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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geberden - Gebet

für einen Schüler des Dscha’far el-Ssâdik (s. d., auch Abu Musa Dschafar al-Sofi genannt), dessen Unterricht er in Medina genoß und mit dem er vielfach verwechselt wird, indem man den Namen G. auch auf diesen letztern überträgt. G. starb 776. Eine Anzahl der Schriften G.s ist in lateinischen und daraus geflossenen deutschen und franz. Übersetzungen bekannt: "Geberi philosophi de Alchimia libri tres" (Straßb. 1528), "Das Buch G.s vonn der Verborgenheyt der Alchymia" (ebd. 1530), "Geberi Astronomia" (Nürnb. 1534). Die berühmteste seiner Schriften ist: "Geberi Arabis Chimia sive traditio summae perfectionis et investigatio magisterii" (Leid. 1668; franz. Übersetzung von Salmon in 2 Bdn. der "Bibliothèque des philosophes chimistes", "G.s curieuse vollständige Chymische Schriften" (Frankf. 1710 und Wien 1751). - Vgl. Leclerc, Histoire de la médecine arabe, Bd. 1 (Par. 1876).

Geberden, s. Gebärden.

Gebern, ein pers. Wort (gäbr = Feueranbeter, Ungläubiger = türk. gjaur), mit dem die mohammed. Perser die (jetzt noch in Jesd und Kermân lebenden) Parsen (s. d.) bezeichnen. In Europa sagt man für "Geber" jetzt ziemlich allgemein "Parse". (S. Parsismus.)

Gebesee, Stadt im Kreis Weißensee des preuß. Reg.-Bez. Erfurt, 19 km im NW. von Erfurt, an der Gera, nahe bei deren Mündung in die Unstrut, an der Linie Nordhausen-Erfurt (Station Ringleben-G., 2 km südöstlich vom Orte) der Preuß. Staatsbahnen, hat (1890) 2149 evang. E., Post, Telegraph, Fabrikation von Spiritus, Essigsprit, Papierwaren und Cigarren sowie Handel mit Heilkräutern.

Gebet, im allgemeinen jede fromme Erhebung des menschlichen Geistes zum göttlichen, worin jener sich seine Abhängigkeit von diesem zum Bewußtsein bringt und dabei sich ihm als Ich dem Du gegenüberstellt; im besondern die Erhebung zu Gott in Form der Anrede. Der Wortbedeutung nach ist Beten soviel wie Bitten, der Sprachgebrauch aber, durch den engen Zusammenhang zwischen Bitten und Danken bestimmt, nennt G. jede Anrede an Gott. Man unterscheidet Bitt-, Dank-, Lobgebet und Fürbitte (s. d.). Seiner Form nach kann das G. in bloß gedachten oder auch in ausgesprochenen Worten bestehen, vom einzelnen oder von vielen gemeinsam gehalten werden. Gewöhnlich drückt sich die Gebetsstimmung auch in äußern Gebärden aus, wie im Aufstehen oder Niederknien. Die Alten streckten beim G. die Hände zum Himmel empor; die Christen folgten anfangs derselben Sitte; später ward es üblich, die Hände zu falten. Die Griechen beteten mit unbedecktem, die Römer und Juden mit bedecktem Haupte; in den heidenchristl. Gemeinden wurde früh die griech. Sitte herrschend, wenigstens für die Männer, während das Gegenteil den Frauen geboten wurde (1 Kor. 11, 4 fg.). Die Sitte, stehend zu beten, kam von den Juden zu den Christen (Mark. 11, 25); als Zeichen besonderer Zerknirschung gilt auch im Christentum die Kniebeugung beim G. Gerichtet werden kann das G. nur an Gott selbst, oder doch an Wesen, denen die menschliche Vorstellung unbeschadet ihrer Endlichkeit göttliche Würde zuschreibt. Die Griechen und Römer beteten zu allen Göttern und Göttinnen, der hebr. Monotheismus verwarf jedes nicht an Jahwe gerichtete G. als Götzendienst. Auch Christen und Mohammedaner beten nur zu dem einen Gott, und wenn es in der christl. Kirche frühzeitig Sitte ward, auch zu Jesu Christo zu beten, so beruht dies auf der kirchlichen Dreieinigkeitslehre, die dem Glauben an die wesentliche Einheit Gottes nicht hinderlich sein sollte. Erst in neuerer Zeit ist zugleich mit dem Dogma von der Gottheit Christi die Zulässigkeit der Anbetung Jesu bestritten worden. Die in der römisch- und griech.-kath. Kirche übliche Anrufung der Engel, der Maria und der Heiligen wird nach der genauen Lehre von göttlicher Verehrung sorgfältig unterschieden, obwohl sie thasächlich in wirkliche Vielgötterei ausgeartet und von den Protestanten beseitigt worden ist.

Als unmittelbarste Äußerung der Frömmigkeit ist das G. so alt wie die Religion, zu deren Wesen es gehört, daß der menschliche Geist ein persönliches Verhältnis zum göttlichen eingehe und das Verhalten Gottes zu sich bestimmt glaube durch sein Verhalten zu ihm. Aber wie das religiöse Verhältnis überhaupt, so kann auch das G. und die Vorstellung von dessen Wirkungskraft mehr sinnlicher oder mehr geistiger Art sein. Der religiösen Vorstellung liegt es nahe, den Willen der Gottheit als bestimmbar durch das Verhalten des Menschen zu denken, unbeschadet der Anerkennung der Abhängigkeit des Menschen von Gott. So suchten schon die Heiden durch Opfer und G. die Gunst der Götter auf sich herabzuziehen oder ihren Zorn von sich abzuwenden. Griechen und Römer hatten öffentliche, meist mit Opfern verbundene, von Staats wegen veranstaltete G. bei nationalen Feierlichkeiten, bei wichtigen Ereignissen oder öffentlichen Unglücksfällen. Den Juden waren durch ihr Gesetz nur beim Pfingstfest bestimmte Gebetsformeln vorgeschrieben (5 Mos. 26, 5-10, 13-15). Doch tragen die Psalmen größtenteils Gebetscharakter und im spätern Judentum war es ein Zeichen der Frömmigkeit, die dreimaligen Gebetsstunden am Tage zu beobachten, Gebetriemen (s. d.) und sog. Denkzettel anzulegen. Auch stehende Gebetsformeln kamen in Aufnahme. Jesus hat sowohl gegen die pharisäische Heuchelei wie gegen die heidn. Gedankenlosigkeit im Beten gekämpft und ein Mustergebet gegeben (Matth. 6, 5-8, 9-13), doch kamen auch in der christl. Kirche wieder Entartungen auf. Der Katholicismus hat das Beten als solches für ein gutes Werk erklärt, das namentlich in den Klöstern zu den vorgeschriebenen Gebetsstunden (s. Hora canonica) fleißig geübt wurde, doch vielfach bei Klosterschulen, Priestern und Laien zu äußerlichem Mechanismus entartete. (S. Rosenkranz.) In der christl. Religion ist der Glaube an Gebetserhörung ganz allgemein. Für eine mehr sinnlich bestimmte Frömmigkeit hängt die Vorstellung von der Erhörbarkeit der G. mit dem Wunderglauben zusammen, daher sie als Folge des G. nicht nur ein unmittelbares Eingreifen Gottes in den Weltlauf, sondern auch Erfolge im Gebiete des leiblichen Lebens, Einwirkungen auf das eigene oder auf fremdes Schicksal erwartet. Aber auch die am meisten vergeistigte Religiosität kann sich des Glaubens an Erhörbarkeit des G. ebensowenig wie des G. selbst völlig entschlagen, wenn sie gleich dessen unmittelbaren Erfolg streng auf die Sphäre des geistigen Lebens beschränkt und sowohl das G. als seine Wirkung als eingeschlossen denkt in die unverbrüchliche göttliche Weltordnung. Von einer durch das menschliche G. herbeizuführenden Abänderung göttlicher Ratschlüsse kann bei einem philosophisch geläuterten Gottesbewußtsein keine Rede sein, wohl aber ist die Art, wie der göttliche Geist sich dem