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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Goldschmiedekunst

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Goldschmiedekunst'

kirchliche und profane Geräte beschränken. (Hierzu die Tafeln: Goldschmiedekunst I und II.)

Die Sitte, sich durch glänzende Gegenstände zu schmücken, ist allen Völkern gemeinsam und daher schon in den ältesten Zeiten zu beobachten. Früh suchte man dem Schmuck durch Verwendung wertvoller und dauerhafter Stoffe eine größere Bedeutung zu geben, welche sich zu symbolischen und abergläubischen Werten steigerte (s. Amulett). Man wählte bunte oder leuchtende Steine, Gold und Silber u. dgl. Die orient. Völker haben schon eine hohe Fertigkeit in der G. bewiesen. Ihr Einfluß zeigt sich in den frühgriech. Arbeiten, welche die Ausgrabungen zu Mykenä (s. d.), Tiryus, Troja (s. d.) und auf der Insel Cypern zu Tage förderten. Auch die spätern Arbeiten der Etrusker und der Griechen zeichnen sich durch die Schönheit, Eigentümlichkeit und Angemessenheit der Formen aus. Die Männer trugen Gewandnadeln (s. Fibula, Textfigur 1) und Ringe, in alter Zeit statt der Goldstickerei auf die Gewänder aufgenähte Goldplättchen, als Kopfschmuck Diademe und Kronen, bei Mahlzeiten und im Grab gelegentlich auch in Gold gebildete Kränze. Ein schönes Beispiel letzterer Art zeigt der in Armento (Unteritalien) gefundene ganz naturalistische Totenkranz (jetzt in München). Armbänder trugen nur die Römer. Die Frauen trugen Haar- und Kopfputz, namentlich Haarnadeln, Ohrringe und Fingerringe, Halsketten und Halsreifen, zum Teil mit Gehängen für die Brust, Armbänder und Spangen, Gürtel u. a.

Die Technik dieser Gegenstände ist eine sehr hohe. Neben fein getriebenen, gestanzten und ciselierten Goldblättchen fand der Filigran und ein mit höchster Feinheit durchgebildeter Metallguß vielfach Anwendung. Gold war das bevorzugte Material. Edelsteine sind außer in den Ringen selten und wirken auch dort mehr durch ihren Schnitt, als durch ihr natürliches Feuer. Elfenbein, Bronze, Glasflüsse wurden vielfach zum Schmuck verwendet. Ebenso ausgezeichnet sind die antiken Prunkgeräte, besonders die aus dem 1830 gemachten Funde zu Bernay in Frankreich (s. Taf. I, Fig. 4) und die aus dem Hildesheimer Silberschatz (s. d.). (Vgl. H. Blümner, Das Kunstgewerbe im Altertum, Lpz. 1885.)

Mit der Völkerwanderung trat, soweit es nicht schon in der röm. Kaiserzeit stattgefunden hatte, ein Verfall der G. ein. Form und Technik verschlechterte sich; doch verdienen einzelne Stücke, wie die im Banat gefundene Flasche von Gold (s. Taf. I, Fig. 1) und die Goldgefäße aus dem 1799 gemachten Funde von Nagy-Szent-Miklós immerhin Beachtung. Die Byzantiner hielten einigermaßen die Traditionen aufrecht und überlieferten sie dem Mittelalter, welches das, was noch davon übrig war, in dem Kunstbuch des deutschen Mönchs Theophilus, «Diversarum artium schedula» (12. Jahrh.), registrierte. Sie liebten eine außerordentlich reiche Verwendung von Edelmetall, insbesondere Gold in Verbindung mit Zellenschmelz (s. Email) sowie mit Edelsteinen, sowohl an Kronen, Armbändern, Schmuck, Gefäßen, als auch besonders an den Kleidern. Aber die Edelsteine wurden nicht mehr durch Gravierung verziert wie in alter Zeit, noch lernte und übte man bis gegen Ende des Mittelalters den krystallinischen Schliff. Man schliff sie rundlich, halbkugelförmig, in sog. «mugeliger Form», und faßte sie meist sehr roh.

Die Germanen bewiesen ebenfalls schon früh einen lebhaften Sinn für die G. Gemeinsam ist allen deutschen Stämmen die Verzierung mit Linienwerk, ↔ welches sich oft wurmartig verschlingt und mit Fratzen durchzogen ist. Gewandnadeln (s. Fibula, Textfigur 2), Hängeschmuck, Riemenbeschläge, Schnallen, Brustscheiben, Spangen aus Bronze, Eisen, später auch aus Gold, bilden den wesentlichen Teil des in Gräbern gefundenen Geschmeides (vgl. L. Lindenschmit, Altertümer der heidn. Vorzeit, Mainz 1858–87; Akerman, Remains of Pagan Saxondom, Lond. 1855). Einige glückliche Funde haben uns aber auch bedeutende Goldschmiedearbeiten jener Zeiten kennen gelehrt, so fand man 1653 zu Tournai im Grabe König Childerichs (gest. 481) einen reichen Schatz (jetzt im Louvre); 1837 fand man zu Petreosa (Walachei) den Schatz des Westgotenkönigs Athanarich (gegen 30 Pfd. Gold), 1845 zu Gourdon jenen des Königs Sigismund von Burgund (gest. 524), 1858 zu Guerrazar bei Toledo jenen des westgot. Königs Reccared (Anmerkung des Editors: richtig: Rekkeswinth ) (gest. 672). Eine Krone dieses Fürsten, ein breiter mit Saphiren und Perlen gezierter Goldreif, an dem die Buchstaben des Namens an Goldkettchen hängen, ist das Hauptstück des letztern. Andere ältere Arbeiten der G. bewahrt der Domschatz zu Monza, darunter die sog. Eiserne Krone (s. d. und Tafel: Goldschmiedekunst I, Fig. 2) und der Domschatz zu Aachen.

In der folgenden Zeit tritt das Geschmeide dem Prunkgerät gegenüber zurück; hierher gehört die ehedem im Baseler Münster, jetzt im Musée de Cluny zu Paris befindliche goldene Altartafel (s. Taf. 1, Fig. 6), der Speisekelch im Kloster Wilten (s. Taf. I, Fig. 3), ferner ein Crucifix des ital. Goldschmieds Finiguerra (s. Taf. II, Fig. 4). Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. stellen die städtischen Goldschmiedewerkstätten vorzugsweise Prunkgeräte her. Das 16. Jahrh. muß, was Ausdehnung und Reichtum betrifft, als die Blütezeit der G. betrachtet werden. Der Reichtum dessen, was in diesen Zweigen geschaffen wurde und was noch heute davon in den Museen und im Privatbesitz sich befindet (obwohl es nur einen kleinen Teil des Geschaffenen bildet), ist höchst bedeutend. Verschiedene günstige Umstände kamen hinzu: einmal überhaupt die allgemeine Erhebung und Ausbreitung der Kunst im Zeitalter der Renaissance, sodann die Menge edeln Metalls, die durch Entdeckung des Seewegs nach Indien und Amerika nach Europa kamen, die allgemeine, aufs äußerste gesteigerte Schmuckliebe und endlich die jetzt erworbene Geschicklichkeit, die Edelsteine in Krystallform zu schleifen. Die G. der Renaissance hat einerseits, was die Formen betrifft, vollendete Arbeiten geschaffen (s. Taf. II, Fig. 1), andererseits liebte sie es ganz besonders, aus den Halbedelsteinen, aus Achaten (s. Taf. I, Fig. 5), Onyx, Jaspis, Lapis Lazuli, ebenso aus dem Bergkrystall nicht nur Prunkgefäße, sondern auch Geschmeide (s. Taf. II, Fig. 2) zu bilden und sie mit reichen Goldfassungen zu versehen. Die bedeutendsten Goldschmiede jener Zeit waren Benvenuto Cellini (s. Taf. I, Fig. 7) und Wenzel Jamnitzer (Merkelscher Tafelaufsatz; 1549 für den Rat von Nürnberg angefertigt, seit 1880 im Besitz des Freiherrn Karl von Rothschild in Frankfurt a. M.).

Im 17. und 18. Jahrhundert machte die G. große Fortschritte, indem sie aus gefaßten Steinen Broschen, Anhängsel, Ohrgehänge, Ketten u. s. w. von vornehmster Wirkung hervorbrachte, zu welchen im 18. Jahrh. herrlich geformte und mit reichem Schmuck versehene Kannen (s. Taf. II, Fig. 6), Schalen (s. Taf. Il, Fig. 9) sowie die kunstvollen Uhren, die Ber-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 137.