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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Johannes (der Täufer) - Johannes (der Evangelist)
raccioli (s. d.) überließ. Ludwig III. von Anjou suchte
nun, gestützt auf den Unwillen Neapels über I.s
Leben und Regiment, seine Ansprüche auf das Kö-
nigreich geltend zu machen. Allein I. rief gegen ihn
Alfons V. von Aragonien ins Land und adoptierte
diesen 1421. Nachdem Ludwig von Alfons zurückge-
drängt worden war, kam es zwischen I. und Alfons
zum Zwist. I. stieß darauf das Aljons zugesprochene
Erbrecht um und adoptierte Ludwig; als dieser 1433
starb, ernannte sie seinen Bruder Rene' zum Erben.
Da jedoch Reni zur Zeit von I.s Tod, 2. Febr.
1435, sich in der Gefangenschaft des Herzogs von
Burgund befand, so tonnte jetzt Alfons V. von Si-
cilien aus das Festland für die Aragonier gewin-
nen. - Vgl. Crivelli, Oeiia piima e äeiili LeconäN
Hiovamia., i-eZius äi ^lapoli (Padua 1832).
Johannes der Täufer, nach der evang. Er-
zählung der Sohn des jüd. Priesters Zacharias und
seiner Gattin Elisabeth. Er trat, nach der Zeit-
bestimmung im Evangelium des Lukas im 15. Jahre
der Regierung des Baisers Tiberius (29 n. Chr.),
in der Wüste Iuda als Vußprediger und Verkün-
diger des nahen Anbruchs des Messiasreichs auf.
Der Taufe, die er als Symbol der Reinigung von
den Sünden im Jordan vollzog, hat sich auch Jesus
unterworfen, bei welcher Gelegenheit nach der ältern
Evangelienüberlieferung der Geist Gottes auf Jesum
herabkam und eine Stimme vom Himmel ihn als
den Sohn Gottes beurkundete. Sämtliche Evan-
gelien fetzen voraus, daß I. Iefum als den Mes-
sias prophetisch erkannt habe. Die ältern Evan-
gelien lassen den Täufer später an Jesu Beruf wie-
der zweifelhaft werden und bei letzterm durch Ab-
gesandte anfragen, ob er wirklich der Messias sei.
Diese Anfrage soll aus dem Gefängnis heraus ge-
schehen sein, in das Herodes Antipas den unbe-
quemen Vuhprediger geworfen hatte und wo er ent-
hauptet wurde, nach den Evangelien, weil er den
Fürsten wegen der unerlaubten Verbindung mit
Herodias, der Gemahlin seines Halbbruders He-
rodes (in den Evangelien fälschlich Philippus ge-
nannt), zur Rede stellte, nach Iosephus überhaupt
aus Furcht vor dem steigenden Einflüsse des I. auf
die Volksmassen.
In der christl. Kirche ist dem I. nach Joh. 3,30
der Tag der Sommersonnenwende oder der 24. Juni
als Festtag geweiht. Doch wird das Johannis-
fest in den meisten Ländern nicht mehr kirchlich ge-
feiert. (S. Johannisfeuer.) Um so größere Bedeu-
tung hat dasselbe bei den Freimaurern erlangt, die
an diesem Tage ihr höchstes Jahresfest zu begeben
pflegen, weil I. in England früher als Schutzpatron
der Bauleute galt. Die kath. Kirche hat außerdem
den 29. Aug. dem Gedächtnisse der Enthauptung
des Täufers geweiht.
Johannes der Evangelist, d. h. nach der
kirchlichen Überlieferung der Verfasser des vierten
Evangeliums, war einer der zwölf Jünger Jesu
und der Sohn des Zebedäus, eines Fischers am
Galiläischen See. Er betrieb bis zu seiner Berufung
durch Jesus das Gewerbe seines Vaters. Nach der
ältesten Tradition bildete er mit seinem Bruder
Iakobus und Simon Petrus gewissermaßen den
engern Ausschuß des Iüngerkollegiums und wird
als ein eifriger ungestümer Anhänger Jesu geschil-
dert. In der Urgemeinde zu Jerusalem erscheint er
mit Petrus und Iakobus, dem Bruder des Herrn,
als eine der Säulen des Judenchristentums, denen
Paulus mühsam die Anerkennung seiner Heiden-
mission abringen mußte. Die spätere Sage ent-
wirft dagegen unter dem Einflüsse des nach ihm
benannten Evangeliums ein wesentlich anderes
Bild von ihm. Hiernach wird er als der sanfte,
fast weiblich-zarte Lieblingsjünger Jesu geschildert,
als der Vertraute seiner höchsten Geheimnisse, der
"an des Meisters Busen lag". Die alte Erwartung,
daß I. die Wiederkunft Iefu noch erleben werde,
prägte sich später in der Sage aus, daß er nicht
sterben könne, sondern in der Verborgenheit dem
Anbruch des messianischen Tags entgegenschlum-
mere. Die gewöhnliche Überlieferung läßt ihn we-
nigstens alle andern Apostel überleben, in seinen
spätern Lebensjahren in Ephesus weilen und hoch-
betagt dort erst unter Trajanus sterben, was jedoch
neuerdings von verschiedenen Seiten bestritten und
infolge Verwechselung mit dem Presbyter I. er-
klärt worden ist. Andere Sagen berichten von seiner
Verbannung unter Domitianus nach Patmos und
von seinem Märtyrertum in Rom. Eine Zusam-
menfassung der ältern Legenden über I. enthalten
die in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh, entstande-
nen ^cta ^oI^nniZ; außerdem existiert noch eine
spätere weit umfangreichere Legende über ihn unter
dem Namen des Prochoros, der sein Schüler und
Reisebegleiter gewesen sein soll. Sein Festtag in
der kath. Kirche ist der 27. Dez., sein Symbol der
Adler; er selbst wird abgebildet als Jüngling mit
mädchenhasten Zügen, östers mit einem Kelch in
der Hand, aus dem eine Schlange emporsteigt.
Die zwiespältige Tradition des kirchlichen Alter-
tums über ihn hat auch die Kritik der unter seinem
Namen überlieferten Schriften des Neuen Testa-
ments außerordentlich erschwert. Daß der Ver-
fasser der Offenbarung des I. oder der Apoka-
lypse nicht zugleich das Evangelium und die Briefe
des I. geschrieben haben könne, ist unzweifelhaft:
nicht bloß der stilistische Charakter, sondern auch
der ganze Gedankenkreis und Standpunkt ist dort
cin völlig anderer als hier. Während nun aber die
Sckleiermachersche Schule die Apokalypse dem Evan-
gelium opferte, hat die neuere Kritik unwiderleglich
bewiesen, daß die erstere jedenfalls größeren An-
spruch aufJohanneifche Abkunft habe als das Evan-
gelium, über die Offenbarung des I. f. Apokalypse.
Wäbrend der Standpunkt der Apokalypse der des
strengen Iudenchristentums ist, zeigt das Evan-
gelium des I. das Gepräge einer sehr viel weiter
vorgeschrittenen Entwicklung. Die heidn. Welt er-
scheint nicht mehr als der Sitz der antichristl. Macht,
sondern als die Pflanzstätte des von den Juden
verworfenen Glaubens an Jesus. Die glühende
Messiaserwartung des Apokalyptikers mit ihren
sinnlichen, echt jüd. Zukunftsgemälden hat der Ver-
tündigung eines rein geistigen Kommens Jesu
Christi Platz gemacht, und während das Judentum
für den Verfasser schon als eine ihm innerlich fremd
gewordene Erscheinung in der Vergangenheit liegt,
wendet er statt der Messiasidee vielmehr die philos.
Idee des "göttlichen Logos", des "göttlichen
Schöpferwortes" und Offenbarungswillcns auf
Cbristum an, um das Rätsel seiner persönlichen
Erscheinung und das rein geistige und universelle
Wesen des Christentums zu erklären. Die geschicht-
licke Darstellung dient hierbei nur zur durchsichtigen
Hülle des Gedankens, daß der ewige, in Christus
fleisckgewordene Logos als das Leben und das Licht
der Menschen erschienen sei, um im Kampfe mit der
Finsternis und dem aus der Finsternis geborenen