vereinte, größern Talenten aber die Grundlage zum erfolgreichen Fortschreiten bot. Unter den Romantikern standen Robert-Fleury, Schnetz, die Brüder Johannot, Hébert, Lehmann künstlerisch dem Delaroche nahe. Sie schufen besondere romantische Genrebilder aus dem Landleben, doch nicht mit gleicher Innigkeit wie in Deutschland. In seinen meist Italien entnommenen Darstellungen hat Robert-Fleury mit schwankendem Erfolg versucht, einfachen Vorgängen eine allgemeine Bedeutung, durch geistreichelnde Beziehungen ein erhöhtes Interesse zu verleihen.

In gleicher Weise suchte die Historienmalerei nicht nur durch das eigentlich Darstellbare, sondern über dieses hinaus durch Anknüpfung an bekannte, meist in Beziehung zu der Tagesfrage stehende Vorgänge die Aufmerksamkeit der Beschauer auf sich zu lenken. Sie kam daher zu einer wissenschaftlich genauen Schilderung vergangener Ereignisse, deren Verständnis erst durch die vollkommene Kenntnis der betreffenden Geschichtsabschnitte ermöglicht wurde (Programmmalerei). Dabei kam es darauf an, viele Anregungen zum geistigen Weiterspinnen zu geben, d. h. den Inhalt des Bildes über das hinaus zu vertiefen, was die Malerei zu geben vermag. Die romantische Schule, ursprünglich Darstellung innerer Vorgänge, wurde mehr und mehr zu einer Gedankenmalerei. Dabei eignete sie sich eine solche malerische Virtuosität an, daß sie sich auch in der Farbe über die Natur zu erheben trachtete. "Exagérer la beauté", "die Schönheit überbieten", wurde ihr Wahlspruch namentlich in koloristischer Beziehung. Als Vertreter dieser Richtung sind Couture, Glevre und Cogniet zu bezeichnen, deren glänzende, von feiner Beobachtung eingegebene Malweise ihnen einen außerordentlichen Einfluß auf die F. K. verschaffte, ohne daß ihre eigenen Werke selbst eine bleibende Wirkung erzielen konnten. Unter Coutures Schülern ragt der Historienmaler Puvis de Chavannes hervor, welcher die Hauptgemälde im Pantheon ausführte. Auch der Deutsche Feuerbach in hier zu nennen. Cogniets hervorragendster Schüler war Meissonier, der sich durch meisterhafte, klare Malweise, charakteristische Zeichnung und Sicherheit im Darstellen des Psychologischen auf seinen in kleinem und kleinstem Maßstabe gehaltenen Bildern auszeichnete, auf welchen er vielfach nur einzelne Figuren (s. Taf. VI, Fig. 5) darstellte. Weiter gehören in Cogniets Schule der durch die plastische Kraft seiner Bildnisse ausgezeichnete Bonnat und die ihm nahe stehenden, im gleichen Gebiet thätigen Gaillard, Jacquemart, Feyen-Perrin u. a.

Waren schon von Delacroix nervenerschütternde Gegenstände durch die Malerei vorgeführt worden, so trat seit dem zweiten Kaiserreich das Bestreben, durch Darstellung des Grausigen, durch eine Mischung von Schrecken und Wollust zu packen, immer deutlicher hervor. Gérôme, Boulanger, Laurens, Landelle, Jalabert, Doré, Regnault, Rochegrosse, Gervex vertreten diese Richtung, deren Verdienst ist, durch steigende Schärfe der Beobachtung und damit verbundene Kraft realer Darstellung, als der wichtigsten Vorbedingung der beabsichtigten Wirkung, die Kunst des eigentlichen Malers erheblich gesteigert zu haben. In der Schlachtenmalerei, namentlich in den Werken von Neuville und Detaille, zeigt sich das Ergebnis dieser Richtung in einer allseitig befriedigenden Weise. Die Sorgfältigkeit des Studiums sowohl hinsichtlich des rein Künstlerischen als des Gegenständlichen verbindet sich mit einer erstaunlichen Beherrschung der Farbenwirkung und des charakteristisch Zeichnerischen.

Der überfeinerten, nervösen Richtung der aus der Romantik hervorgegangenen Kunstart trat eine zweite Schule entgegen, die sich schon äußerlich dadurch kennzeichnete, daß ihre Vertreter Paris verließen, sich in dessen ländliche Umgegend zurückzogen, namentlich in die Waldlandschaft von Fontainebleau (daher: Schule von Fontainebleau oder von Barbizon). Sie stand im starken Gegensatz zu den "Schönmalern" und deren hochentwickelten Malkünsten und suchte durch eine in die Farbenzauber der Beleuchtung tief eindringende, der jeweiligen Stimmung der Landschaft gerecht werdende Darstellungsart der Natur sich wahrer und inniger zu nähern. Ihr Darstellungsgebiet war die Landschaft (paysage intime), die sie mit Darstellungen teils von Tieren, teils von Menschen belebten, und ohne sich um die alten "Genres" der Malerei zu kümmern, suchten sie eine innige Verschmelzung der Lebewesen mit der Natur zu geben. Corot, Daubigny, die Brüder Rousseau, Jules Dupré, vorzugsweise als Landschafter, Fr. Troyon, E. van Marcke, Rosa Bonheur, Brascassat als Tiermaler, Breton (s. Taf. VI, Fig. 4), Millet (s. Taf. VI, Fig. 6), Brion als Maler bäuerlicher Scenen bilden zusammen eine Schule, welche anfangs im schärfsten Gegensatz zu jener der "Schönmaler" stand, sie suchten nach einer unmittelbaren Naturwahrheit, die sie durch die Wiedergabe des Eindruckes der Landschaft und der Lebewesen auf ihre meist weich und dichterisch gestimmten Gemüter zu erreichen strebten. Sie gaben diesen Eindruck als Ganzes, wenig bekümmert um das Detail, jedoch mit einer bisher unerreichten Kraft der Gesamtstimmung, die bei einzelnen zwar noch Anklänge an die alte Malweise ausweist, bei Männern wie Corot, Rousseau, Daubigny und namentlich Millet sich aber zu einer unmittelbar ergreifenden Wiedergabe des Natureindruckes steigert. Dabei suchen sie das Schöne nicht in einer künstlichen Steigerung in der Zeichnung oder im Kolorit, sondern wurden gerade durch die Opposition gegen Kunstanschauungen wie jene Coutures zu dem Streben hingeführt, die Wahrheit selbst auf Kosten der Schönheit zu geben. Das kampfgestimmte Gemüt des Malers Courbet sah sich sogar im Drang nach Unabhängigkeit vom Hergebrachten zu Bildern veranlaßt, welche die Absicht hatten, das gesellschaftliche Elend in deutlicher Sprache zum Beschauer reden zu lassen. An Stelle der Wonnen des Schauerlichen setzte er das Schreckliche in seiner einfachen Wirklichkeit, ebenso wie er mit Absicht die Farben hart und derb nebeneinander setzte, so wie er sie in der Natur sah.