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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Graf (Arturo)
Verbindung des Grundbesitzes mit dem Amte bildet
eins der Verhältnisse, aus denen sich das Lehnswesen
entwickelte; das Amt wurde Lehn. Unterbeamte und
Vertreter des G. waren die Vorsteher der Hundert-
schaft, die Schultheißen, Centgrafen, lat. centen^-
riu8) centui'ic), vicariuZ, in Sachsen die Gografen.
Diese Unterrichter wurden vom G., die sächs. Go-
grafen teilweise auch durch Wahl der Gemeinde er-
nannt. Schon unter Karl d. Gr. hatte das Lehns-
wesen die Natur des Amtes verdunkelt; dieses wurde
vielfach wie ein Besitz behandelt und dazu miß-
braucht, die Amtseingesessenen zu Hörigen zumachen.
Karl d. Gr. kämpfte dagegen an durch die außer-
ordentlichen Beamten, die Königsboten (lat. iniääi
dominici); aber seit der Mitte des 9. Jahrh, wur-
den namentlich in Westfrancien Grafschaften wie
andere Krongüter verliehen und die Ausdrücke nonoi-
(Amt) und I)6Q6iiciuin mehr und mehr gleichbedeu-
tend. Da zugleich die Erblichkeit zur Regel wurde,
so bildete sich aus dem Grafengut und andern Lehen
des Inhabers ein umfänglicher Landbesitz, der den
spätern, von der Gaugrafschaft völlig verschiedenen
Grafschaften zur Grundlage diente.
Unter den sächs. und frank. Kaifern erfolgte die
Vergebung von Gütern mit der Grafschaft und
andern königl. Rechten an geistliche Stiftungen in
immer größerer Ausdehnung, indem zum frommen
Eifer der polit. Grundfatz kam, den weltlichen Adel
durch die geistlichen Großen, die Bifchöfe und Abte,
deren Ernennung damals überwiegend von dem
Könige abhing, einzuschränken. Zu den Bistümern
gehörten bedeutende, wenn auch nicht immer zu-
sammenhängende, mit Pflichtigen Hintersassen be-
setzte Güter. Wenn nun die Bischöfe mit der Graf-
schaft auch die Gerichtsbarkeit, die sie durch Vögte (s.d.)
ausübten, über die zwischen ihren Gütern wohnenden
Freien erlangten, so bildeten sie sich, was zuerst der
Bischof von Würzburg im 11. Jahrh, erreichte, ein
völlig geschlossenes Territorium. Ebenso brachten
weltliche Große nicht selten mehrere Graffchaften in
eine Hand zusammen, während umgekehrt mancher
alte Gau in mehrere Graffchaften sich auflöste, die
in verschiedenen Händen waren. Durch diese Ent-
wicklung verfiel die alte Gaucinteilung gänzlich, und
schon seit dem 11. Jahrh, wurde die Lage eines Gutes
nicht mehr nach dem Gau, sondern nach der Grafschaft
bezeichnet. Unter Graffchaften verstand man jetzt
nicht mehr Amter, sondern Bezirke, deren geistlichen
oder erblichen Besitzern gewisse Rechte und darunter
ais besonderes Hoheitsrecht die Gerichtsbarkeit zu-
kam: nur daß sich auch diese G. von dem Könige mit
dem Banne (s. d.) beleihen lassen mußten, erinnerte
noch daran, daß sie eigentlich ein Amt bekleideten.
Aus sehr verschiedenen, selbst räumlich getrennten
Bestandteilen zusammengesetzt, galten die Graf-
schaften als ein Ganzes, weil sie erbliches Besitztum
desselben Herrn waren. Daher nennen sich die G. seit
dem 11. Jahrh, meist nur nach dem Hauptbesitztum.
Den Grafentitel führten feit alter Zeit endlich viele
G., die eigentlich nur Vicegrafen der Fürsten waren;
sie erhielten die Belchnung mit dem Gericht als
Afterlehn von ihrem Lehnsherrn, die Velehnung mit
dem Bann aber noch unmittelbar vom Könige. Sie
verwalteten übrigens die Gerichtsbarkeit vielfach
auch nicht persönlich, sondern durch für jede Mal-
stätte bestellte Beamte. Land-, Mark-, Pfalz-, Burg-
grafen (f. diefe Artikel) waren G. mit besondern Be-
fugnissen und seit dem 12. und 13. Jahrh. Titel für
gewifse Fürsten, deren Macht aber nicht in gleich-
mäßig unterschiedenen Ämtern, sondern in ihren
unter mannigfaltigen Titeln zusammengebrachten
Besitzungen ruhte, in denen sie dieHoheitsrechte aus-
übten. Gegen Ende des 15. Jahrh, nahmen auch die
freien Herren (s. Freiherr), die ohne Teilnahme am
öffentlichen Dienste die Reichsfreiheit ihrer größern
Besitzungen behauptet hatten, den Grafentitel an,
um sich von dem inzwischen aus den Ritterbürtigen
hervorgegangenen niedern Adel zu unterscheiden.
Die G. gehörten zu den Fürsten (pi-iucipeä) des
Reichs; als aber unter Friedrich 1. um. ^80 der
Begriff priucip68 bestimmter gefaßt und auf die
mächtigsten Großen beschränkt wurde, wurden die
G. (abgesehen von vereinzelten Ausnahmen) nicht
mehr zu den Reichsfürsten gerechnet. Der Titel
Fürst wurde fortan besonders verliehen, und die
G. bildeten zusammen mit den freien Herren und
Dynasten eine besondere, den Fürsten an polit.
Range untergeordnete, aber bezüglich des Geburts-
standes gleich geordnete Klasse der Großen.
Auf den Reichstagen des 16. Jahrh, hatten die
nichtfürstlichen G. zwei Kuriatstimmen, die Wetter-
ausche und die Schwäbische Grafenbank, wozu 1640
eine Fränkische, 1653 eine Westfälische kam. Bis auf
Ferdinand II. verlieh die Erhebung in den Fürsten-
oder Grafenstand auch die Reichsstandschaft. Später
bildeten die reichsständischen Fürsten und G. (Reichs-
grafen) den hohen Adel, die nicht reichsständischen
(Titular-) G. mit der Ritterschaft, deren ehemalige
Unfreiheit im 15. Jahrh, bedeutungslos wurde, den
niedern Adel. G. war nun ein Titel und kein Amt
mehr. Damit waren die G. als Geburtsstand recht-
lich bedeutungslos geworden. Ein geringer Rest der
frühern Bedeutung findet sich noch im preuß. Herren-
hause, wo sowohl einzelne G. als solche erblich als
die auf Grund der Präsentation von Grafenver-
bänden vom König berufenen G. für Lebenszeit zu
Sitz und Stimme berechtigt sind (Verordnung vom
12. Okt. 1854, §. 4, Ziffer 2; Verordnung vom
10. Nov. 1865, §§. 8 fg.). (S. auch Standesherren.)
Den Häuptern der Grafcnfamilien des hohen
Adels wurde durch Beschluß der deutschen Bundes-
versammlung 13. Febr. 1829 das Prädikat "Er-
laucht" verliehen. Der moderne Grafentitel vererbt
in der Regel auf alle Kinder eines G. - Erst seit
d. I. 1840 wurde in Preußen sür Neuverleihung
des Grafentitels das Erstgeburtsprincip nach engl.
Muster eingeführt. Als Grundlage folches nach dem
Recht der Erstgeburt vererbenden Grafentitels wird
ein ebenmäßig vererbendes Grundsideikommiß mit
einem Neinertrage von 60000 M. verlangt. -
Vgl. G.Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte' (neue
Aufl., Kiel u. Verl. 1874-85); R. Eohm, Die alt-
deutsche Reichs- und Gerichtsverfassung, Bd. 1
(Wcim. 1871); N. Schröder, Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte (Lpz. 1889); Vrunner, Deutsche
Rechtsgeschichte (Bd. 2, ebd. 1892).
Graf, Arturo, ital. Dichter und Literarhistoriker,
geb. 1848 in Athen, von deutscher Abkunft, erhielt
seine erste Bildung in Rumänien, studierte in Nea-
pel, kehrte dann nach Rumänien zurück und wurde
1874 Privatdocent in Rom. Hierauf las er als
Professor an derUniversitätTurinzuerstüberroman.
Philologie, seit 1882 über ital. Litteratur. Er ver-
öffentlichte u. a. "V6i-Li"(Braila1874; 2. Aufl., Tur.
1881), "bossle 6 noveiio" (Rom 1876), "Zwäiärain-
inktici" (Tur. 1878), "I coiupikinsQti äeiia c1i9.Q30u
ä'IIuoii Ü6 Voräsaux" (Halle 1878), "1^ i6ZF6iiäa
dsi Mi-Häiäo toi-r68ti'6" (Tur. 1878), "I'roiiieteo