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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Nadeln

und Spicknadeln, ferner die N. für Näh-, Stick-, Strick- und Wirkmaschinen. Als N. bezeichnet man auch die nadelförmigen Instrumente für chirurg. Zwecke. Beim Jacquardstuhl (s. Weberei) nennt man N. die zur Verschiebung der Platinen dienenden Drahtstäbchen; in der Sammetweberei heißen so Drähte von herzförmigem oder rundem Querschnitt, die neben den Schußfäden eingetragen werden, um die Maschen (Noppen) für den Sammetflor zu bilden.

Die Fabrikation der N. läßt sich am besten an den beiden wichtigsten Arten derselben, den Stecknadeln und den Nähnadeln, erläutern. Die Herstellung dieser beiden Arten, die früher als ein Gewerbe betrieben wurde, reicht bis ins 14. Jahrh. zurück (um 1370 blühte das Nadlergewerbe bereits in Nürnberg). Jetzt ist sie durch den ungeheuren Bedarf zum rationellen Betrieb in gesonderten Fabriken ausgebildet, wobei der äußerst niedrige Preis durch die Massenfabrikation mit weitgehender Arbeitsteilung ermöglicht wird; eine Nähnadel geht bis zur Fertigstellung durch 30 bis 40 Hände.

Stecknadeln. Die Stecknadel besteht aus zwei Teilen: dem unten zugespitzten Schaft und dem kugelförmigen Kopf. Als Material dient entweder Messing- oder Eisendraht. Man unterscheidet Stecknadeln aus einem Stück und solche mit angesetztem Kopf aus Eisen, Messing oder Glas. Der gerichtete Draht wird in einige Meter lange Stücke zerteilt und, zu Bündeln von 20‒30 solcher Enden vereinigt, auf einer Stockschere in Stücke von der doppelten Schaftlänge zerschnitten. Ein Arbeiter ist im stande, bis 50000 Doppelschäfte, die also 100000 N. geben, in einer Stunde zu schneiden. Die Schäfte werden beiderseitig zugespitzt, wozu man Schleifsteine aus Sandstein oder Schmirgel benutzt. Ein Arbeiter faßt mit der linken Hand 20‒40 Schäfte und hält sie gegen den rasch rotierenden Schleifstein, während er sie mit dem Daumen der rechten Hand langsam rollt, wodurch eine schlanke Spitze entsteht. Die angespitzten Schäfte werden in der Mitte durchgeschnitten und sind alsdann zum Ansetzen der Köpfe fertig. Diese werden aus sehr feinem Draht in der Weise gebildet, daß derselbe auf einer Drehbank zu langen Spiralen von solcher Weite aufgewickelt («gesponnen») wird, daß sie gerade noch bequem auf die Schäfte aufgezogen werden können. Die Spiralen werden in Stücke von zwei Umwindungen geschnitten, die, nachdem sie durch Glühen erweicht worden sind, auf die Schäfte aufgesteckt werden und, in Gesenken von Kugelform festgeschlagen, die Nadelköpfe ergeben. Jetzt wird jedoch der weitaus größte Teil der Stecknadeln auch mit Hilfe von Maschinen aus einem Stück hergestellt. Hierbei werden die Köpfe mittels federnder Hämmer ähnlich wie bei den Drahtstiftmaschinen (s. d.) an die Schäfte angestaucht. Die gleiche Maschine spitzt dann die N. selbstthätig zu. Die fertigen Stecknadeln werden entweder nur gebeizt, so daß sie die reine Messingfarbe zeigen, oder oberflächlich verzinnt, oder auch weiß gesotten; die sog. Trauernadeln erhalten durch Abbrennen mit Öl ihre schwarze Farbe. Öfters werden die Stecknadeln in ungeordneten Massen dem Gewicht nach verkauft, meist findet man sie jedoch auf Papierstreifen gesteckt. Zum Auslesen der Stecknadeln aus dem wirren Haufen benutzt man eine mit Kämmen versehene endlose Kette, die bei langsamer Bewegung die N. aufnimmt.

Nähnadeln. Das Material für die Nähnadeln ist meist Stahldraht, für geringere Sorten auch Eisendraht, der erst im Gang des Fabrikationsprozesses oberflächlich in Stahl umgewandelt wird. Der Draht wird, wie bei den Stecknadeln, mittels besonderer Drahtschneidemaschinen in Stücke von der doppelten Nadellänge geschnitten. Eine solche Maschine ist im stande, täglich 360000 Schäfte (also für 720000 N.) zu schneiden. Die zugeschnittenen Schäfte werden gerichtet, indem man sie mittels eiserner Ringe in Bündel von 500 bis 600 packt, dann gemeinsam schwach glüht und in noch warmem Zustand mittels der Richtmaschine rollt. Die nächste Arbeit ist das Anschleifen der Spitzen mittels besonderer Nadelspitzmaschinen. Zur Herstellung des Nadelöhrs werden die Schaftenden zunächst breit geschlagen («gepflöckt»); dann erfolgt das Ausstechen oder Aushacken des Öhrs, das jetzt ausschließlich durch Maschinen besorgt wird. Das Pflöcken auf mechan. Wege geschieht mittels der Stampfmaschine, einer Art Prägwerk. Es kann jetzt das Aushacken erfolgen, wofür jetzt allgemein selbstthätige Stechmaschinen in Gebrauch sind. Zum beiderseitigen Überseilen werden die Schäfte zu etwa 100 Stück zwischen flache Schienen gespannt, durchgebrochen und reihenweise in Feilkloben oder breitmäulige Zangen gespannt, um sie beim Abnehmen des Grats, sowie beim Abrunden des stumpfen Endes bequem handhaben zu können. Diese Arbeit erfolgt entweder mit der Hand durch Feilen oder Schleifen, oder mechanisch mittels Schleifmaschinen. Hiermit ist die Grundform der N. vollendet; die nun noch folgenden Arbeitsphasen gehen meist darauf hinaus, das Fabrikat nachzuarbeiten. Zunächst erhalten die N. die erforderliche Härte, zu welchem Zweck die wirren Haufen vorläufig durch Schütteln und Schwingen in Blechmulden geordnet werden. So nebeneinander aufgereiht, kommen sie auf Schiebern von Eisenblech in den Härteofen, um bis zur Rotglut erhitzt zu werden, worauf man sie sofort in kaltem Wasser oder Öl (Bergener Thran) abschreckt. Durch das Abschrecken sind die N. zu spröde geworden, weshalb sie wieder angelassen werden müssen, was entweder durch gelindes Erhitzen auf Eisenplatten (auch in einer großen Trommel, die einer Kaffeetrommel ähnlich ist), bis sie violett anlaufen, oder durch Sieden in Öl geschieht. Auf einer groben, gehörig festen Leinwand werden nun die parallel gelegten N. mit dazwischen gestreutem scharfem Sand oder Schmirgelpulver in mehrern Lagen geschichtet und mit Rüb- oder Leinöl (auch mit Olivenöl und Pottasche) durchfeuchtet. Die Leinwand wird gerollt und durch Umwickeln von schmalen Lederstreifen zu einer Walze gebildet; 12 solcher Walzen, stark beschwert, werden in der Scheuerbank, einer der Wäschemangel ähnlichen Maschine, hin und her gerollt. Der Rolltisch der Scheuerbank ist entsprechend den Riffeln der Walzen mit Rippen versehen, so daß die N. auf einer möglichst großen Oberfläche energisch gegeneinander gerieben werden. Das Scheuern dauert je nach der Qualität der N. einige Stunden bis einige Tage. Die Walzen werden öfter gewickelt, die aus Sand, Schleifstaub, Öl u. s. w. bestehende Masse wird entfernt und die N. werden, nachdem sie in Sägespänen getrocknet und mittels einer Gebläsemaschine oder auf eine andere Art von diesen gereinigt sind, mit neuem Schleifmaterial in der vorhin beschriebenen Weise verpackt. Das Scheuern wird oft wiederholt, wobei jedesmal ein feineres Schleifmittel, schließlich ein Poliermittel, wie Polier- ^[folgende Seite]