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Gau (Franz Christian) - Gandenzdorf
alle Teile desselben bestand, benutzte Karl d. Gr.
die vorhandenen G. als Grundlage, indem er die-
selben zu Grafschaften, zu Verwaltungsbezirken der
Monarchie machte. An die Spitze eines jeden G.
wurde ein königl. Beamter, ein Graf (Gaugraf),
gesetzt, welcher als Stellvertreter des Königs in dem
räumlich abgegrenzten Bezirke mit der Ausübung
aller diesem zustehenden Hoheitsrechte betraut wurde.
Der Graf ist der Beamte des G. schlechthin und hat
als solcher richterliche, polizeiliche, militä'r. und
finanzielle Obliegenheiten wahrzunehmen. Allmäh-
lich zerfiel die alte Gauverfasfung. Durch verschie-
dene, teilweise in die karoling. Zeit zurückreichende
Umstände wurde dieser Auflösungsprozeß, welcher
Mitte des 12. Jahrh, zum Abschluß gekommen war,
herbeigeführt. Vor allem durch die Entwicklung des
Lehnwesens, das Erblichwerden der Grafenämter
und die Teilung der G. in mehrere Grafschaften, so-
dann durch die Ausbildung der Immunitäten (s. d.)
und die Entstehung der Stadtverfafsung. Auch heute
noch erinnern einzelne Namen (wie z. B. Breis'
aau, Aargau) an die alte Gauverfasjung. - Vgl.
Thudichum, Die Gau- und Markenverfassung in
Deutschland (Gieß. 1860).
Die Geographie aller deutschell G. behandelte
der Abt von Vessel im "(^ronicou (^otnicsuLo"
iTegernsee 1732). Vortreffliche nach eingehendsten!
Studium der Urkunden gearbeitete Karten der G.
bat Menke geliefert in "Spruner-Menkes Handatlas
für die Geschichte des Mittelalters und der neuern
Zeit" (3. Aufl., Gotha 1880, Tafel 31-36). Die
Herausgabe der auf den Germanistenversammluw
gen zu Frankfurt (1846) und Lübeck (1847) be
schlossenen vollständigen Beschreibung der alten
deutschen G. wurde Landau übertragen, der jedock
nur die Beschreibungen des G. Wettereiba (Cass.
1855) und des Hessengaues (ebd. 1857) beendet hat.
- Vgl. außerdem von Lang, Bayerns G. (Nürnb.
1830). Neuere Arbeiten zur Gaugeographie sind:
Böttger, Diocesan- und Gaugrenzen Norddeutsch-
lands (4 Bde., Halle 1874-76); Vaumann, Die
Gaugrafschaften im württemb. Schwaben (Stuttg.
1879): Schricker, Älteste Grenzen und G. in: Elsaß
(in "Straßburger Studien", Bd. 2,1884); Schrö-
der, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (Lpz.
1889, Tafel II: Die G. Ribuariens).
Gau, Franz Christian, Baumeister und Archäo-
log, geb. 15. Juni 1790 zu Köln, ging 1809 nach
Paris, wo er die Baukunst unter Debret und Lebas
studierte. 1817 unternahm er eine Reise nach Ita-
lien und Sicilien, wandte sich von da nach dem
Orient und durchforschte namentlich Nubien. 1825
erhielt er das franz. Bürgerrecht und besorgte als
Baumeister der Stadt Paris die Wiederherstellung
der Kirche St. Julien-le-Pauvre, den Bau der
Pfarrei St. Severin, des Gefängnisses La Ro-
quette u. s. w. 1839 wurde er mit dem Bau der
Kirche Ste. Clotilde auf dem Platze Bellechafse
im Faubourg St. Germain, der ersten ueuen
Kirche im got. Stil in Paris, beauftragt. G. leitete
denselben feit 1846 bis zu seinem 31. Dez. 185.".
erfolgten Tode. Seine Zeichnungen von den älte-
sten Denkmalen der ägypt. Baukunst in Nubien er-
schienen mit einem Texte von Niebuhr und Le-
tronne u. d. T.: "^nti^uite" äo 1a I^udiu" (Par.
1821-27; deutsch, Stuttg. 1821-28). G. war
einer der ersten, die auf den fortlaufenden Zusam-
menhang zwischen den Epochen der Architektur und
den Stadien der Kultur bei dcn alten Völkern auf-
merksam machten. Seine Ansichten hierüber sind
niedergelegt in dem Werke "1^68 i-uinss äo ?oinM"
(4 Bde., Par. 1813-38), das von Mazois ange-
fangen und von G. beendigt wurde.
Gau-Algesheim, Stadt im Kreis Bingen der
Hess. Provinz Rheinhessen, an der Lmie Mainz-
Bingerbrück der Hess. Ludwigsbahn, hat (1890)
2415 E., Post, Telegraph, neue kath. got. Kirche mit
Turm, ein Schloß und bedeutenden Weinbau.-Vgl.
Vrilmayer, Geschichte der Stadt G. (Mainz (1883).
Gäubahn, von Stuttgart über Hochdorf nach
Freudenstadt (87,4 km), 1879 eröffnet, württemb.
Staatsbahn. Mr den Kuckuck.
Gauch, Geck, Narr; auch lokale Bezeichnung
<5a.nokb (frz., spr. gohsch), links, linkisch;
Gaucherie (spr. gosch'rih), linkisches Wesen.
Gauchheil, Pflanzengattung, s. ^nu^Nis.
Gauchos (spr. gautschos) heißen in den La-
Plata-Staaten die mit Viehzucht beschäftigten, die
Pampas bewohnenden Landlcute. Obgleich sie sich
als Weiße betrachten und auf diefen Titcl stolz sind,
sind sie doch meist Mestizen und tragen durch Zu-
sammenleben mit Indianerweibern bei, die Bevöl-
kerung der innern Provinzen wieder den Ureinwoh-
nern zu nähern. In einem Klima lebend, wo die
Sorge für warme Kleidung und Wohnung wegfällt,
begnügen sie sich mit Erdhütten oder leichten aus
Fellen errichteten Hütten (Ranchos). Sie tragen
grobe Jacken und Hosen und darüber den wollenen
Poncho, ein viereckiges, gestreiftes Stück Zeug, oder
auch ein rotes oder blaues Tuch, mit einem Schnitt
in der Mitte, durch welchen der Kopf gesteckt wird,
einen breiten Strohhut, ein 30-10 cm langes Messer
und silberne Sporen. Ihre Waffen sind der Lasso
(s. d.) und die Volas, zwei oder drei eiserne oder
bleierne Kugeln, welche an den Enden miteinander
verbundener, 2 ni langer Lederriemen sitzen und,
wirbelnd geschwungen, mit bewunderungswürdiger
Geschicklichkeit dem gejagten Tiere um die Hinterfüße
geworfen werden. Von Kindheit an mit Pferden ver-
I traut, sind sie ebenso kühne wie unermüdliche Reiter.
^ Hei aller Härte und Roheit haben sie Vorliebe für
Musik und Poesie. Teils sind die G. selbst Besitzer
kleiner Herden, teils stehen sie in Diensten größerer
Viehzüchter. Durch ihren Beruf abgebä'rtet und
ruhigem Leben abgeneigt, zeigten sie sich früher jeder-
zeit bereit, einer Partei sich anzuschließen und irgend
eine Unternehmung auszuführen. Die anhaltenden
Bürgerkriege 1830-60 boten ihnen zur Befriedigung
diefer Neigung stets Gelegenheit, brachten aber auch
eine große Demoralisation unter ihnen hervor. Die
Kriege waren meist das Werk ehrgeiziger Partei-
führer, die, bei den G. beliebt, nach der Herrfchaft
über die den G. verhaßten Städter strebten. Jetzt
ist der Typus der G. im Schwinden begriffen.
6?"?/^., hinter lat. Pflanzennamen Abkürzung
für Johann Franz Gottlieb Philipp Gau-
din, Prediger und Botaniker, geb. 1766 im Kanton
Waadt, gest. 1833.
v2.nAVa.lnu8 (lat., "Laßtuns froh sein"), Anfang
des bekannten Etudentenliedes (^. iFitnr, ^nvsueä
äuiu 8UMU8 u.f. w., dessen Ursprung ins 13. Jahrh,
zurückgehen soll, das aber erst im 18. Jahrh, die jetzt
gebräuchliche Form erhielt. Vgl. Schwetschke, Zur
Geschichte des (>. i^iwr (Halle 1877). - (-. ist auch
der Titel einer Sammlung von Liedern Ios. Victor
von Scheffels (s. d.).
Gaudenzdorf, südwestl. Vorort von Wien,
früher zu der Bezirkshanptmannfchaft Sechshaus,