Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'
erreichten bald eine hohe Stufe der Macht und Kultur; sie wurden später die Ausgangspunkte neuer Koloniegründungen, wie namentlich die
Milesier seit dem Beginn der folgenden Periode an der Propontis und an den Küsten des Schwarzen Meers Hauptniederlassungen
gründeten; in ihnen entwickelte sich auch zuerst die epische Poesie (Homer) zu hoher Blüte. Auch die Dorier beteiligten sich an diesen
Seezügen nach den Küsten Kleinasiens, indem sie, hauptsächlich von Argolis aus im Verein mit der dort uransässigen ion. Bevölkerung,
die sog. dorische Hexapolis, d. h. sechs zu einem Bunde vereinigte Städte (Halikarnassos und Knidos auf der kar. Küste, Kos auf der Insel
dieses Namens, und Jalysos, Kameiros und Lindos auf der Insel Rhodos) gründeten. Doch überwog in Halikarnaß die ion. Bevölkerung so
sehr, daß nicht nur alle Inschriften dieser Stadt in ion. Sprache geschrieben sind (auch der hier geborene Herodot verfaßte sein
Geschichtswerk ionisch), sondern auch ihre Verbindung mit den mehr dor. Nachbarstädten früh gelöst wurde. Alle diese Kolonisationen
scheinen sich indes bis 900 v. Chr. vollzogen zu haben.
Von den dor. Staaten im Peloponnes war jahrhundertelang Argos (s. d.) der mächtigste und blühendste. In
Messenien (s. d.) hatten die Dorier sich mehr als irgendwo sonst mit den ältern Einwohnern verschmolzen und unter
dem Einfluß der reichen, üppigen Landesnatur ihren kriegerischen Charakter mehr zurücktreten lassen; ihr Herrscherhaus schloß sich eng
an die Stämme des südl. Arkadien an. In Sparta (s. d.) waren neben den langen Kämpfen mit der achäischen
Bevölkerung bedeutende Unordnungen und Parteikämpfe zwischen den Doriern selbst eingetreten, denen erst durch die (von der
gewöhnlichen Chronologie auf 884, richtiger erst nach 825 v. Chr., angesetzte) Gesetzgebung des Lykurgus ein Ende gemacht wurde, die
die Verfassung und Sitte der Spartaner neu regelte und ihre militär. Kraft so sehr steigerte, daß sie etwa 800–770 v. Chr. endlich das
mittlere und südl. Eurotasgebiet erobern konnten. Der in den Bergen östlich und westlich des Eurotas wohnende Teil der besiegten Achäer
wurde zu freien, aber zinspflichtigen und politisch rechtlosen Unterthanen (Periöken), die Bauern der Ebene selbst zur Leibeigenschaft
herabgedrückt.
2) Von der ersten gezählten Olympiade bis zum Beginn der Perserkriege (776–500 v. Chr.). Die
Hauptcharakterzüge dieser Periode bilden die Ausbreitung der Griechen nach Osten wie nach Westen auf der Küste des Mittelmeers durch
Gründung zahlreicher Kolonien; der Sturz des alten Königtums in fast allen Staaten (um die Mitte des 8. Jahrh.), dem eine mehr als
hundertjährige Herrschaft des Adels folgte; das Auftauchen und der Sturz der Tyrannenherrschaft in vielen griech. Staaten; endlich das
Emporsteigen von Sparta zur Führerschaft (Hegemonie) im Peloponnes. Was zunächst die Kolonien anlangt, so fällt in den Anfang dieser
Periode, ins 8. und 7. Jahrh. v. Chr., die Gründung der zahlreichen Handelsniederlassungen der asiat. Ionier (namentlich der Milesier) in der
Propontis und an den Gestaden des schwarzen Meers (Abydos, Lampsakos, Kyzikos, Kardia, Apollonia, Odessos, Tomi, Istros, Tyras,
Olbia, Sinope, Trapezunt, Phasis, Pantikapaion) und die mehrerer bedeutender Kolonien in denselben Gegenden von Megara aus
↔ (Chalcedon oder Kalchedon, Byzantion, Selymbria und Mesembria); ferner die Besiedelung der thraz. Halbinsel
Chalkidike von den euböischen Städten Chalkis und Eretria aus; endlich die Anlage griech. Städte in Unteritalien und auf Sicilien, ein
Unternehmen, an welchem sich die verschiedensten griech. Stämme beteiligten. (S. Großgriechenland.) Auf der
Nordküste Afrikas wurde von einer Schar Ansiedler von der Insel Thera aus unter Führung des Battos um 630 die griech. Stadt Kyrene
begründet, die bald der Mittelpunkt eines blühenden Reichs wurde. Ägypten wurde durch den mit Hilfe griech. Söldner auf den Thron
gelangten König Psammetich (nach 655) den Ioniern zu freiem Verkehr und auch zur Niederlassung in Naukratis eröffnet.
Mit dieser gewaltigen Entwicklung des griech. Elements nach außen war ein mächtiger Aufschwung im Innern verbunden, der zu
bedeutenden Umgestaltungen, namentlich in den polit. Verhältnissen führte. In den meisten griech. Staaten (nur Sparta und Argos bilden
eine Ausnahme davon, doch scheint in dem letztern seit dem Tode des Pheidon, welcher um die Mitte des 8. Jahrh, die ganze Landschaft
Argolis unter seinem Scepter vereinigt hatte, das Königtum zu einer bloßen Form herabgesunken zu sein) wurde die monarchische
Staatsform aufgehoben und machte der aristokratischen Platz, welche alle polit. Macht und den größten Teil des Grundbesitzes in den
Händen einer größern oder geringern Zahl adliger (eupatridischer) Geschlechter konzentrierte. In Athen wurde die anfangs lebenslängliche
Amtsdauer des Königs 752 auf 10 Jahre beschränkt, 714 das ausschließliche Recht des Geschlechts der Medontiden auf diese Würde
aufgehoben, 682 aber ein Kollegium von neun Archonten (die nur aus und von den Eupatriden gewählt wurden) mit einjähriger Amtsdauer
an die Spitze des Staates gestellt. In Korinth war längere Zeit die Regierung in den Händen eines großen Adelsgeschlechts, des der
Bakchiaden. Der Druck, den solche herrschenden Geschlechter auf die übrige Bürgerschaft ausübten, in manchen Fällen auch die Härte,
womit sie gegen arme Schuldner einschritten, erregte in vielen Gemeinden die Unzufriedenheit des Volks, welche dann meist Männer von
hervorragendem Talent, gewöhnlich Mitglieder der Aristokratie selbst, die mit ihren Standesgenossen zerfallen waren oder ehrlich mit dem
Demos sympathisierten, zur Befriedigung ihres persönlichen Ehrgeizes ausbeuteten, indem sie sich an die Spitze der Unzufriedenen
stellten und, nachdem sie die bestehende Verfassung umgestürzt, sich selbst zu Alleinherrschern (Tyrannen) aufwarfen und gewöhnlich
mit Hilfe von Mietstruppen diese Herrschaft behaupteten. Einige dieser Tyrannen vererbten sie auch auf ihre Nachkommen, so Andreas,
oder wie er sich später nannte, Orthagoras, der 605 v. Chr. in Sikyon sich der Herrschaft bemächtigte, die bis zum Tode des Kleisthenes,
der 505 ohne männliche Erben starb, bei seiner Familie blieb; so Kypselos, der 657 v. Chr. nach dem Sturze der Bakchiaden die
Regierung von Korinth gewann, die er 30 Jahre lang bis zu seinem Tode behauptete und seinem Sohne Periander übergab, der sie 42
Jahre lang (627–585) führte; erst dessen Nachfolger, sein Neffe Psammetich, wurde 582 vertrieben und eine gemäßigt aristokratische
Verfassung eingeführt, wie sie in vielen Staaten nach Vertreibung der Tyrannen oft als Übergang zur Demokratie wieder vorkam.
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 322.