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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Laspeyres (Hugo) - Lassalle
lichte er namentlich: "Geschichte der volkswirtschaft-
lichen Anschauungen der Niederländer" (Preisschrift,
Lpz. 1863), "Der Einfluß der Wohnung auf die
Sittlichkeit" (Berl. 1869).
Laspehres, Hugo, Mineralog und Geolog,
Bruder des vorigen, geb. 3. Juli 1836 zu Halle,
widmete sich 1856 der bergmännischen Staatslauf-
bahn in Preußen, verlieh dieselbe aber als Verg-
referendar 1864, um sich ausschließlich den mine-
ralog. und geolog. Wissenschaften zuzuwenden.
Nachdem er in Heidelberg unter Vunsen gearbeitet,
wurde er 1865 Hilfsarbeiter an der neuen geolog.
Landesanstalt, um die Umgegend von Halle geo-
logisch zu kartieren. 1867 habilitierte er sich an der
Berliner Universität und wurde gleichzeitig Docent
an der mit der geolog. Anstalt verbundenen Berg-
akademie ; 1870 ging L. als Professor an die Tech-
nische Hochschule in Aachen und folgte 1884 einem
Rufe an die Universität Kiel; seit 1886 wirkt er als
ord. Professor der Mineralogie und Geologie an der
Universität Bonn; 1893 wurde er zum Geh. Verg-
rat ernannt. Von seinen größern Arbeiten sind zu
nennen: die mit E. Weiß herausgegebene ausge-
zeichnete Karte des Saarbrücker Kohlengebirges, die
"Geognost. Darstellung des Steinkohlengebirges
und Rotliegenden nördlich von Halle" (mit Karte und
16 Profilen, Verl. 1875) und die Biographie Heinrich
von Dechens (Bonn 1889). Sehr groß ist die Zahl der
Mineralien, welche durch L. eine sorgfältige krystallo-
graphische oder chem.Untersuchung gefunden haben.
Lafsa, Hauptstadt von Tibet, s. Lhassa.
Lassalle (spr. -häll), Ferdinand, socialistischer
Agitator und Führer der ersten deutschen socialdemo-
kratischen Bewegung, geb. 11. April 1825 in Breslau
als Sohn eines jüd. Kaufmanns, besuchte das Gym-
nasium seiner Vaterstadt, dann die Handelsschule zu
Leipzig. Seit 1842 studierte er in Breslau und Ber-
lin Philologie, dann Philosophie; 1844 ging er auf
Reisen und hielt sich kürzere Zeit in Paris auf. Nach
Deutschland zurückgekehrt, machte er die Bekannt-
schaft dcr Gräfin Sophie Hatzfeld (s. d.), die er in
ihrem Ehescheidungsprozeß unterstützte. 1848 schloß
er sich der demokratischen Partei an und arbeitete
an der. von Karl Marx herausgegebenen "Neuen
Rhennschen Zeitung" mit. Er wurde wegen Auf-
reizung gegen die königl. Gewalt angeklagt; die Ge-
schworenen sprachen ihn aber frei (vgl. feine Assisen-
rede, Düsseld. 1849); in einer Zweiten Anklage wurde
er zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. 1854
siedelte er nach Berlin über und vollendete hier sein
Buch "Die Philosophie Herakleitos des Dunklen von
Ephesos" (2 Bde., Verl. 1858); diesem Werke folgte
das histor. Drama "Franz von Sickingen" (ebd.
1859). Bei Ausbruch des Italienischen Krieges 1859
veröffentlichte L. die Broschüre "Der ital. Krieg und
die Aufgabe Preußens", wo er mit Wärme dasür
eintrat, daß Preußen diese Gelegenheit zur Wieder-
herstellung der deutschen Einheit benutze. Nach dieser
und ähnlichen kleinen Schriften erschien 1861 das
große rechtsphilos. Werk "Das System der erworbe-
nen Rechte. Eine Versöhnung des positiven Rechts
und der Rechtsphilosophie", hg. von Lothar Bucher
(2 Bde., Lpz. 1861; 2. Aufl., ebd. 1880).
In der Konfliktsperiode trat L. mit zwei Vor-
trägen über Verfassungswesen hervor. Im ersten
dieser Vorträge, den er in mehrcrn Berliner Vezirks-
vcremen im Frühjahr 1862 hielt, entwickelte er den
Gedanken, daß Verfafsungsfragcn nicht Rechts-
fragen, sondern Machtfragen seien. Im zweiten
Vortrage "Was nun?" rät er der Kammer, ihre
Sitzungen so lange zu vertagen, bis die Regierung
den Nachweis antrete, daß die verweigerten Aus-
gaben nicht länger fortgefetzt würden. In einem
weitern, 1862 im Handwerkerverein der Oranien-
burger Vorstadt gehaltenen Vortrag "über den be-
sondern Zusammenhang der gegenwärtigen Ge-
schichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes",
unterscheidet L. verschiedene Weltperioden je nach
dem Stande, der bei einer Epoche vorherrschend war.
L. wurde deshalb wegen "Aufreizung der besitzlosen
Klassen zu Haß und Verachtung gegen die Besitzen-
den" zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, welche
Strafe vom Kammergericht in eine Geldstrafe umge-
wandelt wurde. Die sehr geschickten Verteidigungs-
reden L.s erschienen als Broschüren, und Zwar die in
der ersten Instanz gehaltene u. d. T. "Die Wissen-
schaft und die Arbeiter", die zweite u. d. T. "Die in-
direkte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen".
Im Febr. 1863 wurde L. von dem Centralkomitee
zur Berufung eines allgemeinen deutfchen Arbeiter-
kongresses in Leipzig aufgefordert, ein polit.-sociales
Programm für die Arbeiteragitation zu entwe^en.
Er veröffentlichte das "Offene Antwortschreiben"
(Zür. 1863), worin er seine Grundsätze darlegte.
Dieses Programm bildete dann die Grundlage des
Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins,
der die erste Organisation der socialdemokratischen
Partei Deutschlands darstellte. Damit die Arbeiter
sich aus ihrer gedrückten Lage befreiten, schlägt L.
vor, sie sollten"sich zu Produktivassociationen ver-
einigen, denen der Staat Kredit gewähren solle. Um
aber den Staat zu einer solchen Maßregel Zu
zwingen, müßten sie vor allem das allgemeine
Wahlrecht erkämpfen.
Indernun folgenden letztenPeriode seines Lebens,
in den 1.1863 und 1864, beschäftigte sich L. fast aus-
schließlich mit seiner Agitation für den Allgemeinen
Deutfchen Arbeiterverein (f. Socialdemokratie). An-
fang 1864 erschien L.s ökonomisches Hauptwerk
"Bastiat-Schulze". Im kritischen Teile dieser Schrift
wendet sich L. gegen die Genossenschaftsbestrebungen
von Schulze-Delitzsch (s. d.), im positiven giebt er
eine Darstellung seiner ökonomischen Grundbegriffe.
Diefe letztern Ausführungen sind nicht originell,
wie überhaupt L. auf speciell nationalökonomischem
Gebiete wenig Originelles geleistet hat, sondern sie
sind entnommen teils der klassischen Nationalökono-
mie, teils Proudhon, Marx, Rodbertus. Durch seine
Agitation war L. noch im letzten Jahre seines Le-
bens in viele Prozesse verwickelt; 12. März 1864
wurde wider ihn ein Hochverratsprozeh in Ber-
lin verhandelt, in dem er freigesprochen wurde;
21. Juli desselben Jahres fand ein Prozeß gegen
ihn vor der Appellkammer in Düsseldorf statt. Nach
seiner rhein. Agitationstour reiste L. nach Genf, wo
er 31. Aug. an einer Wunde starb, die er im Duell
um die Tochter des bayr. Diplomaten Dönniges
mit Herrn von Racowitza erhalten hatte.
Wenn die deutsche socialdemokratische Partei jetzt
offiziell die L.fchen Ideen aus dem Programm der
Partei gestrichen hat, so mußte das geschehen wegen
der principiellen Verschiedenheiten, die zwischen dem
heutigen geistigen Führer dieser Partei (Karl Marx)
und L. bestehen. L. war idealistisch, national, mochte
auch immerhin bei seinen nationalen Bestrebungen
die Tendenz obwalten, die revolutionäre und demo-
kratische Bewegung zu stärken, und staatssocialistisch.
Marx' Socialismus ist materialistisch, international