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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kreislauf des Blutes

aus den Bauchorganen (Darm, Milz) abfließende Blut sammelt sich in der Pfortader (vena portae), und diese löst sich in der Leber nochmals in ein Haargefäßsystem auf, ehe sich dieses Blut in die untere Hohlvene ergießt. Aus der rechten Vorkammer tritt nun das Blut in die rechte Herzkammer, von da durch die Lungenarterien in die Lungen, aus diesen, nachdem es mit der daselbst befindlichen atmosphärischen Luft in Berührung gekommen und dadurch wieder in vollkommenes arterielles, d. h. sauerstoffhaltiges Blut verwandelt worden ist, durch die Lungenvenen in die linke Vorkammer und von da endlich wieder in die linke Herzkammer, um aufs neue den Kreislauf zu beginnen. Zur bessern Veranschaulichung des Blutumlaufs diene die nebenstehende schematische Figur, in der durch Pfeile die Richtung des Blutlaufs angegeben ist; a bezeichnet die rechte Vorkammer, b die rechte Kammer des Herzens, c die Lungenpulsader, d das Haargefäßsystem der Lungen, e die Lungenblutader, f die linke Vorkammer, g die linke Herzkammer, h die Aorta, i die Schlagadern und k die Blutadern der obern Körperhälfte, l den Bogen und m den absteigenden Teil der Aorta, n die Bauchaorta, o das Haargefäßnetz des Darmkanals, p die Pfortader mit den Haargefäßen q derselben in der Leber, r die Leberblutadern, s die untere Hohlader, t das Haargefäßsystem der untern Extremitäten.

^[Abb.]

Man unterscheidet gewöhnlich den großen oder Körperkreislauf und kleinen oder Lungenkreislauf. Ersterer, welcher drei Viertel der gesamten Blutmasse faßt und in der obigen Figur durch die Pfeile in der Richtung g h l m s i k a angedeutet ist, bezeichnet den zuerst beschriebenen Lauf des Blutes aus der linken Herzkammer durch alle Teile des Körpers in das Herz zurück, letzterer (mit ungefähr einem Viertel der gesamten Blutmenge) den Lauf aus der rechten Vorkammer durch die rechte Herzkammer, die Lungen und die linke Vorkammer bis in die linke Herzkammer (b c d e f der obigen Figur). Der eben geschilderte K. d. B. ist ununterbrochen, sodaß das ganze Gefäßsystem immer mit Blut gefüllt und kein leerer Raum darin zu finden ist. Die Bewegung dieses zusammenhängenden Blutstroms geschieht durch Zusammenziehen des Herzens und der Arterien, indem gleichzeitig durch die Klappen im Herzen und in den Venen rückgängige Bewegungen des Blutes verhindert werden.

Die Kräfte, welche den Blutkreislauf veranlassen und unterhalten, sind folgende: 1) Die Herzbewegung, welche eine beständige Ungleichheit der Spannung in den verschiedenen Teilen des Gefäßsystems verursacht und dadurch eine kontinuierliche Blutbewegung hervorbringt. Indem das Herz durch seine abwechselnden Kontraktionen das in ihm enthaltene Blut periodisch in die großen Gefäßstämme hineinpreßt, veranlaßt es in den Arterien eine rhythmische (pulsatorische), in den Haargefäßen und Venen eine kontinuierliche Strömung des Blutes (s. Herz). 2) Die Verengerung der Arterien, deren Wandungen sich, wenn sie nach der Kontraktion des Herzens durch das eingepreßte Blut übermäßig ausgedehnt wurden, vermöge ihrer Elasticität und ihrer durch Muskeln- und Nervenfasern bedingten Kontraktilität wieder zusammenziehen und dadurch das eingepreßte Blut nach vorwärts, nach den Haargefäßen hindrängen (s. Puls). 3) Die Aspiration des Brustkastens, welche dadurch zu stande kommt, daß bei jeder Einatmung infolge der Erweiterung des Brustkastens ein negativer Druck innerhalb der Brusthöhle entsteht, wodurch das Venenblut eingesaugt und kräftig nach dem Herzen getrieben wird. 4) Muskelkontraktionen üben einen vorübergehenden Druck auf die benachbarten Venen und pressen das Venenblut in der Richtung gegen das Herz hin, da ihm der Weg in entgegengesetzter Richtung durch die sich schließenden Klappen der Vene verlegt wird.

Die Zeit, binnen welcher der Kreislauf sich einmal vollendet, also ein Blutteilchen an dieselbe Stelle zurückgekehrt ist, von welcher es ausging, ist bei verschiedenen Tieren ungleich und zunächst von der Größe des Tieres abhängig. Beim Pferde z. B. vollendet er sich in 25‒30 Sekunden, beim Hunde von mittlerer Größe in 15, beim Menschen in etwa 23 Sekunden; durch 26‒28 Pulsschläge wird das Blut einmal durch den ganzen Körper getrieben. Die Geschwindigkeit des Blutes ist an den Stellen größer, wo das Stromgebiet enge ist (in den großen Arterien und Venen), geringer da, wo es sehr in die Breite geht; in den Haargefäßen am geringsten. In diesen letztern rückt das Blut in der Sekunde nur um ½ mm fort, in der Carotis dagegen um 300 mm in der Sekunde. Aus der kurzen Zeit, welche zur Vollendung eines Kreislaufs erforderlich ist, erklärt sich einerseits die fast augenblickliche Wirkung mancher direkt in das Blut eingespritzten Gifte, z. B. der Blausäure, der Strychninlösung u. a., andererseits die Schnelligkeit, mit welcher bei Verletzung der dem Herzen nahe gelegenen Blutgefäße der Tod durch Verblutung erfolgt.

Im Fötus ist der K. d. B. ein wesentlich anderer als beim Geborenen (s. Embryo, Bd. 6, S. 72 a).

Kollateral- oder Seitenkreislauf nennt man den nach Unterbindung oder Verstopfung einer größern Schlagader sich entwickelnden K. d. B. Wird z. B. die Hauptschlagader eines Gliedes wegen einer heftigen Blutung unterbunden, so wird das Blut nun mit größerer Kraft und in größerer Menge oberhalb des durch die Unterbindung gebildeten Gerinnsels (Thrombus) in die Seitenäste des verstopften Gefäßes eingetrieben und gelangt nun vermöge der zahlreichen miteinander kommunizierenden Verzweigungen (s. Anastomose) auf Seitenwegen zu dem Teile, der eigentlich von dem verschlossenen Gefäß versorgt werden sollte. Die Kenntnis der Kollateralgefäße ist deshalb für den Chirurgen wichtig. – Vgl. Fick, Der K. d. V. (Berl. 1872); Basch, Allgemeine Physiologie und Pathologie des K. d. B.

^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.]