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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Friedrich III. (Deutscher Kaiser, König von Preußen)
inspektor der 4. deutschen Armee-Inspektion unter-
nahm , seine Popnlarität im Süden. F. fungierte
auch als Präsident derLandesverteidigungskommif-
sion. Sein.Hauptinteresse aber war jetzt den Werken
des Friedens zugewandt. Als Protektor der königl.
Museen (seit 1871) sorgte er mit liebevollem Ver-
ständnis für die Bereicherung der Sammlungen der-
selben; die Inangriffnahme der Ansgrabnngen in
Olympia war wesentlich seiner Mitwirkung zu dan-
ken. Die Anlage der Museen für Kunstgewerbe und
Völkerkunde in Berlin wurde von ihm gefordert. Auf
seine Veranlassung erschienen die "Urkunden und
Aktenstücke zur Geschichte des Groften Kurfürsten".
Die Thätigkeit seiner Gattin auf dem Gebiete gemein-
nützigen Vereinslebens unterstützte er warm, nament-
lich die Arbeiterkolonien und Fortbildungsschulen.
Nach dem Nobilingfchen Attentat (2. Juni 1878)
fiel ihm bis Dez. 1878 die Leitung der Negierungs-
gcschäfte zu; er suchte sie gewissenhaft im Sinne
seines Vaters zu führen. Denkwürdig war aus
dieser Zeit das ebenso feste als versöhnliche schrei-
ben, das er an den Papst richtete. Die Erneuerung
des Staatsrates 1881, zu dessen Präsidenten er
11. Juni ernannt wurde, führte ihn wiederum
den Regierungsgeschäften näher. Als es sich 1880
um die Ausführung der Polenvorlagen handelte
(s. Preußen), sprach er sich aufs entschiedendste gegen
jede Beeinträchtigung des Deutschtums, sei es durch
Polen, sei es von anderer Seite aus. Bei verschie-
denen Gelegenheiten fungierte er als Vertreter des
Kaifers: 1873 bei der Eröffnung der Wiener Welt-
ausstellung und bei seiner auf Einladung des Kö-
nigs Oskar II. erfolgten Reife nach Schweden und
Norwegen, 1875 bei dem König Victor Emanuel in
Neapel, 1883 bei Alfons Xll. von Spanien, wobei
er auf der Rückreise auch die ital. Königsfamilie
und den Papst in Rom besuchte, sowie 19. Juni
1886 bei dem Leichenbegängnis Ludwigs II. von
Bayern, bei der Feier des Heidelberger Universitäts-
jubiläums im Aug. 1886 u. s. w.
Anfang 1887 begann bei dem Kronprinzen ein
schweres Halsleiden sich zu entwickeln; eine Kur
m Ems konnte die seit dem Januar aufgetretene
Heiserkeit nicht beseitigen. Die Berliner ^lrzte Ger-
hardt, Tobold und von Bergmann erkannten schon
im Mai, das; Kehlkopfkrebs vorliege. Eine Opera-
tion durch Professor von Bergmann war (für den
21. Mai) bereits in Aussicht genommen, als man
sich noch entfchloß, den engl. Specialarzt Morell
Mackenzie zu berufen. Dieser bezweifelte, daß Krebs
vorliege, und berief sich auf das Gutachten Virchows
(vom 9. Juni 1887), der an dem von Mackenzie aus
dem Kehlkopf exstirpierten Stückchen kein bösartiges
Symptom gefunden hatte. Der Kronprinz reiste
nun auf den Rat Mackenzies, der den Einfluß der
deichen Nrzte zurückzudrängen verstand, nach Eng-
land und Schottland und nahm auch 21. Juni an der
teil. Im September ging er mit seiner Familie
nach Toblach in Tirol. Von hier aus drangen die
ersten ungünstigen Gerüchte über sein Befinden wie-
der in die Öffentlichkeit. Nach kürzerm Aufenthalt in
Venedig und Baveno am Lago-Maggiore ging F.
3. Nov. nach San Remo, und hier erklärte Anfang
November auch Mackenzie, der im Sommer schon die
Nachricht der fast völligen Heilung ausgesprengt
hatte, dieZuziehung anderer Arzte (Professor Schröt-
ter aus Wien, Krause aus Berlin und Schmidt aus
Frankfurt a. M.) wieder für notwendig, und dem
einstimmigen Gutachten derselben, daß Krebs vor-
liege, schloß sich nun auch Mackenzie an (9. Nov.).
Die Arzte stellten dem Patienten die Wahl zwischen
der Operation des Luströhrenschnittes, die ohne Be-
seitigung des Grundübels das Leben nur verlängern
konnte, und der totalen Kehlkopferstirpation; F. ent-
schied sich für die erstere. Gegen Ende des Jahres
besserte sich jedoch das Befinden. Aber bald nahmen
die Schwellungen im Halse wieder zu, und 7. Febr.
1888 mußte Dr. Bramann, der Vertreter Bergmanns,
den Luftröhrenfchnitt vornehmen und eine Kanüle
einfetzen. Mit bewundernswerter Fassung ertrug F.
alle Stadien des furchtbaren Leidens; mit Seelen-
stärke folgte er auch der Pflicht, als der Tod Kaifer
Wilhelms 9. März ihn auf den Thron rief. Trotz
seiner schweren Krankheit und trotz der rauhen
Witterung reiste er mit seiner Gemahlin 10. März
von San Nemo ab, hatte in Genua mit König
Humbert von Italien ein bewegtes Wiedersehen und
traf am Abend des 11. März im Schlosse zu Char-
lottenburg ein. In einer Proklamation "An mein
Volk" und einem Erlasse an den Reichskanzler vom
12. März (unter Benutzung eines von Gesfcken
fchon 1885 für ihn gefertigten Entwurfes) ent-
wickelte F. die Grundsätze seiner Negierung: Un-
bekümmert um den Glanz ruhmbringender Groß-
thaten in gewissenhafter Beobachtung der Reichs-
und Landesverfassung nur der Wohlfahrt des Lan-
des zu leben, - Versprechungen, die von etwas allge-
meinem Klänge scheinen mochten, aber hier Wort für
Wort aus der innersten Überzeugung eines gerechten
und milden Gemütes kamen. Die mancherlei. eM-
nen Ideen zur Hebung des sittlichen und wirtschaft-
lichen Lebens der Nation, die der Erlaß enthielt,
auszuführen, war ihm nicht gegeben, und dem Auf-
raffen seiner Kräfte in den ersten Tagen der Regie-
rung folgte Mitte April ein Rückschlag, der die
nahende Auflösung voraussehen ließ. Dennoch
fehlten der kurzen Negierungszeit nicht charakte-
ristische Ereignisse. Ein Amnestieerlah und reiche
Gnadenbezeigungen bekundeten den wohlwollenden
Sinn des Herrschers. Aber als ihm Anfang April
in den: Plane, feine Tochter, die Prinzessin Victoria,
mit dem Prinzen Alexander von Battenberg zu ver-
mählen, die Wahl gestellt wurde zwischen einem
Interesse des Staates und dem Wuusche seines
väterlichen Herzens und seiner Gemahlin, entschied
er sich ohne schwanken für das erstere und bestimmte
auf Bismarcks Rat, daß von der geplanten Ver-
lobung der Prinzessin mit dem in Ruhland verhaß-
ten Prinzen bis auf weiteres keine Rede sein sollte.
War eine ausgesprochene Neigung des Kaisers für
eine bestimmte Partei auch nicht nachweisbar, so
war doch eine liberale Grundrichtung seines polit.
Denkens bei allem Festhalten an der monarchischen
Autorität unverkennbar. Ohne sie wäre das wich-
tigste polit. Ereignis seiner letzten Wochen, die Ent-
lassung des den liberalen Parteien m'chüed'igen Mi-
nisters des Innern, von Puttkamer (9. Juni), nicht
möglich gewesen.
Am 1. Juni war F. nach Schloß Friedrichskron,
wie er das Neue Palais bei Potsdam, seine Geburts-
stätte und seinen Lieblingsaufenthalt, umgetauft
hatte, übergesiedelt. Am 13. Juni mußte zur künst-
lichen Ernährung geschritten werden' 15.Juni vor-
mittags verschied er, standhaft und ergeben, nach
einer Regierung von 99 Tagen. Die 16. Juni er-
folgende Sektion der Leiche ergab die vollständige Zer-
störung des Kehlkopfes durch Krebs. Am 18. Juni