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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kastoröl - Kastration
Kastoröl, soviel wie Ricinusöl (s. d.).
Kaftradma (vom ital. casti^w, Hammel), die
in Dalmatien und Montenegro landläufige Be-
zeichnung für geräuchertes Hammelfleiscb. Nljegus
und Cetinje find dieHauptcentren für die Kastra-
dinafabrikation. Jährlich wird aus Aiontenegro
K. von 150000 Hammeln exportiert, deren Wert
fich auf nahezu eine halbe Million Gulden beläuft.
Gewöhnlich findet im Monat Oktober allgemeines
Schlachten statt.
Kastrat, f. Kastration. In Italien wurde in
früherer Zeit die Kastration der Knaben häufig auf-
geführt, um in ihnen Sopranfänger (namentlich
für Kirchcngesang) zu erhalten, wesbalb die Bc-
nennung K. mit Sopransä'ngcr gleichbedeutend
ward. Clemens XIV. verbot diefen Mißbrauch, der
aber noch lange fortdauerte, bis in der neuern Zeit
nachdrücklichere Gesetze dagegen ergingen.
Kastrati, Stamm der Älbanesen'is. d., Bd. 1,
S. 315 d).
Kastration (lat.), Ver schnei düng, operatives
Verfahren, wodurch Hoden oder Eierstöcke lebeuder
Tiere vernichtet oder entfernt und fomit deren
Zcugungsfähigkeit zerstört wird. Die uublutige
K. gefchieht durch Zerreibuug und Zerquetschung der
Hoden oder Punktion der Eierstöckc; die blutige
K. durch Ausfchncidung der Hoden oder Eierstöcke.
Wegen der tiefern Lage der letztern und der
Schwierigkeit der Operation gcfchieht die K. bei
menschlichen Individuen weiblichen Geschlechts nur
dann, wenn krankhafte Veränderungen der Eierftö cke
folches verlangen. Gewöhnlich versteht man unter
K. nur die an männlichen Individuen vorgenom-
mene Ausfchälung der Hoden, die Entmannung;
jedoch sind aus Indien und Australien Fälle be-
kannt, in denen die Entfernung der C'ierstöcke vor-
genommen war, um die betreffenden Perfonen fort-
pflanzungsunfähig zu machen. Die Folgen der K.
gestalten sich vcrfchieden nach dem Zeitpuutte, wo
diefelbe vorgenommen wird. Wenn die K. vor der
Pubertät erfolgt, fo gelangt das operierte Indivi-
duum (der Kastrat) nicht zu den ibm von Natur
zukommenden Geschlechtscharakteren, sondern näbcrt
sich mehr oder weniger dem entgegengesetzten Ge-
schlecht: das männlich geborene Individuum uimmt
die Charaktere des wciblichcu, dieses den des männ-
lichen an. Wie der Typus des weiblichen sich durch
rcichlichern Fettansatz, rundliche Formen, vorherr-
schende Ausbildung des Unterleibes, Übergewicht
der Nerven über das Gefäßsystem, des Zellgewebes
über das Muskelgewebe auszeichnet, so bilden sich
bei den männlichen Kastraten Bauch und Hüften
aus und der Brustkasten nimmt mehr weibliche
Formen an. Die Muskeln bleiben weich; die Haut
wird sehr weih, aber es mangelt die eigentliche
Frische, und wenn kastrierte Knaben auch längere
Zeit ihre jugendliche Schönheit behalten, so werden
sie dagegen doch im Altcr auffallend häßlich. Her-
vorstechend ist bei Kastraten, besonders beim Men-
schen, die Eigentümlichkeit der Stimme. Dieselbe
(Kastratenstimme) erhält sich, weil der Kehltopf
kleiner bleibt, knabenhaft, wird aber durch Kultur
zur kräftigen Sopranstimme und gewinnt um meh-
rere Töne an Umfang. Alle äußern Attribute des
Mannes kommen nicht zur gehörigen Entwicklung.
Die äußern Genitalien bleiben, wenn sie nicht gleich-
falls amputiert waren (vollständige Kastraten), in
der Entwicklung zurück; es erfcheiuen beim männ-
lichen Menschen kein Vart, keine Achsel-und Scham-
Vrockhaus' Konversations-Lcxikon. 14. Aufl. X.
haare, beim Hirsche kein Gcwcib, beim Hahn ver-
scbrumpft der Kamm, wenn er nicht, wic dies beim
Kapaunen zu gefchehen pflegt, nebst den Sporen weg-
geschnitten wird. In geistiger Beziehung verrät der
Kastrat überall das Bewußtsein des Mangels an
wirklicher Kraft, welche er meist durch Hinterlist zu
ersetzen sucbt; er ist reizbar, aber dabei sehr zur trägen
Nube geneigt, obne Energie des Willens, wenn
nicht der vorberrschcnde Egoismus beteiligt wird.
Je längere Zeit nach der Pubertät und vollständig
erlangter Geschlechtsreife die K. vorgenommen wird,
desto weniger treten die körperlichen Veränderungen
bervor, und nur die geistigen machen fich bemerkbar.
Die Griechen nannten die Kastrierten Eunuchen
(s. d.); in die deutfche Schriftfpracbe ist dafür
durch Gottsched der Ausdruck Hämmliuge (wahr-
fcheiulich von Hammel, verschnittener Schasbock,
abgeleitet) eingeführt worden. Der vollständigen
Eunucbcn bedienen sich vorzüglich die Türken zu
Bcwachuug ihres Harems. Dieselben werden von
den christl. Klöstern des Orients, besonders Abessi-
niens geliefert, da der Koran die Verstümmelung des
Menschen verbietet. Im Altertum und fast bei allen
rohern Völkern wurde die 5k. als Strafe oder Rache,
namentlich gegen Ehebrecher, geübt.
Die 'Ärzte fchreiten nur bei gefährlichen Beschä-
digungen oder Entartungen (Krebs, Tuberkulose)
der Geschlechtsteile zur K. Die K. der Frauen, die
operative Entfernung beider Eierstöckc (Ovarioto-
mie) nach vorhergegangener Eröffnung der Bauch-
höhle oder von der Scheide aus, ist neuerdings bei
schweren, auf andere Weise nicht heilbaren Erkran-
kungen (chronischen Entzündungen, Geschwülsten,
Neuralgien, Brüchen u. s. w.) der Eierstöcke und der
Gebärmutter unter der antiseptischen Vehandlungs-
wcisc wiederbolt mit günstigem Erfolge ausgeführt
worden. (Vgl. Hegar, Die K. der Frauen, Lpz. 1878.)
Durch Religionsschwärmerei ward die Sitte des
Entmannens (besonders junger Knaben) in ältern
Zeiten befördert und zum Teil erzeugt. Sie ging
von den Priestern der Kybele in Asien aus und
kam mit deren Dienste auch nach Rom. Die Kaiser
Konstantin und Iustinian mußten sich mit ganzer
Macht diesem religiösen Wahnwitz widersetzen, dem
sie nur dadurch zu steuern vermochten, daß sie jede
solche Verstümmelung dem Menschenmorde gleich-
setzten. Die Valerianer, denen das Beispiel des
Origenes, der aus übertriebenem ascetischem Eifer
und unter Berufung auf Matth. 19,12 sich selbst
kastrierte, die Sinne verwirrt hatte, hielten eine
folche Selbstverstümmelung für eine Pflicht, welche
die Religion ibncn auferlegte. Noch heute giebt es
in Rußland Sekten, welche sich trotz schwerster gesetz-
licher Ahndung fanatisch verstümmeln. (S.Skopzen.)
Die K. der Haustiere wird zur Erhöhung des
Nutzungszweckes vorgenommen. Das Kastrieren
i W allacbcn, Reißen) der Hengste geschieht, damit
fie sich besser zum Gebrauche mit andern Pferden
zusammen eignen, das der männlichen Rinder zur
Erhöhuug der Mastfähigkeit, ebenso das der männ-
lichen Schweine (Schneiden) und Schafe und das
der Hühner (Kappen, .Kapaunen). Zu demselben
Zwecke verschneidet man auch weibliche -Schweine
und Kühe: bei letztern glaubt man gleichzeitig die
Milchergiebigteit steigern und erheblich verlängern
zu können. Indessen entsprechen die Erfolge in der
Regel nicht den gehegten Erwartungen. Die K. der
männlichen Haustiere besteht in der Entfernung
oder Abtötung der Hoden durch Abfchneiden, Ab-
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