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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Halle (an der Saale)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Halle'

Finanzen. Der Haushaltplan (1893/94) schließt ab in Einnahme mit 3 851 000 M., Ausgabe mit 3 851 000 M. Die Schulden betragen 11 875 455,46 M., das Vermögen 17 573 157,27 M. Für Unterrichtszwecke werden aufgewendet rund 381 500 M., für Wohlthätigkeitsanstalten 28 635 M., für Armen und Krankenwesen 305 957 M., für Straßenreinigung und -Sprengung (400 000 qm Straßenfläche, mittels 10 Sprengwagen = 30 000 cbm Wasser pro Jahr) 45 870 M., für öffentliche Beleuchtung 183 460 M., für Sicherheitszwecke 193 100 M.

Behörden. H. ist Sitz des Landratsamtes des Saalkreises, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Naumburg) mit 18 Amtsgerichten (Alsleben a. S., Bitterfeld, Cönnern, Delitzsch, Eisleben, Ermsleben, Gerbstedt, Gräfenhainichen, H., Hettstedt, Lauchstädt, Löbejün, Mansfeld, Merseburg, Schkeuditz, Wettin, Wippra, Zörbig) und Kammer für Handelssachen, eines Amtsgerichts, Hauptsteueramtes, Oberbergamtes für die Provinzen Brandenburg, Pommern und Sachsen (7 Bergreviere, 3 Berginspektionen, 3 Salzämter, 1 Bergschule, 3 Bergvorschulen), einer Oberpostdirektion für den Reg.-Bez. Merseburg mit 2695,62 km oberirdischen Telegraphenlinien (12 892,91 cm Leitungen, einschließlich 1424,49 km Stadtfernsprechanlagen) und 298 Verkehrsanstalten, eines Eisenbahnbetriebsamtes (311,28 km Bahnlinien) der königlich preuß. Eisenbahndirektion Erfurt; Reichsbankstelle, Handelskammer und Schiedsgericht für 8 Berufsgenossenschaften zur Entscheidung von Unfallversicherungsangelegenheiten.

Unterrichts- und Bildungswesen. Die Gründung der Universität ist eine Folge der Rivalität zwischen Kursachsen und Brandenburg und des Wunsches der Hohenzollern, neben Königsberg noch eine luth. Hochschule zu besitzen. Die nächste Veranlassung zu der Gründung gab die Flucht des Rechtsgelehrten Christian Thomasius (s. d.) aus Leipzig, dem eine Menge von Studierenden folgte. Er hielt im Winter 1690/91 in H. Vorlesungen und zwar in deutscher Sprache. 1693 wurde die Universität eröffnet (kaiserl. Privilegium vom 19. Okt.) und mit der seit 1688 bestehenden Ritterakademie vereinigt. Spener (s. d.) und Veit Ludwig von Seckendorf (s. d.), des Thomasius Freunde, hatten großen Einfluß auf die Berufung der Professoren, und so wurde die neue Universität nebst den gleichzeitig entstandenen Franckeschen Stiftungen (s. d.) der Hauptsitz des Pietismus (s. Pietisten). Diese Richtung blieb die herrschende, bis Christian von Wolf (s. d.) die Gemüter der Studierenden für mathem.-philos. Wissenschaften zu gewinnen wußte, zuletzt mit seiner ganzen Schule das Feld behauptete und mittelbar einem Semler (s. d.) den Weg bahnte, der eine gelehrte histor.-philos.-kritische Behandlung der gesamten Theologie begründete. Ende des 17. Jahrh, zählte die Universität bereits 765, in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. 1500 Studenten und nahm seitdem im prot. Deutschland eine leitende Stellung ein. Im Anfange des 19. Jahrh, zu bedeutender Blüte gelangt, wurde die Universität zweimal (19. Okt. 1806 bis 29. Dez. 1807 und 19. Juli bis 23. Nov. 1813) durch Napoleon aufgelöst. Nach dem Frieden wurde sie wiederhergestellt und durch königl. Kabinettsorder vom 12. April 1815 mit der Universität zu Wittenberg vereinigt unter dem Namen Vereinigte Friedrichsuniversität Halle-Wittenberg. Seitdem hob sich die Universität wieder rasch (1827: 1330 Studierende) und ↔ ist nach einem kurzen Rückgänge seit 1880 wieder im Aufblühen. Die Zahl der Docenten betrug (Sommer 1893) 125, der Hörer 1602. Zur Universität gehören 13 Seminare für alle Zweige der 4 Fakultäten, zahlreiche Institute und Kliniken, ein archäol. Museum, eine Sternwarte, eine Entbindungsanstalt und eine Bibliothek, 1696 gegründet (178 000 Bände, 800 Handschriften), vereinigt mit der von Ponickauschen Bibliothek (12 700 Bände, 35 000 Broschüren, 1040 Handschriften, meist Litteratur über Sachsen und Thüringen) und verbunden mit einem Münzkabinett und einer Kupferstichsammlung. Das zur Universität gehörige landwirtschaftliche Institut ist 1863, die agrikulturtechnische Versuchsstation 1865 gegründet. - Vgl. Hertzberg und Böhmer, Zur Geschichte der Vereinigung von Wittenberg und H. (Halle 1867); Minerva, Jahrbuch der gelehrten Welt (Straßb. 1893).

Ferner bestehen eine lat. Hauptschule (Gymnasium), 1697 gegründet und 1808 mit dem luth. und reform. Gymnasium vereinigt und mit einem Alumnat für 250 Zöglinge verbunden (Rektor Dr. Becher, 32 Lehrer, 19 Klassen, 662 Schüler), ein städtisches Gymnasium, 1861 gegründet (Direktor Dr. Friedersdorff, 29 Lehrer, 17 Klassen mit 556 Schülern, 6 Vorklassen mit 214 Schülern), ein Realgymnasium, 1835 eröffnet (Inspektor Dr. Strien, 17 Lehrer, 9 Klassen, 334 Schüler), eine Oberrealschule (Direktor Dr. Thaer, 19 Lehrer, 17 Klassen, 480 Schüler), 2 höhere Mädchenschulen und ein Lehrerinnenseminar. Ein Teil dieser Anstalten ist in den Franckeschen Stiftungen (s. d.) vereinigt. Ferner bestehen eine gewerbliche Zeichenschule, Fortbildungsschule, Bergvorschule, Frauenindustrieschule, Taubstummenanstalt, Schülerwerkstätten, Knabenhorte und Kinderbewahranstalten sowie eine agrikultur-chem. Versuchsstation des landwirtschaftlichen Centralvereins für die Provinz Sachsen, die Herzogtümer Anhalt und Gotha, die Fürstentümer Schwarzburg-Sondershausen und -Rudolstadt. Das 21. März 1864 gegründete Provinzialmuseum in der Moritzburg für heimatliche Geschichte und Altertumskunde enthält vorhistor. Altertümer (Steingeräte, Bronzen, Thongefäße, hölzerne Geräte, Schädel, Waffen, Skulpturen aus Holz, Thon und Stein, Münzen u.a.), das städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe Gemälde, graphische Blätter und die Riebecksammlung kunstgewerblicher Gegenstände aus Griechenland, Rumänien, Kleinasien, Ägypten, Persien, Indien, China und Japan.

Das Stadttheater (Aktiengesellschaft, 1231 Zuschauerplätze, ausschließlich elektrische Beleuchtung) ist für 26 000 M. jährlich verpachtet; außerdem besteht ein Specialitätentheater (Walhalla) und ein Sommer-(Victoria-)Theater.

In H. erscheinen 4 polit. Zeitungen, darunter die liberale "Saale-Zeitung", die konservative "Hallesche Zeitung" und das socialdemokratische "Volksblatt", und Zeitschriften wissenschaftlichen Inhalts, darunter die "Natur".

Vereinswesen und Kassen. Von den Vereinen sind zu nennen: die Leopoldinisch-Karolinische Deutsche Akademie der Naturforscher (s. Akademien B, I) mit Bibliothek, die Naturforschende Gesellschaft (1779), der Naturwissenschaftliche Verein für Sachsen und Thüringen (1852), der Verein für Erdkunde (1873), die Polytechnische Gesellschaft (1839), der Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Provinz Sachsen und der an-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 680.