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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Görres (Josef von) - Gorresio
und "Die arme Pilgerin zum heiligen Rocke" (ebd.
1846); heftweise als illustrierte Zeitschrift erschien
"Deutsches Hausbuch" (2 Bde., Münch. 1847-48).
Görres, Josef von, Gelehrter und Publizist,
geb. 25. Jan. 1776 zu Koblenz, war der Sohn eines
Holzhändlcrs und einer geborenen Italienerin, die
viel von ihrem südl. Temperament dem Sohne ver-
erbte. Geregelte Studien machte G. nicht, sondern
lieh sich schon von früh auf von den augenblicklichen
Bedürfnissen seines Geistes bestimmen. Der Einzug
der Franzosen in Koblenz 1794 brachte ihn in di-
rekte Berührung mit der Revolution. 1797 gründete
er das "Rote Blatt" gegen Adel, Geistlichkeit und
Despotismus, welches indes bald unterdrückt wurde.
1799 wurde er zum Mitglied der Deputation er-
nannt, die in Paris von der Direktorialregierung
die Einverleibung des linken Nbeinufers in die Re-
publik fordern sollte, trat aber infolge seiner Pariser
Erfahrungen von dieser Aufgabe zurück, ergab sich
wissenschaftlichen Studien und nahm die Stelle eines
Lehrers der Naturgeschichte und Physik bei der Sekun-
därschule Zu Koblenz an. 1806 ging G. nach Heidel-
berg, wo er mit Brentano und Arnim die "Einsiedler-
zeitung" herausgab: 1808 kehrte er nach Koblenz in
seine Stellung zurück und, von Begeisterung für das
Deutschtum ersaht, gab er seit 1814 den "Rheini-
schen Merkur" heraus. Als an der Stelle der Uni-
vcrsaldespotie der Absolutismus in den Einzel-
staaten sich wieder festsetzte, wurde 1816 der "Mer-
kur" wegen seiner rücksichtslosen Sprache verboten.
In Broschüren setzte G. den Streit fort.
Durch den Gcncralgouverneur des Mittclrheins,
Iustus Grüner, wurde G. zum Direktor des öffent-
lichen Unterrichts in dessen Gouvernement ernannt.
1818 übergab er an der spitze einer Deputation
dem Staatskanzlcr von Hardenberg eine Adresse
behufs Errichtung einer landständischen Verfassung.
Dies und anderes veranlaßte den Befehl, ihn zu
verhaften; doch G. floh nach Strahburg, später in
die Schweiz. Mystik und Symbolik packten den
Haltlosen, der nun bei der Kirche zu finden hoffte,
was ihm weder Revolution noch Deutschtum zu
geben vermocht hatten. Seine Wendung zum Ultra-
montanismus hatte sich vollzogen, als ihn Ludwig I.
als Professor der Litteratur und Geschichte nach
München berief. Mit der Verflüchtigung seiner
Iugendträ'ume ward G. selbst zum Priester einer ver-
gangenen Zeit. Auf seinen Antrieb entstanden 1838
die "Histor.-polit. Blätter" (s. d.), zu denen er selbst
viele Artikel lieferte. Gegen die Protestanten Leo,
Marheinecke, Bruno Bauer, welche seinen jakobi-
nischen Fanatismus bekämpft hatten, schrieb er seine
"Triarier" (Regensb. 1838). G. starb 29. Jan. 1848
in München. Er geHort zu den geistvollsten und
eigentümlichsten Publizisten Deutschlands.
Von seinen weitern Schriften sind zu nennen:
"Aphorismen über die Kunst" (Kobl. 1802); als
Resultat seiner Beschäftigung mit der Schellingschen
Naturphilosophie die Schrift über "Glauben und
Wissen" (Münch. 1806); ferner "Die deutschen Volks-
bücher" (Heidelb. 1807), "Mythengeschichte der asiat.
Welt" (2 Bde., ebd. 1810), "Lohengrin" (ebd. 1813),
"Altdeutsche Volks- und Meistcrlieder" (Franks.
1817), "Deutschland und die Revolution" (Ulm
1820 u. ö.), "Das Heldenbuch von Iran aus dem
Schah-Nameh des Firdüsi" (2 Bde., Verl. 1820),
"Europa und die Revolution" (Stuttg. 1821), "In
Sachen der Rheinprovinzen und in eigener Ange-
legenheit" (ebd. 1822), "Die Heilige Allianz und
die Völker auf dem Kongreß zu Verona" (ebd. 1822),
"Emanuel Swedenborg, feine Visionen und sein Ver-
hältnis zur Kirche" (^peyer 1827); "Die christl.
Mystik" (4 Bde., Regensb. 1836-42; neue Aufl.,
5 Bde., 1879-80) und sein "Athanasius" (ebd.
1837; 4. Aufl. l838) zeigen ihn bereits fest in sei-
nem mittelalterlich-romantischen Gleise. Mit dem
letzten Werke eröffnete G. den litterar. Streit in der
kölnischen Vischofsfrage. Ferner schrieb er: "Kirche
und StaatnachAblaufderKölner Irrung" (Weißenb.
1842) und zu Gunsten des Kölner Dombaues "Der
Dom von Köln und das Münster von Strahbnr<z"
(Regensb. 1842); durch "Die Wallfahrt nach Trier"
(ebd. 1845) griff er mit entscheidender Sprache in die
Zeitbewegung ein. 1845 zum Mitglied der Mün-
chener Akademie ernannt, veröffentlichte er die Ab-
handlungen über "Die Iaphetiden und ihre gemein-
same Heimat Armenien" (Münch. 1844) und "Die
drei Grundwurzeln des kelt. Stammes in Gallien"
(ebd. 1845). Letztere Schriften sind als Vorarbeiten
einer umfassenden "Welt- und Menschengeschichte"
zu betrachten, anderen Ausführung er durch den
Tod verhindert wurde. Eine Gesamtausgabe seiner
Schriften wurde von Marie G. veranstaltet (9 Bde.,
einschließlich der "Gesammelten Briefe", hg. von
Franz Binder, Münch. 1854-74). - Vgl/Denk,
Joseph von G. (Mainz 1876); Sepp, G. und seine
Zeitgenossen (Nördl. 1877); Histor.-polit. Blätter
(Jahrg. 1851 u. 1876); Staats- und Gesellschafts-
lerikon (hg. von Wagener, Bd. 8, Verl. 1861).
Görres-Gesellschaft, Verein "zur Pflege der
Wissenschaft im kath. Deutfchland", wurde am
hundertjährigen Geburtstage Josefs von Görres,
25. Jan. 1876, gegründet und hat feinen Sitz in
Bonn. Alljährlich wird eine Generalversammlung
gehalten, bei der auch besondere Beratungen der
Lektionen für Philosophie, Geschichte, Rechts- und
(^ocialwissenschast stattfinden. Die Leitung des
Vereins besorgt ein Verwaltungsausschuß von vier
Mitgliedern (Präsident ist Professor von Hertling
in München). Der Verein giebt jährlich einen
Jahresbericht und mehrere Vereinsgaben (populäre
wissenschaftliche Schriften, bis jetzt 45), sowie ferner
zwei Vierteljahrsschriften heraus, feit 1879 das
"Histor. Jahrbuch" (hg. von Grauert, Pastor uno
Schnürer) und seit 1888 das "Philos. Jahrbuch"
(hg. von Gutberlet), außerdem seit 1887 ein "Staats^
lexikon" (hg. von Bruder, bis jetzt 2 Bde.). Ein
weiterer Zweck der G. ist die Unterstützung von
kath. Gelehrten zur Förderung wissenschaftlicher
Arbeiten. Insoefondere yat der Verein 1888 ein
Historisches Institut zu Rom unter der Leitung von
Finke, Grauert und Pastor gegründet, von dem seit
1892 "Quellen und Forschungen aus dem Gebiete
der Geschichte" mit Benutzung der röm. Archive
herausgegeben werden.
Gorrefio, Gaspare, Abbe', Sanskritist, geb.
20. Juni 1808 zu Bagnasco in Piemont, studierte
zu Turin und Wien, wurde 1832 Professor der Ge-
schichte an der Militärakademie, 1834 Professor der
Philologie an der Universität zu Turin. Später
ging er nach Paris, wo er unter Burnoufs Leitung
Sanskrit, bei Stanislas Julien Chinesisch studierte.
1852 nach Italien zurückgekehrt, wurde er Professor
des Sanskrit an der Universität zu Turin, 1859
zugleich Bibliothekar an derselben Universität. Er
starb 21. Mai 1891. Sein Hauptwerk ist die Aus-
gabe des "KHmävHNtl", zugleich mit einer ital. Über-
setzung (10 Bde., Par. 1843-58).