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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ministerialen - Minium

der Finanzen. Während mehrere dieser Ministerien vorübergehend oder dauernd auch in einer Hand vereinigt oder zu einander in Beziehung gesetzt sein können, vermehrt sich die Zahl derselben in Großstaaten zuweilen noch um besondere Ministerien für Handel und Landwirtschaft, öffentliche Arbeiten, der Polizei und der Marine. In Monarchien findet sich auch ein Ministerium des königl. oder kaiserl. Hauses für die nach Privatfürstenrecht zu beurteilenden Angelegenheiten des Staatsoberhauptes und seiner Familie. Die dem M. anvertraute Geschäftsklasse bildet sein Portefeuille. In größern Staaten werden jedoch auch M. ohne Portefeuille ernannt, welche nicht an der Verwaltung, sondern nur an der Beratung des Gesamtministeriums (Ministerconseils) teilnehmen.

Die Ernennung der M. steht dem Inhaber der höchsten Gewalt zu. Dieser kann sich jedoch in solchen Staaten, wo das parlamentarische Regierungssystem zur vollen Entwicklung gelangt ist, wie in England und Belgien, durch seine Wahl nicht mit der Mehrheit der Volksvertretung in Widerspruch setzen. Da außerdem der Staat leicht mit sich selbst in Widerspruch geraten könnte, wenn zwischen den einzelnen M. keine Einigkeit hinsichtlich der leitenden Grundsätze bestände, so pflegt der Regent bei dem Rücktritt eines Ministeriums meistens einen Vertrauensmann der neuen Situation mit der Neubildung der Verwaltung zu beauftragen. Das Verhältnis der M. zu dem Inhaber der höchsten Gewalt ist je nach der Landesverfassung ein verschiedenes. In absoluten Monarchien sind die M. unselbständige Diener des Souveräns. In konstitutionellen Staaten sind die M. die obersten, vom Monarchen eingesetzten und ihm verantwortlichen Chefs, welche die Einheit innerhalb der ihnen unterstellten Ressorts und die Übereinstimmung unter den verschiedenen Verwaltungszweigen sichern, aber auch das unverantwortliche Staatsoberhaupt, dessen Regierungshandlungen der Kontrasignatur eines M. bedürfen, staatsrechtlich zu decken haben. (S. Ministerverantwortlichkeit.)

Hinsichtlich der Organisation der Ministerien finden sich in den modernen Staaten zwei Systeme, das Kollegial- und das Präfektursystem. Ersteres legt grundsätzlich den Schwerpunkt der gesamten Staatsverwaltnng in die Beratungen und Beschlüsse des Ministerkollegiums, während den einzelnen Ressortministern nur die Durchführung der im Kollegium festgestellten Grundsätze verbleibt. Das Präfektursystem dagegen legt den Schwerpunkt der Staatsverwaltung in eine einzelne Persönlichkeit (s. Reichskanzler), unter welcher abhängige Staatssekretäre die einzelnen Verwaltungszweige leiten. In Preußen besteht weder das eine noch das andere System, sondern eine des grundsätzlichen Zusammenhangs entbehrende Vielheit selbständiger Ministerien; nur für einzelne besondere Fälle sind Kollegialbeschlüsse erforderlich; grundsätzlich ist jedes Ressort unabhängig und selbständig, der Ministerpräsident hat nur einen formellen Vorrang.

Ministerialen (mittellat.), Dienstmannen, im Mittelalter unfreie Leute, die Hof- und Kriegsdienste in der Umgebung der Fürsten und Herren leisteten. Es gab M. des Reichs, der Stifter und Abteien und der weltlichen Fürsten, Grafen und Herren. Durch die Leistung von Ritterdiensten hoben sich diese Unfreien allmählich über ihren Stand empor. Sie wurden den Vasallen und freien Rittersleuten gleichgeachtet und mit erblichen Lehen begabt. Mit der Zeit bildete sich hauptsächlich aus ihnen der niedere Adel. Von den Reichsministerialen, welche nur den Kaiser als Herrn über sich hatten, stammen sogar manche reichsritterschaftliche Familien. - Vgl. Fürth, Die M. (Köln 1836); Nitzsch, Ministerialität und Bürgertum im 11. und 12. Jahrh. (Lpz. 1859).

Ministerialrat, der vortragende Rat in einem Ministerium.

Ministerium (lat.), das Amt eines Ministers, auch die Gesamtheit der Minister (s. d.).

Ministerpräsident, s. Minister.

Ministerresident, Bezeichnung der vom Aachener Kongreß (1818) aufgestellten dritten Rangklasse der völkerrechtlichen Gesandten (s. d. und Minister).

Ministerverantwortlichkeit, die Pflicht der Minister, im Landtage auf Beschwerden und Anfragen betreffend ihre Amtsführung Auskunft zu erteilen und die Gesetzmäßigkeit ihrer Anordnungen darzulegen, insbesondere aber die Anordnungen des unverantwortlichen Monarchen, für welche sie durch die Gegenzeichnung (s. d.) die Verantwortlichkeit übernommen haben, vor dem Parlament zu vertreten. Es ist dies ein Grundpfeiler des konstitutionellen Staatsrechts. Gelingt es dem Minister nicht, die Volksvertretung von der Richtigkeit seiner Handlungsweise zu überzeugen, so kann der M. eine weitere staatsrechtliche Folge gegeben werden. Die meisten deutschen Verfassungsgesetze beschränken dies auf "Verfassungsverletzungen"; einige (z. B. die preuß. Verfassungsurkunde Art. 61) erwähnen daneben Verrat und Bestechung; andere, insbesondere außerdeutsche, stellen neben die Verfassungsverletzung auch die Schädigung der Interessen des Staates durch die Amtsführung. Das Recht zur Anklage haben die Volksvertretungen und zwar kann gewöhnlich jede Kammer für sich das Recht ausüben. Zur Aburteilung kompetent ist in England das Oberhaus; in vielen deutschen Staaten ist die Bildung eines besondern Staatsgerichtshofs für den einzelnen Fall unter Mitwirkung der Stände vorgesehen; in Preußen besteht ein Gerichtshof hierfür zur Zeit nicht, da Art. 61 der Verfassungsurkunde nach dieser Richtung durch die Deutsche Gerichtsverfassung unanwendbar geworden ist. Die Strafe besteht in der Regel in der Entlassung aus dem Amte; einige Gesetze lassen auch Geldstrafen und selbst Freiheitsstrafen zu (z. B. Württembergische Verfassung von 1819, §. 203). Das Begnadigungsrecht des Monarchen kann nur unter Zustimmung der Kammer, welche die Anklage erhoben hat, ausgeübt werden. In der Deutschen Reichsverfassung, Art. 17, ist die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die von ihm gegengezeichneten Anordnungen und Verfügungen des Kaisers anerkannt; es fehlt aber an einem Gesetz über die Art und Weise der Geltendmachung derselben. Seit dem sog. Stellvertretungsgesetz vom 17. März 1878 können auch die vom Kaiser bestellten Stellvertreter des Reichskanzlers (s. d.) durch Gegenzeichnung statt des Reichskanzlers die Verantwortlichkeit für Anordnungen des Kaisers übernehmen. - Vgl. Pistorius, Die Staatsgerichtshöfe und die M. nach heutigem deutschen Staatsrecht (Tüb. 1891).

Ministrant (lat.), Meßdiener; ministrieren, die Funktion als Meßdiener versehen.

Minitation (lat.), Drohung, Bedrohung.

Minium, bei den Römern der natürlich vorkommende Zinnober, jetzt soviel wie Mennige (s. d.).