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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Öresund - Orford
Tragikern Iphigeneia; Sophokles nennt beide neben-
einander), kam im achten Jahre nach der Ermordung
seines Vaters, der ihn bei der Rückkehr von Troja
nicht wiedergesehen hatte, von Athen nach Mykcne
und rächte den Vater an Aigisthos und seiner
Mutter. Dieses ist die Erzählung der Odyssee, die
den Muttermord nicht bestimmt erwähnt. Nach
Sophokles' Darstellung wurde bei der Ermordung
des Agamemnon O. von Elektra gerettet und durck
seinen Erzieher zuStrophios, dem König vonPhokis,
geflüchtet. Hier wuchs O. mit dessen Sohne Pylades
auf und schloß mit diesem einen Freundschaftsbund.
Mit Pylades kam er in seine Heimat zurück und er-
mordete Klytaimnestra nebst ihrem Buhlen. Dochuun
verfiel er, wie Llschylus das ausgeführt hat, als Mut-
termörder den Eumeniden, die ihn in Raserei stürzten
und verfolgten, bis er, durch Apollon gesühnt, auf
dessen Rat feine Zuflucht nach Athen nahm, wo
Athena seine Sache vor den Areopag brachte. Bei
der Abstimmung waren die Stimmen gleich; da legte
die Göttin ihre Stimme ein zu den freisprechenden
und entschied so den Streit zu Gunsten des O.; die
Eumeniden wurden durch Stiftung eines Heiligtums
in Athen verföhnt. Nach Euripides gab aber ein
Teil der Erinnyen die Verfolgung des O. noch nicht
auf, worauf er sich aufs neue nach Delphi wandte.
Da befahl Apollon dem O., das Bild der Artemis
aus Taurien zu holen. In Begleitung des Pylades
ging er dahin. Bei ihrer Ankunft wurden beide er-
griffen und sollten nach Landesbrauch als Fremd-
linge durch Iphigeneia, die Priesterin der Artemis,
geopfert werden. Aber die Schwester erkannte den
Bruder, entwendete mit List das Bild der Artemis
und entkam mit O. und Pylades glücklich in die
Heimat. Zuletzt lebte O. nach Tötung des Aletes
als König von Mykene, Argos und Sparta, ver-
mählt mit Hermione, der Tochter des Mcnelaos,
welche ihm den Tisamenos gebar. Seinen Tod soll
er in hohem Alter durch einen Schlangenbiß in Ar-
kadien gefunden haben und in Tegea bestattet worden
fein, von wo einem Orakel zufolge seine Gebeine
nach Sparta gebracht wurden. Unter den noch erhal-
tenen griech. Tragödien behandeln die Orestessage
die mit dem "Agamemnon" die Trilogie "Oresteia"
bildenden Stücke "Choe'phoren" und "Eumeniden"
des Aschylus, die "Elektra" des Sopbokles, die
"Elektra", der "Orestes" und die "Iphigeneia in
Taurien" des Euripides. Aus der spätesten Zeit
des röm. Altertums giebt es eine epische Behand-
lung der Sage in 971 lat. Hexametern u. d. T.
"Or68ti8 traFOkäia" von einem unbekannten Ver-
fasser, hg. VoN Mähly ("^HON^NI 0i'68ti8 ti'H^06-
cka", Lpz. 1866), Schenkt (Prag 1867), und in dem
"^pzi6iiäix aä opera ad ^. Nüio eäita" (1871).
Dresund, s. Sund.
Oretaner, eine Völkerschaft im alten Spanien
in der Gegend der Sierra Vcorena; ihre bedeu-
tendste Stadt war Castulo.
Oretanisches Gebirgsfystem (0oräili6i-a
Oretkma oder OoräiiisrH Oi'6t0-il6i'miiii5uia.), eine
von Mittelspanien durch Estremadura und Portugal
bis zum Cabo de Sines gehende Reihe von zum
Teil unscheinbaren Erhebungen, die die Wasser-
scheide zwischen Tajo und Guadiana bildet. Die
einzelnen aus Kulmschiefer oder Granit, oder aus
beidem bestehenden Glieder streichen nach verschie-
denen Richtungen und sind nackte, wasserarme Fels-
massen, oder mit dürftigen Sträuchern (monte ^o)
bedeckte Höhenzüge, hauptfächlich: Montes de Toledo
(1400 m), Sierra de Altamira, de Gnadelupe
(1558 m), de Montanchez, de San Pedro und in
Portugal die Serra de Mamede (1025 ui), de Ossa,
die Granitplatte von Evora und das Schieferge-
birge Grandola (325 m).
Orexm, ein Chinolinderivat (Phenyldihydro-
chinazolin, (^ll^^), dessen salzsaures Salz, be-
stehend aus farblosen oder schwach gefärbten glän-
zenden Nadeln von bitterm, intensiv brennenden:
Geschmack, sich leicht in heißem Wasser löst und
neuerdings in Pillenform als appetitanregendes
Mittel empfohlen wird.
Orfa, Stadt in Mesopotamien, s. Urfa.
Orfe, Fifch, s. Aland.
Orfila, Matthieu Joseph Bonaventure, franz.
, Arzt und Chemiker, besonders bekannt durch seine
! Wirksamkeit auf dem Gebiete der gerichtlichen Me-
! dizin, geb. 24. April 1787 zu Mahon auf Minorca,
wurde 1819 Professor der gerichtlichen Medizin und
! Toxikologie in Paris und erhielt 1823 die Professur
der mediz. Chemie und gerichtlichen Medizin. Lud-
wig XVIII. ernannte Ö. zu seinem Leibarzt. Seit
! der Februarrevolution 1848 seiner Funktion in der
i mediz. Fakultät enthoben, starb er 12. März 1853
zu Paris. Seine Hauptwerke sind: "I>aite c?6 toxi-
^ coloM" (2 Bde., Par. 1813-15; 5. Aufl., 2 Bde.,
ebd. 1852), "I^16!N6nt8 äö cinmie ineäicale" (2 Bde.,
ebd. 1817; 8. Aufl. 1851), "1^690118 äs w6ll6ciii6
16^16" (3 Bde., ebd. 1823; 4. Aufl. 1847) und "86-
coul8 3. äonner aux P61'8ONN68 6IUP0i80NN668 0N
a8pli7xi663" (ebd. 1818; 6. Aufl. 1832), die in viele
Sprachen übersetzt wurden. Mit Lesueur bearbeitete
O. deN "1>Hjt6 (163 6XIlUIUHti0N3 ^N1'iäiHU68"
(3. Aufl., 2 Bde., Par. 1835).
Drford, engl. Grafentitel in der Familie Wal-
pole, die schon vor der Eroberung in England an-
sässig gewesen sein soll. Ein Sir Edward Walpole
! war hervorragendes Mitglied des Parlaments, das
^ Karl II. zurückrief; ihre Bedeutung erhielt die Fa-
! milie aber erst durch dessen Enkel Sir Robert
! Walpole, geb. 26. Aug. 1676 zu Houghton (Nor-
^ folk). Er besuchte Eton und Cambridge und saß
< seit 1700 im Unterhaus, wo er bald durch Gewandt-
heit und rednerische Schlagfertigkeit emporkam.
1705 wurde er Mitglied des Ädmiralitätsrats, 1708
Kriegssekretär, 1709 Marineschatzmeister. Er wurde
in den Sturz des Ministeriums Marlborough-Go-
dolphin hineingezogen, 1712 von den herrschenden
Tories wegen Bestechung aus dem Parlament ge-
stoßen und kurze Zeit in den Tower gesckickt. Bald
saß er wieder in: Unterhans, trat vornehmlich für
die Thronfolge des Hauses Hannover ein und wurde
unter Georg I. 1714 Kriegszahlmeistcr und 1715
erster Schatzlord und Schatzkanzler. Spaltungen im
Whigkabinett brachten ihn 1717 zmn Rücktritt, aber
als 1721 das Ministerium Stanhopes zerfiel, über-
nahm er sein altes Amt wieder und war bald der
eigentliche Leiter des Staates, um es 20 Jahre lang
zu bleiben. Er wußte sich die Gunst zweier Monarcken
zu erwerben und seine geschlossene Parlamentsmehr-
heit an sich zu fesseln, wozu er die schon übliche Be-
stechung skrupellos und völlig systematisch ausübte.
Sein ganzes Streben ging darauf, sich persönlich die
Macht zu sichern. Er war der erste eigentlich par-
lamentarische Minister. AIs Redner war er ohne
Schwung, aber schlagsertig und drastisch bis zum
Cynismus. Durch sein finanzielles Geschick sowie
durch seine friedliche und doch feste Politik führte er
England zu glänzendem materiellem Aufschwung.