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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kartisane - Kartoffel
zahl und Summe nach übergeben oder kartiert. Ahn-
liche Bedeutung hat das K. im Eisenbahnver-
kehr; es besteht in der Übertragung des Inhalts
des Frachtbriefs (s. d.) auf die Frachtkarte, mit der
die Eisenbahngüterabfertigungsstellen die Güter
einander überweisen. Veim Dekartieren werden die
Frachtkarten mit den Frachtbriefen in sämtlichen
Spalten verglichen und nötigenfalls berichtigt.
Kartisane (frz.), Stückchen Pappe zum Auf-
wickeln von Seiden-, Gold- oder Silberfäden.
Kartoffel (Zolanum wd6i'03uin ^.), auch Erd-
birne, Grundbirne, Grübling, Erdtoffel
oder Erdapfel genannt, eine Knollenpflanze aus
der Familie der Solanaccen (s. d.), ist eine der wich-
tigsten Kulturpflanzen gemäßigter Himmelsstriche
und wird in diesen allenthalben in großer Aus-
dehnung angebaut. Sie stammt aus den gemäßig-
ten Gegenden des westl. Südamerika, hauptsächlich
aus Chile und Peru, und wurde daselbst seit ältester
Zeit von den Eingeborenen als Nahrungsmittel
verwendet. Die in Südamerika noch jetzt an steilen,
felsigen, meist in der Nähe der Seeküste gelegenen
Hängen wild wachsende Kartoffelpflanze bringt nur
kleine, unschmackhafte, wässerige Knollen hervor und
bat immer weihe und zwar, im Gegensatz zu der
kultivierten, wohlriechende Blumen. Nach Europa
gelangte sie zuerst nach der Eroberung Perus durch
die Spanier und ward von diesen schon in der Mitte
des 16. Jahrh, in den Niederlanden, Burgund und
Italien verbreitet. 1584 sührte Sir Walter Raleigh,
1586 der Sklavenhändler Hawkins (nach andern
dessen Verwandter Sir Francis Drake) die K. in
Irland ein. In Deutschland taucht sie zum ersten-
mal als Seltenheit schon unter der Negierung
Karls V. auf. Als Walter Naleigh sie 1623 aus
Virginien zum drittenmal mit größerm Erfolg als
seine Vorgänger nach England brachte, waren die
K. schon in Italien und Spanien wohlbekannt und
wurden daselbst Tartufoli genannt, woraus der
deutsche Name K. entstand. Nach A. von Hum-
boldt wird die K. im großen angebaut seit 1684 in
Lancashire, seit 1717 in Sachsen, seit 1728 in Schott-
land, seit 1738 in Preußen, seit 1783, hauptsächlich
durch Parmentiers Bemühungen, in Frankreich.
In Deutschland, wo sich besonders die preuß. Konige
Friedrich Wilhelm I. und Friedrich d. Gr. für deren
Kultur interessierten, kam die K. erst seit den letzten
hundert Jahren zu allgemeinen Ehren, nachdem
die Regierungen ihren Anbau teilweise sogar durch
Zwangsmaßregeln eingeführt hatten.
Die K. ist sowohl direkt als Nahrungsmittel
für Menschen und Tiere wie als technische
Pflanze hochwichtig. Ihr Stärkemehl ist säst ebenso
gut wie dasjenige der Gctreidearten; es wird in
Dextrin, in Sirup, Zucker und Spiritus verwan-
delt; hanptsächlich aber ist sie das verbreitetste Nah-
rungsmittel, in vielen Ländern, z. B. in Irland,
sogar das einzige der Bevölkerung. Endlich wird
sie entweder roh oder gekocht zur Fütterung und
Mästung des Viehs verwendet. Die Einführung
des Kartoffelbaues in den Landwirtschaftsbetrieb
ist daher eins der wichtigsten Ereignisse in der Ge-
schichte der Volkswirtschaft gewesen. Die K. erweist
sich nicht so nahrhaft als das Getreide, weil ihr
Stärkemehl mit einer nur geringen Menge Pro-
tein verbunden ist. Daher kann auch die K. allein
keineswegs zur Ernährung hinreichen; mindestens
muß ihr Genuß mit demjenigen stickstoffhaltiger
Nahrungsmittel verbunden sein. Ter Gehalt der K.
Artikel, die man unter K verm
an Trockensubstanz wechselt zwischen 18 und 32 Proz.
und beträgt im Mittel 25 Proz. Die feste Substanz
besteht aus 9 - 25 Proz. Stärkemehl (im Mittel
18 Proz.), aus 0,3 bis 2,7, im Mittel 1,i Proz. Holz-
faser, aus 0,6 bis 4,4, im Mittel 2,0 Proz. Pro-
temstoffen, endlich aus 0,3 bis 3, im Mittel 1,0 Proz.
Gummi und Salzen. Der Wert der K. als Nahrungs-
mittel , für Spiritus- und Stärkefabrikation richtet
sich nach ibrem Stärkegehalt. Zur raschen Bestim-
mung desselben dient die Kartoffelwage (s. d.).
Von keiner Nutzpflanze existieren fo viele Abarten
wie von der K.; bei der internationalen Kartoffel-
ausstellung zu Altenburg 1875 Warenderen 2644ver-
treten. Sie lassen sich in drei Klassen stellen: 1) runde
oder Lärchenkartoffeln; 2) spitze oder Horn-
kartoffeln; 3) lange oder Nierenkartoffeln.
Außerdem unterfcheidet man nach der Farbe der
Schale weihe, gelbe, rote und blaue; nach der Reife
frühe und späte K. Nach den Nutzungszwecken unter-
scheidet man Speise-, Brennerei- und Futterkar-
toffcln. Für allgemeine Wirtschaftszwecke und für
Stärke- und Spiritusfabrikation empfehlen sich:
Imperator, frühe Nassengrunder, Oohnichen, blaue
Riesenkartoffel, Professor Kühn, frühe Lippesche,
Juno, Aspasia, Athene. Zu den besten großen K.
gehören die engl. und Holland. Viehkartoffel, die
irländ. und die Rohankartoffcl, die Thüringer gelbe
Rose (s.Tafel: Futterpflanzen I,Fig.19); frühe
Speisekartoffeln find: Biskuitkartoffel, gelbe und
rote Hornkartosfel, frühe amerik. Nosenkartoffel
(Nai-1^ i'086); späte mittelgroße: die peruanische,
die blaue runde, die rote Nierenkartoffel, die engl.
l^pargelkartosfel u. s. w. Jährlich werden von be-
rufsmäßigen Kartoffelzüchtern Neuheiten, durch
Kreuzung oder Seldstabttnderung erzeugt, in den
Handel gebracht und machen nach einiger Zeit an-
dern Sorten Platz.
Die K. gedeiht in Europa bis zum 70." nördl. Br.
und bis zu 1000 m Meereshöhe; sie liebt einen tief-
gründigen, lockern, etwas sandigen Boden und ver-
trägt frische Stallmistdüngung. Der Anbau ge-
schieht als Hackfrucht, meistens in Reihen. Sie wird
in Knollen oder deren Stücken mit dem Spaten,
der Hacke oder hinter dem Pfluge gelegt. Die Menge
der Aussaat richtet sich nach der Größe der Saat-
kartoffcln und der Entfernung derselben voneinander.
Bei der gewöhnlichen Anbaumethode und mittelgro-
ßen K. nimmt man einen Wachsraum von 2000 hcni
für jede Pflanze an, das Gewicht des Saatgutes be-
trägt somit etwa 2400 kF für das Ka. Große K.
werden häufig durchschnitten und zwar so, daß die
Kroncnseite, auf der sich die meisten Augen befinden,
zur Aussaat gelangt, die andere verfüttert wird.
Ein Abwelkenlassen der geschnittenen ^aatkartoffeln
ist anzuraten, damit die frische Schnittseite in feuch-
tem Boden nicht Veranlassung zur Fäulnis giebt.
Während der Vegetation wird die K. ein- bis zwei-
mal behackt und dann mit dem Doppelstreichbrett-
pfluge angehäufelt. Zur Erzielung gesunder und
sehr großer K. wird Gülichs Kulturverfahren
angewandt. Es besteht darin, daß jede Saatknolle
einen Wachsraum von 1 qm erhält. Um die Pflanz-
stellen wird der Dünger kranzförmig gelegt, in der
Mitte die Knolle mit dem Nabel nach oben und
schwach mit Erde bedeckt. Die Triebe entwickeln sich
nun kranzförmig rings um die Mutterknolle, werden
in der Art angehäufelt, daß in die Mitte derselben
Erde gebracht wird, sodaß die unbedeckt bleibenden
beblätterten Stengel sich sterMvuvvg nach außen
ißt, sind unter C anfznsuchen.