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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Israel

die fremden Kulte und das heidn. Treiben im Kulte Jahwes beseitigen, überhaupt den Kult besser beaufsichtigen zu können, verlangt das Buch, daß nur im Tempel zu Jerusalem geopfert werden soll, und zwar nur von levitischen Priestern. Das Erste hat Josia eingeführt. Das Zweite nicht, vielmehr das Opferrecht auf die Tempelpriester beschränkt und damit die Unterscheidung von Priestern und Leviten (s. Levi) angebahnt. So war seit 621 Jerusalem alleiniges Heiligtum, und hiermit befestigte sich auch der Glaube an seine Unzerstörbarkeit. Zunächst schien die Weltlage zu der prophetischen Theologie zu stimmen. Der Verfall des Assyrischen Reichs ermöglichte es Josia, seinen Einfluß nach Norden zu erweitern; er zerstörte auch die alten Heiligtümer des mittlern Landes und führte dort ebenfalls das Gesetz ein. Als er aber im Vertrauen auf Jahwe 608 dem gegen den Euphrat vordringenden Necho bei Megiddo entgegentrat, wurde er geschlagen und fiel. Dieser den Voraussetzungen der Reform widersprechende Ausgang bewirkte bei vielen eine Erschütterung des religiösen Glaubens; die alten Kultformen belebten sich wieder, auch fremde Kulte erstanden aufs neue. Andere aber blieben fanatisch in ihrer Zuversicht auf Jahwe und betrachteten dies Unglück nur als Durchgangspunkt zur Verherrlichung Jahwes und Niederwerfung seiner Feinde. Dieser Ansicht fiel die Masse der Propheten zu; nur Jeremias vertrat mit wenigen Gesinnungsgenossen die alten Forderungen der Prophetie. Josias Sohn Joahas wurde von Ägypten beseitigt, dessen Bruder Jojakim, Vasall Nebukadnezars, brach diesem aber, von den mit der ägypt. Partei Hand in Hand gehenden Propheten angestachelt, die Treue, starb jedoch ehe das Unheil hereinbrach. Es traf seinen Sohn Jojachin (Chonja), der sich 597 Nebukadnezar ergeben mußte, der hierauf den Tempel plünderte. Um den Trotz des kleinen Staates zu brechen, wurde Jojachin mit dem Hofe, den Beamten, Handwerkern und Priestern, etwa 8000 Männern mit ihren Familien, nach Babylonien deportiert. Diese Deportation bildete den Grundstock der Judenschaft des Exils, und es ist wichtig geworden, daß sie sich dort einrichten konnte, ehe der Staat völlig zusammenbrach. Denn die Katastrophe von 597 wirkte geradezu erschütternd. Vielen kam damals schon die Nation als erstorben, der Staat als vernichtet vor. Jahwe, meinte man, sei aus seinem Lande weggegangen. Andere waren dagegen der Überzeugung, das sei die letzte Demütigung; nun werde Jahwe zum Gericht erscheinen und die Plünderung seines Tempels rächen. Nach Nebukadnezars Abzug begann in Jerusalem das alte Treiben. Er hatte als Vasallenkönig Zedekia (s. d.), einen Onkel des Jojachin, eingesetzt. Dieser war der Lage nicht gewachsen. Das Nationalgefühl war durch die Deportation von 597 krankhaft gereizt, die Ämter waren in neue Hände gekommen. Diese Beamten ließen sich dafür gewinnen, nochmals mit ägypt. Hilfe aufzustehen. Die Stimme der Prophetie spaltete sich. Während Jeremias diesen Treubruch aufs schärfste verurteilte und den Untergang von Staat, Stadt und Tempel als Strafe dafür verkündete, weissagten seine Gegner den baldigen Sieg über Nebukadnezar, die Rückkehr der Deportierten und Zurückgewinnung der aus dem Tempel geraubten heiligen Geräte. Zedekia ward nach langem Schwanken das Werkzeug seiner Beamten. Auf die Kunde von der Empörung zog ein chaldäisches Heer heran, erschien im Jan. 587 vor Jerusalem und eroberte es im Juli 586. Im August wurde die Stadt zerstört; neue Deportationen erfolgten.

III. Das Exil. Mit der Zerstörung des Staates waren die größten Hindernisse beseitigt, die der prophetischen Auffassung der Religion I.s im Wege standen, ja das Exil zwang dazu, die Predigt der Prophetie vom gerechten Jahwe anzuerkennen. Von ihr aus ließ sich die Zerstörung des Staates begreifen; vom Standpunkte der alten Anschauungen aus hätte man an Jahwe verzweifeln müssen. Hat Jahwe als gerechter Gott seinen Staat zerstört und hierzu fremde Völker benutzt, hat er seinen Willen vorher verkündigen lassen, so hat er sich damit als ein Gott erwiesen, dem keiner der heidn. Götter verglichen werden kann. Von hier aus erfolgte im Exil die Umbildung der Religion zum Monotheismus (Jes. 44-66). Die Höhenlage der damaligen Religion ließ den Gedanken an eine Verehrung Jahwes außerhalb seines Landes noch ausgeschlossen erscheinen. So blieb als zu erstrebendes Ideal nur die Hoffnung auf dereinstige Zurückgewinnung des Landes. Die Messianische Hoffnung der Propheten stellte diese für den Fall der Besserung in Aussicht, das Deuteronomium wies auf den Weg der Gesetzeserfüllung. So wurde es das Ziel der Frommen des Exils, durch genaue Festsetzung der Ansprüche Jahwes in Kult und Sitte der Nation den demnächst wiederzugewinnenden Boden der Väter zu sichern. Die Gedanken der Prophetie begannen sich über das gesamte Denken des Volks allmählich zu verbreiten und verschmolzen dabei mit den ältern Vorstellungen von Kult und Sitte. Das Resultat dieser Verschmelzung war das Gesetz; der Mann, der diese Bewegung in feste Bahnen leitete, war Ezechiel (s. d.). Er hat zuerst die jüd. Verstellungen von der individuellen Vergeltung alles Thuns der Menschen entwickelt und damit der Frömmigkeit ein Ziel gewiesen, das durch den Zusammenbruch des Staates nicht hinfällig wurde. Er hat eine völlige Neuordnung aller Verhältnisse des Lebens entworfen, die es dem Volke ermöglichen sollte, im wiedergewonnenen Lande der Väter zu leben, ohne Jahwes Zorn zu wecken, und zuerst den Kult als ein von Gott offenbartes Sühne-Institut gezeichnet, das die kultische Rechtbeschaffenheit I.s sicherstellte, und dessen Ausführung daher I.s nationale Aufgabe war. Schon 538 kam den deportierten Juden die Befreiung. Cyrus eroberte Babylon und gestattete den zwangsweise dort Angesiedelten ebenso wie den Deportierten anderer Völker aus polit. Gründen die Heimkehr.

IV. Die nachexilische Zeit bis zum Abschluß des Gesetzes. 537 machten sich 42000 aus allen Geschlechtern der Deportierten unter Führung von zwölf Häuptlingen auf, um sich in Judäa niederzulassen. Ein pers. Beamter, Scheschbassar, beaufsichtigte die Kolonisation, die man sich als ein von der Genossenschaft der Deportierten beschlossenes nationales Unternehmen vorzustellen hat. Das Stammgebiet Benjamin, Teile des südwestl. Ephraim, so ziemlich das ganze Stammgebiet Juda wurde den Kolonisten überwiesen. Der Kult wurde nach Errichtung eines Brandopferaltars wieder eröffnet, und es erfolgte eine Neuordnung des Priestertums und die Stiftung des Hohenpriestertums (s. Levi). Erst 520 wurde der Tempelbau begonnen und 516 vollendet. Das Gesetzbuch der Gemeinde war das deuteronomische, d. h. das erweiterte von 621. Die Gemeinde vermochte aber