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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gefährdeeid - Gefahrentarif
letzung eines Menschen entstanden ist, es sei denn,
daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch
eigenes Verschulden des Getöteten oder Verletzten
verursacht ist. Damit hängt es serner zusammen,
daß der Vetriebsunternehmer einer Fabrik oder
eines Bergwerts für die durch Verschuldung eines
Bevollmächtigten oder Aufsehers verursachte Tötung
oder Körperverletzung schadenersatzpflichtig ist, auch
wenn er selbst ohne Schuld ist: und die weitgehende
Haftung aus Verschulden der Gehilfen. (S. Delikt.)
Umgekehrt gereicht es dem, welcher zur Rettung
aus einer gegenwärtigen G. eine sonst für rechts-
widrig erachtete Handlung vorgenommen hat, zur
Entschuldigung, wenn er in Notwehr (s. d.) oder
im Notstande (s. d.) gehandelt hat. Das gilt so-
wohl für die Frage der Strafbarkeit als des Scha-
denersatzes.
Sonst gilt die Regel, daß für Befchädigungen
Verletzungen, Entwertungen, welche nicht auf die
Verschuldung eines Menschen zurückzuführen sind,
nicht gehaftet wird. Ein jeder muß den Schaden,
welchen er an feinem Vermögen infolge von Er-
eignissen oder unverschuldeten Handlungen von
Menschen in seinen eigenen Angelegenheiten erlei-
det, selbst tragen. Solchen schadenstiftenden Zufall
nennen die Juristen <^8U3 (s. d.) und die Möglich-
keit einer derartigen Schädigung G. (periculum).
Richtig verstanden giebt den vorstehenden Satz die
Regel wieder: c^uui sentit äominuL, oder in einer
andern Formulierung: ^oinmoäum (s. d.) 68t Hus,
cu^n8 jx'riculuin 68t. Es ist eine einfache Anwen-
dung diefer Regeln, daß, wenn jemand fremdes Geld
als Darlehn annimmt, er von der kontrahierten
Schuld nicht befreit wird, wenn er das geliehene
Geld, welches fein Eigentum geworden ist, verliert,
bevor er es verwendet. Umgekehrt aber: Wer seine
Sache zum Gebrauch verliehen, verpfändet, zur Auf-
bewahrung anvertraut hat, trägt die G. einer ohne
Verschulden seines Schuldners eintretenden Be-
schädigung, Vernichtung oder eines Verlustes seiner
Sache. Nur wird es mit dem Beweise der Schuld -
losigkeit hier streng genommen (f. Oulpa). über die
Tragung der G. bei generischen Obligationen s.
Gattung; beim Kauf f. d. und Distanzkanf; bei der
Miete und Pacht f. Miete; bei der Werkverdingung
f. d.; beim Frachtvertrag s. d.; bei Geldzahlungen
s. Erfüllungsort; über den Einfluß, den der Verzug
auf das Tragen der G. hat, f. Verzug. Für die
offene Handelsgefellfchaft bestimmt das Deutsche
Handelsgefetzbuch Art. 93, daß die Gefellschaft dcm
Gesellschafter für die Verluste haftet, welche er aus
G. erleidet, die von feiner GefchäftZführung unzer-
trennlich sind. Das Sächs. Bürgert. Gesetzbuch hat
in §. 1376 die Bestimmung: Hat ein Gesellschafter
bei Beforgung einer gemeinfchaftlichen Angelegen-
heit einen Schaden erlitten, welchen er nicht erlitten
haben würde, wenn er die Besorgung nicht über-
nommen hätte, so kann er von den übrigen Gesell
schaftern verhältnismäßigen Ersatz verlangen.
Die G. einer gewerblichen Unternehmung,
also ob sie Gewinn oder Verlust bringt, trägt der
Unternehmer. Es ist deshalb gerechtfertigt, daß sich
dcr Unternehmer dieses Risiko, wenn das Unter-
nehmen gelingt, durch Ansetzung eines höhern Preises
bezahlen läßt, um die Verluste mißglückender Unter-
nehmungen zu übertragen. Ein Mittel teilweiser
Entlastung von der G. oieten die verschiedenen For-
men der Handelsgesellschaft dar; freilich wird dabei
auch der Nutzen für den einzelnen Teilnehmer ge-
Brockliaus' Konvorsations-Lexikou. 14. Allst.. VII.
ringer. Jede Gewähr eines Kredits ist mit der G.
verbunden, daß der Schuldner nicht zahlen kann oder
sich der Zahlung geflissentlich entzieht; deshalb sind
bei Barzahlung oder (durch Bürgschaft oder Pfand)
gedecktem Kredit leicht billigere Preise zu erlangen
als bei einfachem Kredit zumal eines zahlungsun-
kräftigen Schuldners. Daraus erklärt es sich, daß bei
geringer entwickelten Kreditverhältnissen vornehm-
lich Gesellschaften und Genossenschaften mit solida-
rifcher Verpflichtung ihrer Mitglieder oder Aktien-
gefellschaften mit reicher Kapitaldotation entstehen.
Mehren sich die flüssigen Kapitalien innerhalb eines
Volts, und wird infolgedessen leichter Kredit gewährt,
so entstehen zum Vorteil der Schuldner und des
Kredits überhaupt Genossenschaften mit befchränkter
Haftung, und auch bei geringerer Kapitaldotation
Gesellschaften mit befchränkter Haftung (s. d.). Es
ist nicht möglich, daß sich der Geschäftsmann gegen
alle G. feines Gewerbebetriebes im voraus sichert;
aber gegen eine Anzahl von G. bieten die Versiche-
rungen (s. Versicherungswesen) zahlungskräftiger
Versicherungsgesellschaften oder von Gegenseitig-
keitsgesellschaften ls. d.) dadurch eine Garantie, daß
die Tragung der G. auf eine große Zahl von Teil-
nehmern verteilt wird. Hierher gehört auch die Un-
fallversicherung (s. d.), bei welcherdie Berufsgenossen-
schaft (s. d.) Träger der G. ist.
Gefährdeeid, s. Eid (Bd. 5, S. 771 a).
Gefahrdeiche, s. Deich (Bd. 4, S. 879a).
Gefahrenklassen heißen bei den Versicherungen
Klassen mit verschieden hohen, durch den Gefahren-
taris (s.d.) bestimmten Beitragssätzen. Die Gefahren-
klasse wird durch die Gefahrenziffer (1,o; 1,i;
1,2; 1,3 u. s. w.) zahlenmäßig ausgedrückt. Bei der
Unfallversicherung sowie bei der Invaliditäts- und
Altersversicherung sind die einzelnen Betriebe nach
der Größe der mit ihnen verbundenen Gefahr ver-
anlagt. Die Bildung von G. ist nach dem industriellen
Unfallversicherungsgesetz obligatorisch (§.28 des Un-
fallversicherungsgesetzes), beiderlandwirtschaftlichen
und See-Unfallversicherung sowie bei der Invalidi-
täts- und Altersversicherung fakultativ G. 24 des
Invaliditätsgesetzes).
Die Veranlagung der einzelnen Betriebe zu den
G. erfolgt bei der Unfallversicherung durch die
berufsgenossenschaftlichen Organe, vorbehaltlich der
Befcl)werde an das Reichs-(Landes-) Versicherungs-
amt (s. Rcichsvcrsicherungsamt). Unabhängig von
der Einschätzung in die G. besteht die Befugnis der
(>)enofsenschaftsversammlung zur Vermeidung von
Unbilligkeiten einzelner Unternehmer nach Maßgabe
der Zahl der in ihren Betrieben thatsächlich vor-
gekommenen Unfälle für die nächste Periode Zu-
schläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen
l§. 28, Abs. 5 des Unfallversicherungsgesetzes).
Bei der Invaliditäts- und Altersversicherung
dürfen G. nur nach Verufszweigen gebildet werden;
hierin liegt ein bewußter Anklang an berufsge-
nossenschaftliche Regelung auch bei diesem Zweige
der Arbeiterversicherung. Mangels zuverlässiger
Unterlagen ist von der Bildung von G. bei der In-
validitäts- und Altersversicherung bisher Abstand
genommen worden. Werden G. gebildet, so muß für
jede derselben innerhalb jeder Versicherungsanstalt
eine besondere neue Beitragsmarke bestimmt wer-
den, wodurch die Gesamtzahl dieser Marken erheb-
lich wachsen würde.
Gefahrentarif, bestimmt bei der Versicherung
die Höhe der Beiträge, welche dei den einzelnen Ge-
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