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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Meteorologie

bestimmt man die Änderung der Witterung von Tag zu Tag. So ermittelt man, wieviel Grade die Temperatur von einem Tag zum andern steigt oder sinkt. Das Mittel ans diesen Zahlen wird als Wärmeschwankung von Tag zu Tag oder interdiurne Veränderlichkeit bezeichnet. Von besonderer Wichtigkeit sind die Änderungen in den Witterungszuständen im Lauf eines Tages, die tägliche Periode, und im Jahr, jährliche Periode. Die Ursache derselben ist die Bewegung der Erde um ihre Achse und die Sonne. Außerdem giebt es auch noch andere periodische Witterungsänderungen. So hat man eine 26tägige Periode im Verlauf der Gewittererscheinungen gefunden, deren Grund in der Sonnenumdrehung oder dem Mondwechsel gesucht wird. Eine große Rolle spielt die elfjährige Periode in der Häufigkeit der Sonnenflecken, wodurch ein gleichlanger periodischer Verlauf in den Witterungsverhältnissen an der Erdoberfläche bedingt werden soll. Sogar die aus Vielfachen von 11 bestehenden größeren Perioden der Sonnenflecken sollen in den Witterungserscheinungen, namentlich Überflutungen sich abspiegeln. Neuerdings vertritt Brückner einen 35jährigen periodischen Verlauf der Witterung. Solche langjährige Perioden nennt man säkulare Klimaschwankungen.

Die Normalwerte, die Veränderlichkeiten und Schwankungen der Witterungselemente bestimmen das Klima eines Ortes. Es werden also die oben dargestellten, den Meteorologischen Centralstellen (s. d.) zustehenden Arbeiten den Grund zu der Klimatologie (s. d.) zu legen haben und zu dem weitern Ausbau dieses sich sowohl der Biologie als auch der Geographie nähernden Teiles der M. fortzuführen sein.

Immer mehr zweigt sich von der klimatologischen Behandlung der Teil der M. ab, den man vielfach als neue oder moderne M. zu bezeichnen pflegt. Diese gehört zu den mathem.-physik. Wissenschaften, indem sie alle Bewegungserscheinungen, Kondensationsvorgänge, Temperaturbewegungen u. s. w. mit den Hilfsmitteln der Mathematik und Physik zu erklären und in Formeln zu fassen bestrebt ist. Ein Zweig dieser neuern M. ist z. B. die dynamische M., deren specieller Forschungsgegenstand die Beschreibung der großen Luftbewegungen mittels der Hydrodynamik und der mechan. Wärmetheorie ist.

Eine eigentümliche Stellung nimmt der Zweig der M. ein, den man als praktische M. oder ausübende Witterungskunde bezeichnet findet. In erster Linie fällt ihr die Wettervoraussage zu. Sie sammelt täglich die telegr. Mitteilungen der Beobachtungen, stellt damit Wetterkarten (s. Meteorologische Kartenwerke) und Wetterberichte (s. d.) her, auf Grund deren alsdann Wetterprognosen (s. d.) und Sturmwarnungen (s. d.) aufgestellt oder erlassen werden. Außer dieser der gesamten Bevölkerung gewidmeten Thätigkeit hat die praktische M. noch die Aufgabe, bestimmten Erwerbszweigen dienstbar zu sein; so sind nach und nach Unterabteilungen der praktischen M. entstanden. Die Agrarmeteorologie hat die Aufgabe, die Landwirtschaft zu unterstützen; die forstliche M. behandelt die Einwirkung der Witterung auf die Entwicklung der Wälder und umgekehrt deren Einwirkung auf die Witterungsvorgänge. In der maritimen M. werden die auf Schiffen gesammelten Beobachtungen wissenschaftlich verarbeitet und umgekehrt die über Wind und Wetter erlangten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Aufstellung von Segelrouten und Belehrungen über das Wesen der Stürme sowie die Abwendung der schädigenden Wirkung derselben für die Schiffe verwendet. Der Sturmwarnungsdienst führte zur Entwicklung der Küsten- oder litoralen M. Das Studium der Einwirkung der Himmelskörper auf die Witterung hat man vielfach als kosmische M. bezeichnet.

Die M. wurde bereits von den Griechen, Römern und den andern Kulturvölkern des Altertums gepflegt. Als meteorolog. Schriftsteller sind Aristoteles, Theophrast, Lucretius Carus, Plinius d. Ä., Seneca, auch Virgil und Columella zu nennen, im 16. Jahrh. Fr. Bacon von Verulam und René Descartes. Der rege Aufschwung der meteorolog. Forschung der Gegenwart wurde durch Alexander von Humboldt und Leopold von Buch sowie Kämtz und Dove eingeleitet. Als Pflegestätten der M. wurden immer mehr meteorolog. Centralstellen und Stationen begründet und für die M. als Wissenschaft an den Hochschulen Lehrstühle errichtet. Kräftige Unterstützung erfährt die Arbeit der Centralstellen durch die meteorologischen Gesellschaften, die es in Schottland, England, Frankreich, Italien, Österreich u. s. w. schon längere Zeit giebt. In Deutschland wurde 1780 durch den Kurfürsten Karl Theodor die Mannheimer Meteorologische Gesellschaft (Societas meteorologica Palatina) und eine bayrische meteorolog. Gesellschaft begründet. 1883 fand die Begründung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft in Hamburg statt. 1872 traten auf Anregung von Bruhns, Jelinek und Wild mehrere Meteorologen zu einer Konferenz in Leipzig zusammen, um ein gleichmäßiges Vorgehen aller meteorolog. Centralanstalten und Stationen zu erzielen. Diese Konferenz gab Veranlassung zu zwei Kongressen (Wien 1873 und Rom 1879) und einer Konferenz der Repräsentanten der meteorolog. Dienste aller Länder zu München (1891), die einen mehr offiziellen Charakter hatten. Die Kongresse setzten ein «internationales Komitee» ein, das Sitzungen in Wien (1873), Utrecht (1874 und 1878), London (1876), Rom (1879), Bern (1880), Kopenhagen (1882), Paris (1885), Zürich (1888) und Upsala (1895) abhielt. Eine Zusammenstellung der Beschlüsse dieser Versammlungen publizierte H. Wild im 16. Bd., Nr. 10 seines «Repertoriums für M.». Am 16.‒18. Aug. 1894 fanden zu Antwerpen und 17.‒23. Sept. 1896 zu Paris wieder internationale Meteorologenkongresse statt.

Die Ergebnisse der Beobachtungen an den meteorolog. Stationen werden von den Centralstellen mehr oder weniger ausführlich publiziert. Die meisten Centralstellen geben Jahrbücher (Annalen) heraus und nur wenige haben etwas andere Formen zu amtlichen Publikationen gewählt. Die Centralstellen in Berlin, Chemnitz, Hamburg, Karlsruhe, München, Straßburg und Stuttgart publizieren ihre Jahrbücher unter dem gemeinsamen Titel «Deutsches Meteorologisches Jahrbuch». Außerdem werden von den meisten Centralstellen noch besondere Schriften herausgegeben. So in Deutschland von der Seewarte Abhandlungen: «Aus dem Archiv der Seewarte», vom preuß. Institut: «Abhandlungen», vom sächsischen: «Klimahefte» und «Abhandlungen», von der bad. Centralanstalt: «Arbeiten über die Hydrographie des Rheines» u. s. w. Wichtige Arbeiten publizieren die meteorolog. Institute von England, Indien und Nordamerika in verschiedener