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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Großbritannien und Irland (Heerwesen. Flotte. Verwaltung)

und wenn der Kultus durch Bedrohung der Staatsordnung oder der Sittlichkeit das Strafrecht verletzt.

Die Schließung von Ehen ist den Geistlichen der Landeskirche ohne weiteres, den Geistlichen der dissentierenden Gemeinschaften in Gegenwart eines Civilbeamten gestattet. Die reine Civilehe ist ebenfalls gestattet, aber nicht obligatorisch, wenn die kirchliche Eheschließung vorschriftsmäßig erfolgt ist.

b. Die Kirche von Schottland ist presbyterianisch organisiert. Jeder Kirche steht ein aus dem Geistlichen und den Ältesten zusammengesetzter Vorstand (Kirk Session) vor; über den Kirk Sessions steht das Presbytery, eine aus sämtlichen Geistlichen eines Bezirks bestehende Versammlung, und über den Presbyteries die Synod, der sämtliche Mitglieder der Presbyteries in einem größern Bezirke angehören. Das Gebäude krönt die General Assembly, bestehend aus je zwei Geistlichen und einem oder mehrern Laien, aus jedem Bezirk eines Presbytery. Sie ist höchste gesetzgebende und gerichtliche Instanz für die schort. Kirche. Ein königl. Commissioner ist bei ihren Verhandlungen zugegen, nimmt aber keinen Anteil an denselben. Die schott. Kirche steht somit in weit weniger engem Zusammenhang mit dem Staat als die englische. Auch in Schottland giebt es eine Anzahl von unabhängigen Religionsgesellschaften, deren Stellung dieselbe ist wie in England.

c. Die Kirche von Irland ist seit 1869 eine Privatgesellschaft. Sie hat Erzbischöfe und Bischöfe, an deren Ernennung der Staat unbeteiligt ist. Unter den auch früher unabhängigen Religionsgesellschaften ist die römisch-katholische bei weitem die mächtigste in Irland. (Über die Statistik des Kirchenwesens s. unten S. 419.)

Heerwesen. Die Bill of Rights (s. d.) verbietet die Einrichtung eines stehenden Heers ohne Genehmigung des Parlaments. Aus diesem Grunde wird jetzt jährlich durch Gesetz die Erlaubnis, ein stehendes Heer zu erhalten, erneuert. Diese Gesetze wurden früher Mutiny Acts genannt und werden jetzt als Army Acts bezeichnet. Sie bestimmen jedesmal die Anzahl der Truppen und enthalten das ganze Militärstrafgesetz. Dasselbe benimmt den ordentlichen Gerichten nicht ihre Gerichtsbarkeit über Soldaten, und einige Verbrechen, wie z. B. Mord, sind den Kriegsgerichten (Court martial) entzogen. Ein Überschreiten ihrer Gerichtsbarkeit hat das Eingreifen der ordentlichen Gerichte zur Folge.

Das Heer steht unter dem sog. War Office, dessen Leitung der Staatssekretär für das Kriegswesen hat. Dieses Amt zerfällt in zwei Abteilungen, die militär. und die Civil-Abteilung unter dem Financial Secretary, einem polit. Beamten; letzterm fällt die finanzielle Aufsicht zu, ferner die Fabrikation von Kriegsmaterial und die Beschaffung der erforderlichen Lieferungen. Ein polit. und ein permanenter Unterstaatssekretär unterstützen den Staatssekretär. Näheres über Stärke, Zusammensetzung u. s. w. s. Großbritannisches Heerwesen.

Flotte, s. Großbritannisches Heerwesen.

Kommunalverwaltung. Dieselbe ist jetzt hauptsächlich in den Händen der County Councils (s. d.) für die ländlichen Kreise und der Borough Councils (s. Municipal Corporations) für die größern Städte. Die Justices of the Peace (s. d.) haben noch die Befugnis, Schankgerechtigkeiten zu erteilen, und sind in der Kommission vertreten, welche die Grafschaftspolizei überwacht und deren übrige Mitglieder vom County Council ernannt werden. Für kleinere Abteilungen der Kreise giebt es eine Anzahl von auf verschiedene Art ernannten Behörden mit verschiedenen Befugnissen und verschiedenen Bezirken, unter welchen die Behörden für Armenpflege (s. Poor Law), für Gesundheitspflege (s. Health Acts), für öffentliche Wege (s. Wegeordnungen) und für Elementarschulen (s. School Boards) zu erwähnen sind. Die District Councils und Parish Councils, welche ein von der Regierung im März 1893 dem Parlamente vorgelegter Gesetzentwurf einzurichten beabsichtigt, werden die meisten Funktionen dieser Behörden an sich ziehen. Das Kirchspiel, welches die niederste Einheit der lokalen Verwaltung ist, wird jetzt, insoweit es selbständige Funktionen hat, von der Vestry und den Overseers verwaltet. (S. Parish.)

Die Beamten der Grafschaft sind der Sheriff (s. d.), der Coroner (s. d.) und der Lord Lieutenant (s. d.); die jetzigen Funktionen der beiden erstgenannten Beamten gehören in der Hauptsache dem Gerichtswesen und nicht der Verwaltung an. Der letztere hat nur eine ceremonielle Thätigkeit. Die Einnahmen der Kommunalverbände bestehen in den staatlichen Zuschüssen aus der Erbschaftssteuer, den Überweisungen für die Elementarschulen (s. Englisches Schul- und Universitätswesen) im Betrage von (1891/92) 6228963 Pfd. St. und einer Mietssteuer (rate) der Eingesessenen, die in den Städten 25-30 Proz. beträgt.

Verwaltung in Schottland und Irland. Das Verhältnis zwischen den drei Teilen des Vereinigten Königreichs ist das der Realunion. Nachdem nach erfolgter Vereinigung Schottland anfangs in der Regierung durch einen besondern Staatssekretär vertreten war, übernahm bereits 1746 der Home Secretary die schott. Angelegenheiten, für diese aber fungierte der erste schott. Kronanwalt (Lord Advocate) als polit. Untersekretär. 1885 wurde ein besonderes Amt für Schottland unter einem Sekretär (Secretary for Scotland) errichtet, welcher nun die lokale Verwaltung, die Strafrechtspflege, Gesundheits- und Erziehungswesen u. s. w. für Schottland überwacht, aber seinen Sitz in London hat. Auch in Schottland ist die lokale Verwaltung neuerdings (1889) umgestaltet worden und jetzt ähnlich wie in England eingerichtet.

Das Gerichtswesen ist in Schottland ganz anders als in England organisiert. Dem engl. Supreme Court entspricht der Court of Session, dessen Richter im Outer House in erster (bez. zweiter) Instanz als Einzelrichter sitzen, im Inner House in Senaten von vier Richtern in zweiter (bez. dritter) Instanz tagen. Die beiden höchsten Richter präsidieren in diesen Senaten; sie haben bez. die Titel Lord President und Lord Justice Clerk. Der höchste Gerichtshof in Strafsachen heißt High Court of Justiciary; Präsident ist der Lord President des Court of Session, er hat aber in seiner strafrechtlichen Eigenschaft den Titel Lord Justice General, und die fünf andern Richter, die ebenfalls Richter des Court of Session sind, haben als Strafrichter den Titel Lord Commissioners of Justiciary und tagen als Einzelrichter mit 15 Geschworenen; je zwei Richter bilden eine Revisionsinstanz. Den engl. County Courts entsprechen die Sheriff Courts, sie haben indessen viel weiter gehende Befugnisse und auch eine strafrechtliche Gerichtsbarkeit, welche den engl. Courts of Quarter Sessions (s. Justices of the