Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'
lioten flüchteten unter Photos Tzavellas Führung teils nach Korfu, teils nach Parga, und erst 1814 kehrte ein Teil von ihnen in die Heimat zurück.
Auch von seinen übrigen Gegnern wußte Ali Pascha einen nach dem andern zu stürzen, sodaß er 1810 Herr fast des ganzen nördlichen G. war und
selbst in Morea durch seinen Sohn Veli Fuß gefaßt hatte. Trotz dieser ungünstigen Verhältnisse entwickelte sich in Verbindung mit den fortwährend
an Zahl und Bedeutung wachsenden Unterrichtsanstalten eine eigene neugriech. Nationallitteratur, die, der Befreiung G.s vorarbeitend, bald eine
hohe polit. Bedeutung erhielt und zur Stiftung der Gesellschaft der «Philomusen» in Athen führte (1813). Dabei war der griech. Handel fortwährend
im Steigen, und in der rasch wachsenden Handelsmarine bildete sich eine Pflanzschule für die spätern Seekriege.
Am meisten aber wurde die Erhebung des Volks vorbereitet durch den Geheimbund der Hetärie (s. d.), der die Bewegung der
Griechen fortwährend rege erhielt. Ein Krieg, in den die Pforte 1820 mit ihrem mächtigsten Vasallen, Ali Pascha, geraten war, begünstigte die
griech. Pläne. Seine ehemaligen Feinde, die Sulioten, schlossen sich ihm im Kampf gegen die Türken an, und der 1. Febr. 1821 erfolgte Tod des
Hospodars der Walachei, Alexander Sutzos, brachte den Aufstand zum Ausbruch. Alexander Hypsilantis, der in Bessarabien eine Schar Hetäristen
um sich gesammelt hatte, rückte im Vertrauen auf russ. Unterstützung 7. März in Jassy ein, rief alle Griechen gegen die Türken unter die Waffen und
kündigte die Erhebung G.s und der andern christl. Provinzen und die Hilfe Rußlands an. Mit einem Heere von etwa 5000 Mann, dessen Kern die
sog. «Heilige Schar» (s. d.) bildete, zog er in Bukarest ein. Allein der Widerstand, den sein
Unternehmen bei den walach. Bojaren fand, die Desavouierung desselben durch Rußland, die Planlosigkeit und Kraftlosigkeit, mit der Hypsilantis
selbst es betrieb, und der Verrat des Walachen Wladimiresko ließen es scheitern. Die Türken nahmen Galatz und Bukarest, schlugen bei
Dragaşani (Dragaschan) 19. Juni Hypsilantis zurück und zwangen ihn zum Übertritt auf österr. Gebiet. Den Rest der Truppen führte Georgakis
Olympios in die Moldau, besetzte das Kloster Sekko und sprengte, als er sich umgangen sah, sich und seine elf noch übrigen Genossen samt dem
hereinstürzenden Feinde 27. Aug. in die Luft.
Inzwischen war 2. April 1821 der Aufstand auch in Morea ausgebrochen, vorzüglich vom Erzbischof von Patras, Germanos, und dessen beiden
Freunden, Andreas Zaïmis aus Kalavryta und Andr. Lontos aus Vostitsa, gefördert und geleitet. Anfangs ging alles glücklich von statten. In mehrern
Gefechten siegten die Insurgenten, deren Hauptanführer Theod. Kolokotronis und Petros Mauromichalis waren, nahmen mehrere Städte ein und
bildeten in Kalamata, der Hauptstadt Messeniens, eine Provisorische Regierung unter dem Namen des «Senats von Messenien», der 9. April seine
Sitzungen eröffnete und den Aufstand zu organisieren begann. Zu gleicher Zeit war auch auf den Inseln die Empörung ausgebrochen. Noch im Laufe
des April erklärten sich Spezzia, Psara und Hydra für unabhängig, und ein Geschwader der Insurgenten unter Jakob Tombasis gewann die übrigen
Inseln des Archipels, mit Ausnahme von Chios, für den Aufstand. Im nordwestlichen G. befestigten die Sulioten ihre Eroberungen, und im
nordöstlichen ↔ waren Lokris, Böotien, Euböa, Attika im vollen Aufstande, Athen wurde 7. Mai 1821 genommen und die türk.
Besatzung in der Akropolis blockiert. Selbst über die Thermopylen hinaus erstreckte sich die Erhebung; in Thessalien und Macedonien sahen sich
die Türken angegriffen. Anfangs war die Pforte über Art und Umfang der Bewegung ziemlich im Unklaren, bis das Eintreffen der Nachrichten von der
Erhebung der Griechen in Morea und die Entdeckung einer Verschwörung in Konstantinopel selbst ihr die Augen öffnete. Furchtbare, vom türk. Pöbel
ausgeübte Metzeleien in den von den Griechen bevölkerten Teilen des Reichs, vorzüglich in Konstantinopel, wo der Patriarch Gregorios am Osterfest
22. April nebst andern Geistlichen am Thor der Kathedrale aufgehängt wurde, in Smyrna, Kydonia und auf Cypern und Kreta waren die Folge dieser
Entdeckung und führten zum Abbruch der diplomat. Beziehungen zwischen Rußland und der Pforte. Unterdes machte der Aufstand zu Wasser und zu Lande
Fortschritte. Die Flotte des griech. Admirals Tombasis schlug die türkische bei Eresos unweit Mytilini 8. Juni, während ein anderes griech.
Geschwader Mesolongion und Anatolikon und dadurch Ätolien und Arkananien zum Aufstande bewog. In Mittelgriechenland konnten die Türken nicht
vordringen; sie wurden im Osten von dem schlauen Odysseus, im Westen von den tapfern Sulioten unter Markos Botzaris zurückgetrieben. In Morea
konzentrierte sich fast aller Kampf um Tripolis, die Residenz des Paschas. Die Stadt wurde 5. Okt. von den Griechen erstürmt und für die von den
Türken verübten Greuel furchtbare Rache geübt. Die Türken hatten nur noch sechs feste Plätze in Morea; auch auf Akrokorinth wurde die griech.
Fahne aufgepflanzt.
Die von dem zum Archistrategen ernannten Demetrius Hypsilantis zusammenberufene Nationalversammlung, die unter dem Vorsitze von Maurokordatos
anfangs in Argos, dann in Piada in der Nähe des alten Epidaurus tagte, erließ 13. Jan. 1822 die feierliche Unabhängigkeitserklärung des hellen.
Volks und beriet eine Verfassung für G. Das bald darauf verkündigte Grundgesetz, bekannt unter dem Namen «Organisches Gesetz von Epidaurus», das
in 110 Artikeln sehr freisinnige, aber für die Bildungsstufe des griech. Volks zum Teil unanwendbare Bestimmungen enthielt, blieb ohne
Wirksamkeit und die danach eingesetzte Regierung von fünf Mitgliedern, mit Maurokordatos an der Spitze, ohne Einfluß. Die Militärpartei, an deren
Spitze Kolokotronis, Hypsilantis und Odysseus standen, wollte eine unbedingte Militärherrschaft eingeführt wissen, scheiterte aber mit diesem
Plane.
Inzwischen war es der Pforte gelungen, den aufrührerischen Ali Pascha niederzuwerfen, und sie konnte nun (1822) alle ihre Kräfte gegen G. wenden.
Ein größeres Heer sollte durch Osthellas über den Isthmus in Morea eindringen, ein kleineres, aus Albanesen bestehend, Westhellas unterwerfen.
Dramali (Mahmud Pascha von Drama) zog mit 30000 Mann, worunter 6000 Reiter, durch die Thermopylen nach Mittelgriechenland und Morea, besetzte
Nauplia und Argos, mußte sich aber aus Mangel an Lebensmitteln nach Korinth zurückziehen und erlitt in dem Engpasse von
Derwenakia (s. d.) durch Kolokotronis eine vollständige Niederlage. Die Griechen nahmen wieder Nauplia. In Westhellas
dagegen erlitten sie und die mit ihnen verbundenen Philhellenen 16. Juli 1822 bei Peta (s. d.)
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 335.