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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Insektenfressende Pflanzen

stellt. Ebenso ist das Einkrümmen der Blätter der verschiedenen Sonnentauarten (Drosera) schon Ende des 18. Jahrh. untersucht worden, und schon damals (1782) vermutete der Bremer Arzt Roth, daß die von den Blättern festgehaltenen und getöteten Insekten zur Ernährung der genannten Pflanzen beitragen könnten. Die Blätter der Dionaea besitzen auf jeder Hälfte der Spreite drei Haare, die als der Sitz der Reizbarkeit angesehen werden müssen, denn bei der geringsten Berührung dieser Haare klappen die beiden Blatthälften sofort zusammen, was bei den übrigen Teilen der Blattspreite stärkerer Reize bedarf. Da die Haare so stehen, daß jedes über die Blattspreite hinwegkriechende Insekt dieselben berühren muß, so ist dadurch eine schnell und sicher wirkende Falle hergestellt, der die Insekten nicht wieder entrinnen können, zumal auch die borstenartigen Haare, die am Blattrande sitzen, nunmehr wie die Finger beim Falten der Hände ineinander greifen und so jeden Ausweg versperren. Außer den genannten empfindlichen Haaren finden sich aus der Blattfläche noch andere Haargebilde, die scheibenförmig entwickelt sind und aus einer größern Anzahl von Zellen bestehen. Diese Organe sind die Digestionsdrüsen, die nach dem Schließen des Blattes reichliche Mengen eines eigentümlichen Sekrets abscheiden, durch dessen Wirkung die eingeschlossenen Tiere zum größern Teile in Lösung übergeführt und als eiweißhaltige Nahrung vom Blatte aufgenommen werden. Die Dauer des Verschlusses dauert gewöhnlich 8-9 Tage; dann öffnet sich das Blatt zu neuem Fang. Dies gilt jedoch nur, wenn bestimmte animalische Nahrung dargeboten wird; wenn dagegen das Blatt bloß gereizt wird und der den Reiz veranlassende Gegenstand wieder entfernt wird, oder wenn Stoffe dargeboten werden, die nicht als Nahrung dienen können, wie kleine Holzstückchen, Steinchen u. dgl., so tritt zwar ein Verschluß ein, aber nur von kurzer Dauer; das Blatt öffnet sich wieder, ohne daß eine bemerkenswerte Thätigkeit der Digestionsdrüsen eingetreten wäre. Zahlreiche Untersuchungen des Mechanismus des Öffnens und Schließens haben ergeben, daß die Bewegungen der beiden Blatthälften höchst wahrscheinlich durch Änderung des Turgors in dem Gewebe der Blattunterseite zu stande kommen. Ob dabei elektrische Ströme eine Rolle spielen, ist noch zweifelhaft.

Bei den Drosera-Arten (s. Sonnentau und Fig. 2) treten die Blattbewegungen ebenfalls infolge von Reiz ein; aber der Vorgang ist ein anderer. Die Blätter sind dicht besetzt mit langen Drüsenhaaren, deren Zellen zum Teil mit einer purpurroten Flüssigkeit erfüllt sind. An diesen Drüsenhaaren, die alle an ihrer Spitze kopfartig angeschwollen sind, findet die Sekretion einer klebrigen Flüssigkeit statt. Kommt nun ein Insekt auf die Oberfläche des Blattes, so bleibt es an den Spitzen der Haare, an denen jene klebrige Masse sitzt, hängen und durch die lebhaften Bewegungen, die das Tier ausführt, um sich zu befreien, werden auch die meisten übrigen Haare berührt, die mit den klebrigen Köpfchen nunmehr ebenfalls zum Festhalten des Insekts beitragen. Etwa eine halbe Stunde nach diesen Vorgängen treten sodann die infolge der Berührungen ausgelösten Reizbewegungen an den Haaren und an der Blattspreite auf, die darin bestehen, daß sämtliche Drüsenhaare sich nach dem gefangenen Insekt hinkrümmen und schließlich auch die Blattspreite nach oben konkav zu werden beginnt, sodaß nunmehr das Tier vollständig von den secernierenden Haaren umschlossen ist. Gewöhnlich dauert dieses Einschließen bei günstiger Temperatur 8-12 Stunden. Sodann findet eine vermehrte Sekretion der Drüsen statt, sodaß das ganze Tier von einer schleimigen Masse umhüllt und so allmählich bis auf die unlöslichen Chitinteile verflüssigt wird. Nachdem dies geschehen ist, was auch hier, wie bei Dionaea, mehrere Tage dauert, öffnet sich das Blatt wieder. Bei Berührung mit nicht verdaulichen Körpern tritt auch bei Drosera eine Einkrümmung der Haare nur von kurzer Dauer auf. Wie beim Sonnentau geschieht der Insektenfang bei Drysophyllum (s. d. und Fig. 5).

Den Drosera-Arten ganz ähnlich verhalten sich die Arten der Gattung Pinguicula, (s. d. und Fig. 4), nur sind hier die Blätter etwas anders gestaltet. Sie besitzen keine langen Drüsenhaare, sondern die Blattspreite rollt sich mit ihrer ganzen Fläche oder mit einem Teile derselben um das Insekt herum. Fast ebenso wie bei Dionaea ist der Vorgang des Schließens und Öffnens der Blätter bei Aldrovanda (s. d.); nur sind bei ihr eine größere Anzahl sensibler Haare vorhanden, auch ist die Form der Blätter eine etwas andere. Als Nahrung dienen bei dieser Pflanze, da sie im Wasser lebt, hauptsächlich kleine Crustaceen. Sekretionsdrüsen von ähnlichem Bau wie bei Dionaea oder Drosera sind nicht vorhanden, überhaupt fehlen noch genauere Untersuchungen darüber, ob hier Sekrete gebildet werden und an welchen Stellen dieselben auftreten.

Auf ganz andere Art findet bei den übrigen I. P. das Fangen und Festhalten der Tiere statt. Hier kommen keine Reizbewegungen der Blätter vor, sondern es sind bestimmte Organe ausgebildet, deren eigentümliche Einrichtung ein Hineinkriechen der Insekten ermöglicht, ein Entweichen derselben aber verhindert. Bei den Utricularia-Arten (s. Utricularia und Fig. 8) finden sich an den untergetauchten Blättern kleine linsenförmige Gebilde, die Schläuche oder Utrikeln, die aus umgeformten Blattzipfeln entstehen und einen merkwürdigen Bau besitzen. Sie sind im Innern hohl und an der nach oben gekehrten Seite finden sich kleine Öffnungen, die mit einer Art Klappe verschlossen sind; diese Klappe bildet ein Ventil in der Weise, daß sie bei geringen Druckkräften sich nur nach dem Innern des Schlauchs biegen läßt, nicht aber nach außen, da ein vor ihr liegender kleiner Wulst dies verhindert. So können kleine Wassertiere wohl in das Innere des Schlauchs gelangen; aber sofort, nachdem sie eingedrungen sind, schnellt die Klappe zurück und verhindert ein Entkommen der gefangenen Tiere. Sowohl außen wie innen stehen an den Schläuchen verschiedenartige Haargebilde; ob aber die im Innern sich befindenden Sekrete absondern, die eine Verdauung der Tiere herbeiführen, weiß man noch nicht.

Die übrigen I. P. mit ähnlichen Organen sind Landpflanzen; es sind dies hauptsächlich Arten der Gattungen Sarracenia, Darlingtonia und Nepenthes. Bei Sarracenia und Darlingtonia sind die Blattstiele zu Fangorganen umgebildet, sie haben eine schlauchförmige Gestalt und die Blattspreite sitzt als verhältnismäßig kleines Blättchen dem Blattstiel auf, bei den meisten Arten der Gattung Sarracenia gleichsam einen Deckel über den hohlen Blattstiel bildend. Die Innenwand der Schläuche ist mit zahlreichen nach abwärts gerichteten borstenförmigen Haaren und außerdem mit Digestionsdrüsen besetzt. Die von der lebhaften Farbe der