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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geographie
Eratosthenes (s.d.), 275-194 v.Chr., stellte, auf
der von Aristoteles bezeichneten Bahn wissenschaft-
licher Behandlung vorwärts schreitend, das erste
System der Erdkunde auf, versuchte eine Erdmes-
sung, berechnete die Lage der Örter nach Längen
und Breiten aus Itinerarien und behandelte in sei-
nem geogr. Werke in drei Büchern die Geschichte der
G., die Physische und politische G. Hipparch, der
größte Astronom des Altertums, unterzog die Ar-
beiten des Eratosthenes einer strengen Kritik und
forderte für die Ortsbestimmungen ausschließlich
astronomisch gewonnene Längen und Breiten. Po-
sidonius (135 - 51 v. Chr.) machte eine neue Erd
messung, deren Ergebnis von den spätern Geogra-
phen anerkannt wurde, schrieb aber, vielleicht mit
Rücksicht auf die bekannten strengen Forderungen
Hipparchs, keine G., sondern verfaßte nur eine an-
erkannte Monographie über den Ocean. Auf diefen
folgte Strabo (s. d.) mit einem umfassenden Werke,
das im mathem. Teile zwar dürftig erscheint, aber
durch reiche Beiträge zur Völkerkunde sowie durch
treffliche Beschreibungen von Ortschaften und Gegen
den sich auszeichnet. (Vgl. Kart e n z ur G eschi ch t e
der Geographie Id.)
Die Römer verfolgten bei Bearbeitung der G.
den von dem Gesichtspunkte der Politik aus allein
als nützlich erscheinenden praktischen Zweck. Um den
mathem. und physischen Teil der G. kümmerten
sie sich nicht; nur die politische G. fand bei ihnen
Interesse und wurde betrieben. Durch ihre Heeres-
züge, die Anlegung von Militärstrasien und Nieder-
lassungen und durch fortgesetzten Handelsverkehr
begründeten sie die genauere Kenntnis des mittlern
und westl. Europas (Gallien, Britannien und Ger-
manien) und des nördl. Afrika, ^eit den Erobe-
rungen des Pompejus und Cäsar wurde durch die
Berichte der röm. Feldherren, durch Vermessung
aller Straßcnzüge und durch danach entworfene
Karten die Verbreitung geogr. Kenntnisse vielfach
gefördert. M. Vipsanius Agrivpa entwarf auf Be-
fehl des Kaifers Augustns eine große Wandkarte
des Römifchen Reichs für den Portikus der Octavia
in Rom zur allgemeinen öffentlichen Belehrung der
Bürger und verfah den gemalten Erdkreis, den
"oi'diZ picw8", mit einem Kommentar. Kopien
diefer großen Wandkarte wurden später dnrck alle
namhaften Provinzialstädte des großen Reichs ver-
breitet. Brnchstücke von dem Kommentar lassen
sich in strabo und Plinius nachweisen. Als eine
später vielfach entstellte Kopie diiser Weltkarte wird
von manchen die sog. Pcutingersche Tafel angeseben
(f. Peutinger). Um 455 v. Chr. schrieb Pomponius
Mela ein kurzes geogr. Handbuch: "De 8itu oi-I'is",
und folgte darin besonders dem Herodot und Era-
tosthenes, aber mit Vorliebe fürs Wunderbare.
C. Plinius (23-79) verfaßte u. d. T. "ll^wria
nlUui-lUi^' eine unkritische Encyklopädie der Wissen-
schaften in 37 Büchern, von denen das dritte bis
sechste Buch einen Abriß der G. enthält, die aber
ohne jede wissenschaftliche Behandlung oft nicbtc-
als lange Reihen alphabetisch geordneter Namen
bieten. Auszüge aus der "Historie nawi-ali^" waren
im Mittelalter weit verbreitet und verhalfen dem
Verfasser durch Jahrhunderte zu einer unverdienten
Autorität. Dem Historiker Tacitns verdanken wir
die erste um 98 n. Chr. geschriebene Monographie
über Deutschland. Von der wachsenden Erkenntnis
der Küstensäume des Indischen Oceans, damals
das Erythräische Meer genannt, legt ein am Ende
, des 1. Jahrh. n. Chr. geschriebener "?6i-ip1n8" Zeug-
! nis ab. An der Ostküste Afrikas erstreckte sich da-
^ mals schon der Verkehr bis an die Küste von San-
sibar, in Südasien bis über Ceylon hinaus; auch
wird hier zuerst die große Stadt Thina im Lande
der Serer (China) erwähnt. Kurz vor der Mitte
des 2. Jahrh, sammelte Marinus von Tyrus alle
, Nachrichten über neue Reisen in ferne, bisher unbe-
kannte Gebiete und zeigte dadurch einen gegen ^üden
und Osten bedeutend erweiterten Horizont. In Afrita
waren die Römer von der Nordküste aus durch die
Wüste bis zum Tsadsee vorgedrungen. Von der
Ostküste Asiens kam, wahrscheinlich durch Vermitte-
lung arab. Händler, die Kunde von hohen Schnee-
bergen < Mondgebirge), wahrscheinlich dem Kilima-
Ndscharo, und vielleicht anch von den Nilquellseen.
Die Agenten des macedon. Kaufmanns Mae's Ti-
tianos kannten den Landweg vom Mittelmeer quer
durch Hochasien nach dem Seidenlande, dem Lande
^ der Serer (China), und der griech. Schiffer Aleran-
dros erreichte jenfeit Java den äußersten bekannt
gewordenen Hafen Südasiens, Kattigara. Da^
waren die äußersten Grenzen der bekannten Welt.
Das Werk des Marinus von Tyrus ist verloren ge-
gangen, aber in seinem wesentlichen Inhalte über-
gegangen in die etwa 160 n. Chr. entworfene G.
des Claudius Ptolemäus (s. d.). Er baute auf
Grundlage der Arbeiten des Eratosthenes und der
kehren Hipparchs weiter und entwarf ein vollstän-
, diges System der inathematisch-astronomischen G.
Die 26 seinem Werke beigegebenen Karten sind nach
einer perspektivischen Projektion entworfen, die 1613
durch Aiguillon den Namen "stereographisch" er-
hielt. (Vgl. Karten zur Geschichte der Geo-
graphie 1o.) Als die geogr. Wissenschaft im
15. Jahrh, wieder belebt wurde, diente das Wert
des Ptolemäus noch einmal für ein Jahrhundert als
ausschließliches Lehrmittel für die G.
Mit Ptolemäus erlifcht die wissenschaftliche Kraft
de^ Altertums. Die spätern röm. Schriften, nament-
! licb ^olinus, verlieren wissenschaftlichen Wert und
^ gehen vorwiegend den Wundergeschichten (miradiliii
imlmii) nach. Leider bildeten sie vorherrschend die
Lektüre des christl. Abendlandes. Die christl. Lehre
wirkte nachteilig auf die Weiterentwicklung der G.
Nach einem Kampfe von mehrern Jahrhunderten
zwischen der christl. und heidn. Weltanschauung
' wurde die Lehre von der Kugelgestalt der Erde
wieder fast vollständig beseitigt und man kehrte im
allgemeinen für fast MW Jahre zu dem naiven
Glauben an die Erdfcheibe zurück. Der geogr.
Horizont fchränkte sich mehr und mehr ein und
auch die physische G. machte keine Fortschritte.
Im 8. Jahrb. begannen die Araber die von den
Griechen überkommene gcogr. Wissenschaft wieder
zu beleben. Die Werke des Ptolemäus wurden schon
im 5. Jabrb. unter den Sassaniden ins Persische,
im 8. Jahrh, ins Hebräische und Syrische übersetzl
und aus diesen Sprachen ins Arabische übertragen.
,^n Bagdad und Damaskus wurden Observatorien
begründet. Die Ursache der raschen Entwicklung
, geogr. Forschungen lag in der Verbreitnng des Is-
! iamv über die Grenzen des Chalifats hinaus nach
! Innerasien und nach dein ^udan, sodann in den
^ Handelsbeziehungen, die von der Ostsee bis nach
! Madagaskar und China reichten, sowie in der zur
religiösen Pflicht gewordenen Wallfahrt nach Mekka.
Da man sich beim Gebet nach Mekka wenden solitc
mußte die Lage Mekkas und die Lage der wichtigsten