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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechenland (Geschichte 1832 bis zur Gegenwart)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'

die neueröffnete Nationalversammlung in Nauplia. Am 30. Jan. 1833 langte der junge König mit den Regenten, Graf von Armansperg, General von Heidegg und Staatsrat von Maurer, denen der Geh. Legationsrat von Abel beigegeben war, vor Nauplia an und hielt (6. Febr.) seinen Einzug in die Stadt. Die energischen Maßregeln der Regentschaft bewirkten sehr bald die Beruhigung des Landes, und alle festen Plätze wurden ohne Weigerung den bayr. Truppen eingeräumt. Ein förmliches Ministerium wurde nun unter Spyridon Trikupis (s. d.) errichtet, Generalgouverneure für Morea, das kontinentale Hellas und den Archipel ernannt, das Königreich in 10 Nomarchien und 42 Eparchien eingeteilt, drei Centralgerichtshöfe gegründet und G. ganz auf europ. Fuß organisiert. Nur die Klephten im Norden G.s und die Maniaten wollten sich nicht fügen und setzten ihre Raubzüge und andere Gewaltthätigkeiten fort. Gegen letztere bedurfte es einer Expedition der bayr. Truppen 1834; die erstern wurden durch Anlegung von Blockhäusern an der Nordgrenze und durch eine Expedition 1835 gebändigt. So sehr aber auch die Regentschaft sich bemühte, durch wohlthätige Maßregeln und Einrichtungen aller Art den Zustand des Landes zu heben, so fand sie doch bei den Freiheitshelden, deren Ansprüchen gegenüber sie sich allerdings unbeugsam erwies, keine Anerkennung, und bald zeigte sich wieder die alte Zwietracht. Im März 1834 glaubte man eine Verschwörung zum Umsturz der Regentschaft entdeckt zu haben, und Kolokotronis und dessen Schwager Plaputas (Koliopulos), die kompromittiert erschienen, wurden zu zwanzigjährigem Gefängnis verurteilt. In derselben Zeit trat G. mit der Pforte wieder in diplomat. Verbindung, während durch die eigenmächtige Errichtung eines selbständigen griech. Synods die freundschaftlichen Beziehungen zum Patriarchat von Konstantinopel abgebrochen wurden. Noch im Laufe des J. 1834 kehrten alle bayr. Truppen in ihre Heimat zurück und andere, in Bayern angeworbene, traten an deren Stelle, während zu gleicher Zeit griech. regelmäßige Truppen gebildet wurden (s. Griechisches Heerwesen). Die Zwietracht, die sich gleich anfangs in der Regentschaft gezeigt hatte, führte im Sommer 1834 zu einem förmlichen Zerwürfnis, das der König Ludwig von Bayern dadurch beseitigte, daß er im August Maurer und Abel zurückrief und durch Kobell und Greiner ersetzte.

Nachdem 30. Sept. 1834 die königl. Residenz von Nauplia nach Athen verlegt worden war, wurde der König 1. Juni 1835 für volljährig erklärt und übernahm die Regierung selbst. Graf Armansperg ward nun zum Kanzler ernannt, die übrigen Mitglieder der Regentschaft kehrten nach Bayern zurück. Obschon das Ministerium Armansperg, gleich der Regentschaft, den Fehler beging, die Regierung zu sehr nach occidentalisch-bureaukratischem Zuschnitt zu modeln, so würden diese Mißgriffe doch nach und nach ausgeglichen worden sein, wenn nicht die wachsende Rivalität der Schutzmächte um den Einfluß in G. die Befestigung eines geordneten Zustandes verhindert hätte. Das Mittel zur Durchführung ihrer eigennützigen Bestrebungen war bei allen drei Mächten, sich eine Partei im Lande zu gewinnen; zudem hatte die Anstellung vieler Deutschen im Civil- und Militärdienste Unzufriedenheit erregt, und der Fremdenhaß, insbesondere gegen die Deutschen, rief noch eine sog. nationale Partei hervor. Bisher war mit Armansperg der engl. Einfluß überwiegend gewesen. ↔ Die Feinde dieses Ministers wußten aber die Reise des Königs Otto behufs seiner Vermählung mit der Prinzessin Amalie von Oldenburg (22. Nov. 1836) zu seinem Sturze zu benutzen, worauf König Otto den bayr. Regierungspräsidenten von Rudhardt 14. Febr. 1837 zum Nachfolger Armanspergs ernannte. Auch dieser vermochte sich nicht lange zu halten. Seine Abhängigkeit vom bayr. Hofe machte ihm am Ende alle Parteien in G. zu Feinden. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten, da Rußland und Frankreich die Auszahlung der dritten Serie der Anleihe verweigerten. Da Rudhardt auch mit dem wegen der Entlassung Armanspergs erbitterten engl. Gesandten Lyons in Streit geriet, mußte er schon 20. Dez. 1837 abtreten, und ein sog. nationales Ministerium, unter dem Vorsitz des Königs selbst und mit dem den Engländern abgeneigten Zographos als Minister des Äußern, übernahm die Verwaltung.

Der König that, was er konnte, um die Bildung und den Wohlstand des Landes zu heben und die Parteien zu versöhnen. Er rief 1837 in Athen eine Universität ins Leben, errichtete höhere Schulen, sorgte für Ausgrabungen auf dem klassischen Boden G.s und gründete 1841 die griech. Nationalbank. Aber das von den fremden Gesandten begünstigte Parteiwesen veranlaßte fortwährende Ministerwechsel und ließ keine kraftvolle Regierung aufkommen. Zunächst äußerte sich die Unzufriedenheit in dem Verlangen nach einer parlamentarischen Verfassung. Ein von Kalergis und Makryjannis geleiteter Militäraufstand in Athen verschaffte den Konstitutionellen 15. Sept. 1843 einen unblutigen Sieg. Der König sah sich gezwungen, sein Ministerium zu entlassen und ein neues, unter der Präsidentschaft des russisch gesinnten Metaxas, anzunehmen, die Einberufung einer Nationalversammlung behufs der Entwerfung einer Konstitution zu dekretieren und alle im Staatsdienste befindlichen Fremden zu entlassen. Dieser Ausgang war hauptsächlich dem Einfluß Englands und Frankreichs zuzuschreiben, während der eigentliche Zweck der russischen sog. napistischen Partei vielmehr darin bestanden hatte, die Abdankung Ottos herbeizuführen und ihn durch einen orthodoxen russenfreundlichern Prinzen zu ersetzen. Schon die Wahlen zur Nationalversammlung führten indessen zu den gefährlichsten Zerwürfnissen und Parteikämpfen sowohl im Volke wie im Schoße der neuen Regierung selbst. Die 20. Nov. 1843 eröffnete Nationalversammlung vollendete 2. März 1844 die Verfassung, nach der die Krone die vollziehende Gewalt behielt, hinsichtlich der Gesetzgebung aber an die Zustimmung der beiden Kammern, Senat und Abgeordnetenhaus, gebunden war, die Senatoren vom König auf Lebenszeit, die Abgeordneten vom Volke auf drei Jahre gewählt werden sollten. Am 30. März 1844 wurde sie vom König beschworen und die Nationalversammlung aufgelöst. Gleich darauf erfolgte eine Spaltung in dem Ministerium. Die russ. Elemente, Metaxas an der Spitze, mußten ausscheiden, und vorzüglich unter engl. Einflüsse kam 11. April das neue Ministerium Maurokordatos zu stande. Sogleich regte sich die heftigste Opposition, die Kammerwahlen fanden unter der größten Erregung in Begleitung von Unordnungen und Gewaltthätigkeiten statt. In der Hauptstadt kam es dabei 16. Aug. zu einem großen Tumult, der einzig durch das Einschreiten des Königs beschwichtigt werden konnte. Die Folge davon war der Sturz des Ministeriums Maurokordatos und der

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 338.