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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechische Kirche

etwa 30, von 1600 bis 1700 etwa 120, von 1700 bis 1821 etwa 400. Das einzige griech. Erbauungsbuch des Volks war der "Thesaurus" des Damaskinos, das einzige Geschichtswerk der "Chronograph" des Dorotheos von Monemvasia. Zwar garantierte Sultan Mohammed II. der G. K. ihre volle Existenz, und der Patriarch Gennadios II. (s. d.) durfte ihm ein Glaubensbekenntnis überreichen, das jedoch für die Kirche keine Bedeutung gewann. Mit der Zeit aber wurden die Patriarchen Werkzeuge der Sultane, die Geistlichkeit sank durch Simonie und Unwissenheit, viele Kirchen wurden (gleich der Sophienkirche) Moscheen, aus polit. Gründen traten manche Vornehme, namentlich in den Balkanprovinzen, zum Islam über; doch hat die G. K. auch Märtyrer aufzuweisen, die meist als Knaben von den Türken zum Islam gezwungen, hernach ihren Rücktritt zur Mutterkirche mit dem Tode bezahlten. Dennoch blieb die G. K. unter teilweise tüchtigen Patriarchen allen Unionsversuchen, sowohl den von der luth. Kirche unter dem Patriarchen Jeremias II. (um 1580) und der reformierten unter Cyrillus Lukaris (s. d.), als den von den Jesuiten mit Unterstützung von übergetretenen Griechen, wie Leon Allatios (s. d.), angestrebten abgeneigt.

Erst um die Mitte des 17. Jahrh. erwachte neues Leben. Damals gab Petrus Mogila, Erzbischof von Kiew, mit dem Patriarchen Parthenius von Konstantinopel, Nestorius von Jerusalem u. a. ein umfassendes Glaubensbekenntnis heraus (die "Confessio orthodoxa", deutsch von Frisch, 1727), das auf den Synoden von Konstantinopel 1643 und Jerusalem 1672 angenommen wurde. Im 18. Jahrh. nahm der gesamte griech. Volksgeist einen gewaltigen Aufschwung, den die aufstrebende Kirche zum großen Teil mit verursacht hatte. Eugenios Bulgaris (s. d.) bildete ein neues Theologengeschlecht, das von Katheder und Kanzel das Volk belehrte. Die Namen seiner Zeitgenossen und Nachfolger Daponte, Nicephorus, Theotokis, Nikodemus von Naxos, Konstantios I., Konstantinos Ökonomos, Gregorios V. sind wie der des Bulgaris über Griechenland hinaus bekannt geworden. Die Folge des griech. Freiheitskampfes und der damit verbundenen allgemeinen Nationalitätsbestrebungen war die Loslösung der Kirche von Hellas von der allgemeinen anatolischen (1833). Seit 1872 hat auch die Kirche Bulgariens wieder ihre Selbständigkeit errungen. Sie steht seitdem unter einem Exarchen. Ihr folgte die Kirche von Serbien 1878 und Rumänien 1885.

In der anatolischen Kirche bestehen die Patriarchate von Konstantinopel, Antiochien, Jerusalem und Alexandrien. Der Patriarch von Konstantinopel beherrscht die andern faktisch, wenn auch eigentlich alle gleichberechtigt sind. Zu ihm gehören 75 Erzbischöfe mit 26 Bischöfen. Der von Alexandrien regiert 3, Antiochien 13, Jerusalem 10 Erzbischöfe. Zu Konstantinopel gehören 77 Klöster, die das Recht des Stauropegion (s. d.) haben; der Patriarch daselbst hat eine jährliche Einnahme von 5000 Pfd. türkisch, von denen 1300 die Christen Konstantinopels, 3700 die Erzbischöfe aufbringen. Der größte Gehalt eines Erzbischofs (Ephesus u. a.) beträgt 1000 Pfd. Die niedere Geistlichkeit ist schlecht besoldet und meist nur auf Accidenzien angewiesen. Den ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel umgiebt eine permanente Synode von 12 Metropoliten. Sie wacht über die Aufrechterhaltung der kirchlichen Gesetze, besetzt die erzbischöfl. Stühle, regiert das Klosterwesen, die Akademien (s. Chalki) und giebt durch die Druckerei des Patriarchats die für die Geistlichkeit und Laien notwendigen kirchlichen Werke heraus, die früher lediglich (jetzt nur noch zum Teil) in Venedig erschienen. Die Synode ist überhaupt die Spitze der anatolischen Kirche. Unter der Synode steht der Gemischte Rat (Mikton Symbulion), bestehend aus 4 Metropoliten der Synode und 8 Laien. Er leitet das Schulwesen, die zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten u. s. w.

Abgesehen von der Lehrdifferenz über das Ausgehen des Heiligen Geistes unterscheidet sich das Dogma der G. K. vom römischen fast nur durch die Verwerfung der (übrigens auch von Rom nur dem Namen nach anerkannten) augustinischen Lehren von Sünde und Gnade und von der Prädestination sowie der meisten seit dem Mittelalter neu aufgekommenen Lehren. Sie nimmt, wie die röm. Kirche, sieben Sakramente an: Taufe, Chrisma, Abendmahl, Buße, Priestertum, Ehe und letzte Ölung, unterscheidet aber höhere und niedere Sakramente. Zu den erstern gehören nur Taufe und Abendmahl. Die Taufe wird durch dreimaliges Eintauchen des ganzen Körpers ins Wasser vollzogen und mit ihr gleich das Chrisma (Firmung) verbunden. Beim Abendmahl gebraucht sie gesäuertes Brot und mit Wasser vermischten Wein. Allen Kommunikanten, auch den Kindern, wird das Brot gebrochen in einem mit dem Weine gefüllten Löffel gereicht. Die Transsubstantiation und das Meßopfer wird gelehrt, aber nicht die Anbetung der Hostie. Sie gestattet allen Geistlichen, mit Ausnahme der Klostergeistlichen und der aus diesen zu wählenden höhern Geistlichkeit bis zum Bischof herab, die Ehe mit einer Jungfrau, untersagt dagegen die Ehe mit einer Witwe sowie eine zweite Ehe, weshalb der verwitwete Geistliche in der Regel als Hieromonachos (s. d.) in ein Kloster geht. Die Ehe der Laien löst sich im Falle des Ehebruchs. Hinsichtlich der Ehe in verbotenen Graden der Verwandtschaft, besonders der geistlichen Verwandtschaft zwischen Paten und Gevattern, ist sie sehr streng; eine vierte Ehe ist selbst den Laien nicht gestattet. Im Gegensatz zur kath. Kirche läßt sie mit dem heiligen Öle nicht nur Sterbende, sondern auch Kranke salben, und verwirft das Fegefeuer samt der Lehre von den überschüssigen Verdiensten der Heiligen, den Indulgenzen und dem Ablaß. Sie erkennt weder den Primat des Papstes noch irgend einen sichtbaren Stellvertreter Christi auf Erden an und duldet keine plastischen, sondern nur gemalte oder mit Edelsteinen ausgelegte Bilder Christi und der Heiligen; doch macht die russ. Kirche hierin eine Ausnahme. In Hinsicht der Anrufung der Heiligen, besonders der Mutter Gottes, und der Verehrung von Reliquien, dem Kreuz, teilt sie ganz die Ansichten der röm. Kirche. In Bezug auf das Fasten (s. d.) ist sie viel strenger als die röm. Kirche. Der tägliche Gottesdienst besteht, abgesehen von den Klöstern, im täglichen Abhalten des Orthros (s. d.), der Meßliturgie, von den Griechen schlechthin Liturgie genannt, und dem Hesperinos (s. d.). Jede Gemeinde hat einen Sängerchor, der die gottesdienstlichen Lieder nach den alten orient. Kirchenweisen singt; Orgeln kennt die G. K. nicht, auch duldet sie keinen mehrstimmigen Gesang. Alle Kultusformen sind reich an Symbolen. Der Kultus selbst gilt nach altgriech. Auffassung als die Aufführung eines geistlichen Schauspiels zur Ehre Gottes. Als Kirchensprache gilt bei den Griechen das Altgriechisch, wie es in der Zeit der Byzan-^[folgende Seite]