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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gemüseampfer - Gemüsebau

1 cm Dicke zusammengedrückt. In diesem Zustande ist das G. fast unbegrenzt haltbar. Beim Gebrauch wird es zunächst eine halbe Stunde in warmes Wasser gelegt, wobei es quillt und seine ursprüngliche Gestalt wieder annimmt, und wird darauf unter Zusatz von Gewürz gekocht. Durch die fabrikmäßig dargestellten komprimierten G. kann man sich zu verhältnismäßig billigem Preise zu jeder Jahreszeit jedes beliebige G. verschaffen, das in diesem Zustande dem frischen kaum nachsteht. Besondere Bedeutung haben diese Fabrikate aber für die Verproviantierung bei längern Seereisen, für Forschungsexpeditionen, insofern eine große Menge Nahrungsstoff in sehr kleinem Raum enthalten ist. Eine Tafel von 500 g liefert 20 Portionen, zehn solcher Tafeln sind in einem Blechkästchen von 215 mm Seitenlänge und 160 mm Höhe enthalten, mithin lassen sich in 1 cbm Raum 25000 Portionen G. verpacken. (S. auch Dörrgemüse.)

Gemüseampfer, s. Rumex.

Gemüsebau, derjenige Zweig des Gartenbaues, der sich mit der Anzucht und Behandlung des Gemüses (s. d.) befaßt. Er wird in kleinerm Umfange in Gemüsegärten (s. Garten), oft mit Zuhilfenahme von Treib- und Mistbeeten (s. d. und Treiben der Pflanzen), in größerm Umfange auf freiem Felde betrieben. Zum Feldgemüsebau eignen sich besonders Kopfkohl, Blumenkohl, Zwiebeln, Gurken, Sellerie, Majoran u. a. Am lohnendsten ist der G. in Gärten, die aber gegen kalte Luftströmungen geschützt sein müssen. Der nicht zu schwere Boden wird meistens so tief als möglich mit dem Pfluge oder besser mit dem Spaten durchgearbeitet (s. Bodenbearbeitung). Die geeignetste Zeit dazu ist bei schweren, nassen Bodenarten der Herbst, sonst das Frühjahr unmittelbar vor der Bestellung; die Umgrabung wiederholt sich im Laufe des Jahres oft zwei- bis dreimal vor jeder Neubestellung einer abgeernteten Fläche. Später dient die Hacke zur Lockerung des Bodens, zur Beseitigung von Unkraut und oft zugleich zum Behäufeln (s. d.).

Als Düngung ist Stalldünger am geeignetsten, neben welchem Chilesalpeter, Peruguano, Knochenmehl u. a. nur selten als Hilfs- oder Beidünger angewendet werden. Auch menschliche Exkremente, im Herbst auf das Gartenland gebracht, geben einen sehr wirkungsvollen Dünger. Kompost (s. d.) dient zur Verbesserung leichten und magern Bodens. Als flüssige Düngung kann während der Vegetationszeit und bei Regenwetter mit Wasser verdünnte Gülle oder Jauche zum Begießen stark zehrender Gemüse verwendet werden.

Nicht alle Gemüse verhalten sich gleichmäßig zur Düngung. Kopfkohl, Blumenkohl, Wirsingkohl, Sprossenkohl, Sellerie, Gurken, Spinat, Radieschen, Rettich, Salat erfordern eine frische, sehr reichliche Düngung; sie heißen daher "stark zehrende Gemüse", man bringt sie auf Boden "mit ganzer Düngung" und baut sie in "erster Tracht". Mit einer weniger reichlichen, sogar "mit halber Düngung" nehmen fürlieb: Mohrrüben, Kohlrüben, Pastinake, Kartoffeln, Stangenbohnen, Bohnen, Erbsen u. a.; sie heißen daher "halb zehrende Gemüse" und man baut sie "in zweiter Tracht". Die "nicht zehrenden Gemüse", wie Zwiebeln, Bohnen, Karotten, Zwergerbsen, Frühkartoffeln, Petersilie u. a. geben auch noch "in dritter Tracht", d. h. ohne Düngung im dritten Kulturjahre gebaut, einen recht hübschen Ertrag. Von einer angemessenen Düngung hängt nicht nur die Menge des Ertrags, sondern oft auch die Schmackhaftigkeit und sonstige Güte des Gemüses ab.

Auf dieser Verschiedenheit der Gemüse rücksichtlich ihres Anspruchs auf Düngung beruht nun der Fruchtwechsel, ohne den ein ertragreicher G. nicht möglich ist. Gewöhnlich wird das Areal des Gemüsegartens in vier Quartiere geteilt, von denen eins für die mehrere Jahre ausdauernden Gemüse, wie Spargel, Rhabarber, Estragon, Schnittlauch und andere Gewürzkräuter verwendet wird, die andern drei werden mit dem übrigen Gemüse bebaut. Werden erstere überhaupt nicht kultiviert, so zerfällt das ganze Land nur in drei Quartiere, welche regelmäßig alle drei Jahre gedüngt werden, in jedem Jahre eins. Die Bepflanzung geschieht in der Weise, daß das frisch gedüngte Quartier im ersten Jahre mit Kohlarten und andern stark zehrenden Gemüsen, im zweiten Jahr mit Wurzelgewächsen und im dritten mit Hülsenfrüchten (Bohnen, Erbsen), Zwiebeln u. s. w. bestellt wird. Um den Boden möglichst auszunutzen, werden auf den mit einer Hauptfrucht bestellten Beeten am Rande oder zwischen den Reihen noch Nebenfrüchte, d. h. Gemüse von schnellem Wachstum und rascher Entwicklung, gebaut. So auf den Gurkenbeeten Salat, Blumenkohl, Kohlrabi u. s. w. Die im zeitigen Sommer abgeernteten Beete werden ferner noch mit einer "Nachfrucht" bestellt, wie Spinat, Portulak, Kohlrabi, Radieschen, Kopfsalat, Endivie u. a., während andererseits für spät zu pflanzende Gemüse, wie Kraut, Winterkohl, schnell abgeerntete Gewächse, wie Spinat, Früherbsen, Kartoffeln, Salat als "Vorfrucht" dienen.

Der G. erfordert die sorgsamste Pflege der betreffenden Gewächse, allein er ist im stande, bei intensiver Bewirtschaftung des Bodens auch die höchsten Erträge zu liefern. Schon 1-2 Morgen (= 25,5 a) Gemüseland sind für die Ernährung einer ländlichen Familie von 6 bis 8 Personen ausreichend, während bei landwirtschaftlichem Betrieb dazu 20 Morgen gehören. G. im großen ist nur lohnend bei günstigem Boden in der Nähe großer Städte oder Eisenbahnen, die den Absatz an jene leicht vermitteln.

Geschichtliches. G. wurde schon von den ältesten Kulturvölkern betrieben. In den Zeiten der Kindheit des Menschengeschlechts wurden als Speise jedoch nur wildwachsende Kräuter gesammelt. Im Alten Testament werden aber schon Kohlgärten erwähnt und "Speisen aus dem Pflanzenreiche". In Ägypten war der G. schon lange vor der Zeit, in der die Israeliten dort geknechtet wurden, in hoher Blüte, und Bohnen, Kürbisse, Melonen, Zwiebeln, Knoblauch, wahrscheinlich auch mehrere Kohlarten wurden damals schon in derselben Weise und in demselben Umfange angebaut wie noch heute. Auch von den Griechen und Römern wurde der G. mit Eifer und Erfolg betrieben; der Spargel von Ravenna wurde hochgeschätzt, und Salatgewächse der Gattung Lactuca waren bei reich und arm beliebt. Manche unserer besten Gemüse sind nachweisbar früher oder später aus dem Süden nach Deutschland eingeführt worden, z. B. der Wirsing, dessen Herkunft schon in der Bezeichnung Welschkohl u. s. w. angedeutet ist, der Mangold, die Pastinake, das Radieschen, Melonen, nicht vor der Mitte des 17. Jahrh. der Blumenkohl u. s. w. Durch die Römer wurde der G. nach Frankreich und Deutschland getragen und fand namentlich in dem zuerst gedachten Lande einen dankbaren Boden, auf dem er sich bis in die neueste Zeit stetig fortentwickelt hat und noch heute