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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italien (Geschichte 1849-70)

bildete dagegen der Erfolg der Reaktionäre bei den Wahlen Ende 1857, um deswillen Rattazzi zurücktreten mußte, und der Mordversuch Orsinis (14. Jan. 1858) auf Napoleon III. Cavour gelang es jedoch diese Krise zu überwinden, indem er der Kammer ein Gesetz vorlegte, das Verschwörung und Aufhetzung gegen das Leben ausländischer Fürsten mit strengen Strafen bedrohte. Napoleon wurde dadurch in der Ansicht bestärkt, daß nur die Mißregierung im übrigen I. die Brutstätte für derartige Verbrechen schaffe, und ließ sich bei der Zusammenkunft in Plombières (20. Juli 1858) zur Vereinbarung eines gemeinsamen Angriffs auf Österreich bereden. Hierauf verstärkten Piemont und Österreich, das schon 1857 seinen Gesandten von Turin abberufen hatte, ihre Rüstungen. Diesen gingen die Anstrengungen der Diplomatie, den Ausbruch des Krieges zu verhindern, zur Seite. Während aber Piemont in die von Frankreich und England beantragte Abrüstung 18. April 1859 willigte, stellte Österreich 23. April ein Ultimatum, worauf Napoleon Piemont als dem angegriffenen Teile vertragsgemäß zu Hilfe kommen mußte. (S. Italienischer Krieg von 1859.) Die Österreicher, welche alsbald die Grenze überschritten hatten, waren dann doch nicht entschlossen genug, auf Turin vorzustoßen, ehe das franz. Heer sich mit dem piemontesischen vereinigen konnte, und erlitten die Niederlage von Magenta (4. Juni). Sie mußten infolgedessen hinter den Mincio zurückweichen und unterlagen dann nach hartem Kampfe bei Solferino und San Martino 24. Juni nochmals. Da überraschte Napoleon I. durch den Abschluß des Waffenstillstandes von Villafranca (8. Juli 1859), dem 11. Juli die Friedenspräliminarien folgten, durch die Piemont nur die Lombardei, nicht aber das gleichfalls in Aussicht gestellte Venetien zugebilligt wurde. Cavour trat darauf zurück. Aber während nun der Friedenskongreß in Zürich tagte, arbeitete I. für sich beharrlich an der Vollendung seiner Befreiung und Einigung weiter. In Toscana sah sich Leopold II., welcher den von Piemont angebotenen Bund gegen Österreich beharrlich abgelehnt hatte, zum Verlassen des Landes gezwungen, worauf dort eine provisorische Regierung zusammentrat und Victor Emanuel die Truppen Toscanas zur Verfügung stellte. Ebenso hatte Herzog Franz V. von Modena unmittelbar nach Ausbruch des Krieges ins österr. Lager flüchten müssen. Die Regentin von Parma zog sich nach der Schweiz zurück, und aus Bologna, Ravenna, Ancona, den Marken, Perugia und Umbrien zogen sofort nach dem Abmarsch der Österreicher aus dem Kirchenstaate zahlreiche Freiwillige den Fahnen Victor Emanuels und Garibaldis zu. Den Abordnungen, welche aus Toscana, Parma und Modena ihm zueilten, sagte Victor Emanuel II. die völlige Einverleibung nach dem Friedensschlusse zu, indem er inzwischen die Entsendung piemont. Bevollmächtigter anordnete. Schwieriger war die Sache beim Kirchenstaat; doch willfahrte nach Zustimmung Napoleons Victor Emanuel auch der Abordnung aus Bologna durch Zusendung eines Bevollmächtigten. Als nun nach dem Waffenstillstande von Villafranca Victor Emanuel seine Kommissare abberufen mußte, bildeten sich allenthalben wieder provisorische Regierungen. Die von ihnen überall einberufenen gesetzgebenden Versammlungen erklärten einstimmig die alten Regierungen für aufgehoben und beschlossen die Vereinigung mit Piemont und der Lombardei. Gleichzeitig arbeitete man an der Aufstellung einer gemeinsamen Armee unter Fanti (s. d.) und trug hierauf die gemeinsame Regentschaft 7. Nov. 1859 dem Prinzen Eugen von Savoyen-Carignano an; dieser übergab sie jedoch Boncompagni di Mombello (s. d.). Jetzt übernahm in Piemont Cavour wieder die Leitung, während gleichzeitig Napoleon in der Schrift "Le pape et le congrès" die Vereinigung Mittelitaliens einschließlich der Legationen mit Piemont befürworten ließ. Als die Kurie hartnäckig jede Verständigung abwies, ergriff Cavour den Ausweg, ein Plebiscit vorzuschlagen, das, zu Anfang März 1860 in Scene gesetzt, überall mit erdrückender Mehrheit die Vereinigung mit Piemont forderte. Darauf ließ Cavour unverzüglich allenthalben nach dem piemont. Wahlgesetz ein Parlament wählen, das schon 2. April zusammentrat. Den Protest Österreichs, der Herzöge und des Großherzogs sowie den Bann des Papstes konnte man auf sich beruhen lassen; der Forderung Frankreichs dagegen, das angesichts dieser Vergrößerung Piemonts zu einem Reiche von 11 Mill. E. die vorgesehene Abtretung Savoyens und Nizzas verlangte, mußte Cavour entsprechen. Um die darüber erbitterte Aktionspartei von eigenmächtigen gefährlichen Unternehmungen abzuhalten, sah sich Cavour genötigt, wenigstens ihre Unternehmungen in der Stille zu fördern. Franz II., der 22. April 1859 seinem Vater in der Regierung Unteritaliens und Siciliens gefolgt war, ließ sich von dessen Bahn weder durch Piemonts Antrag eines Bündnisses gegen Österreich noch durch die wachsende Unruhe im eigenen Lande abbringen. Da nun zu befürchten war, die seit März 1860 nur mehr mit Mühe niedergehaltene Erhebung Siciliens und Unteritaliens möchte Napoleon im Interesse von Murats Nachkommen auszunützen versuchen, so hatte Cavour doppelt Grund, die von Garibaldi ins Werk gesetzte Überfahrt mit etwas über tausend Leuten nach Sicilien durch die piemont. Flotte zu schützen. Garibaldis Landung in Marsala 11. Mai 1860 wurde durch engl. Schiffe gedeckt und schon 5. Juni mußten die bourbonischen Truppen Palermo räumen; 30. Juli war nur noch die Citadelle von Messina in ihrem Besitz. Aber auch für die Erhaltung Unteritaliens war es zu spät, als Franz II. sich endlich 2. Juli zur Verkündigung der Verfassung und der Preßgesetze von 1848 entschloß und mit Piemont Bündnisverhandlungen anknüpfte. Garibaldi, der in der Nacht vom 20. auf den 21. Aug. auf das Festland übersetzte, um auch von diesem für Victor Emanuel II. Besitz zu ergreifen, zog schon 7. Sept. in Neapel ein, das tags zuvor Franz mit dem Reste der ihm gebliebenen Truppen verlassen hatte, um hinter dem Volturno, in Capua und Gaëta, seine Verteidigung zu suchen. Die Gefahr, daß Garibaldi an dieser starken Linie scheitern oder, vom Erfolge getragen, vollends ganz in die Hände seiner radikalen Genossen fallen möchte, sowie die Verstärkung der Truppen und die Zunahme der Unruhe im Kirchenstaate erforderten aber nun dringend das bewaffnete Einschreiten Piemonts. Als die Kurie das ihr am 11. Sept. gestellte Ultimatum ablehnte, erfolgte der Einmarsch; Fanti rückte nach Perugia vor; Cialdini schlug die päpstl. Söldner unter Lamoricière 18. Sept. 1860 entscheidend bei Castelfidardo, worauf Lamoricière schon 29. Sept. in Ancona kapitulierte. Während nun die auswärtigen Mächte ihre Vertreter von Turin abriefen und