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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Orléans (Gewebe) - Orléans (Stadt)
Orlöans (frz., spr. -äng), glatte Gewebe mit
Kette aus gezwirntem Baumwollgarn und Einschlag
aus Kammgarn, welche einfarbig, meliert, moiriert,
bedruckt, gerippt, gemustert, auch mit Seidenstreifen
hergestellt werden.
Orleans (spr. -äng). 1) Arrondifsement des
mittelfranz. Depart. Loiret, hat auf 2415,72 ykm
(1891) 174321 E., 14 Kantone und 10? Gemein-
den. - 2) Hauptstadt des Depart. Loiret, liegt
110 km südlich von Paris, am
rechten Ufer der Loire, unter
47" 54' nördl. Br. und 1° 54'
ostl. L. von Greenwich, in
freundlicher, durch Gemüsebau
(Spargel) berühmter, nach NO.
mit dem Wald von O. bedeckter
Ebene, an den Linien Paris'
Tours, O. - Malesherbes (64
km), O.-Montargis (76 1cm),
O.-Gien (63 Km) und Paris-O.-Agen der Orleans-
dahn, Chartres-O. (76 km) der Staatsbahn und am
Orlöanskanal (73 km; zur Verbindung mit dem
Loing und dadurch mit der Seine), ist Sitz des Prä-
fekten, des Generalkommandos des 5. Armeekorps,
der 10. Infanteriedivision und der 5. Artillerie-
brigade, eines Appellhofs, eines Gerichtshofs erster
Instanz, eines Handelsgerichts, Schiedsgerichts,
ciner Handelskammer, einer Filiale der Vank von
Frankreich, eines Bischofs und eines prot. Kon-
sistoriums und hat (1891) 54270, als Gemeinde
63705 E., in Garnison das 76. Infanterieregiment,
das 30. und 32. Artillerieregiment und die 5. Gen-
darmerielegion. Der älteste und tiefste Teil der
Stadt zeigt enge Gassen mit altertümlicher Holz-
architektur, von hier führt eine schöne Brücke (aus
dem 18. Jahrh.) über die Loire zur südl. Vorstadt
St. Marceau, wogegen von der Brücke nach Norden
die breite Rue Royale zum Platz Du Martroi leitet,
dem Mittelpunkt der Stadt, seit 1855 mit einer
bronzenen Reiterstatue der Ieanne d'Arc von Foya-
tier (am Sockel 16 bronzene Reliefs von Vital Du-
bray) geschmückt. Weiter nördlich und aufwärts führt
die Straße Bannier zum gleichuamigen Platz, rechts
mit St. Paterne abschließend. Diese teilweise (im
got. Stil des 18. Jahrh.) ueu gebaute Kirche liegt
unweit des Bahnhofs und an den fchönen Boule-
vards, die von hier nach Westen und nach Osten, im
Bogen die Stadt nach drei Seiten umgebend, bei-
derseits bis zur Loire hinabführen. Von der Nue
Royale, unweit des Platzes Du Martroi, führt öst-
lich die Straße Ieanne d'Arc hinauf nach dem
Domplatz, zur Kathedrale Ste. Croix, einem 148 m
langen spätgot. Bau (1601-1829), welcher eine im-
poskkte reiche Facade (von Gabriel, Architekt Lud-
wigs XV.) mit d'rei Portalen und zwei Türmen
sowie ein fünfschiffiges, 33 m hohes Innere hat und
auf der Stelle der 1567 durch die Calvinisten zer-
störten Kirche steht, von der uoch die 11 Seitcn-
tapellen stammen. An dem Platz ^>te. Croix befindet
sich auch das Rathaus (von 1530, früher Residenz,
worin Franz II. starb, erneuert und erweitert 1850
-54) mit statuengeschmückter Facade und einem
Bronzestandbild der Jungfrau von'O.imHofe. Vor
dem Rathause ist seit 1859 das Bronzestandbild des
in O. geborenen Rechtsgelehrten Rob. Pothier (gest.
1772) von V. Dubray. In der Straße Ieanne d'Arc
ist das Lyceum, diesem gegenüber das Bronzestand-
bild der Republik von L. Roguet (1850). Dahinter
ticgt das getürmte alte Rathaus (Renaissancebau
von 1442 bis 1498), in welchem sich eine Sammlung
von Gemälden und Skulpturen, eine naturgeschicht-
liche Sammlung und das Museum Ieanne d'Arc
befinden. Westlich davon ist das Historische Museum
im hübschen kleinen Hotel Cabut (16. Jahrh.), das
fälschlich das Hotel der Diana von Poitiers genannt
wird. In der Straße Du Tabour befindet sich das
Haus der Agnes Sorel. Unweit des Flusses, west-
lich der Brücke, ist Notre-Dame de Recouvrance, ein
Renaissancebau zur Erinnerung an die Befreiung
durch Ieanne d'Arc, mit Fresken von H. Lazerqes.
Von da flußaufwärts liegt die Kirche St. Aignan
(aus dem 15. Jahrh.) und weiter nordöstlich (am
Boulevard St. Marc) St. Euverte (aus dem 12. und
15. Jahrh.), 1857 bedeutend restauriert. Außerdem
sind noch bemerkenswert die Präfektur, ein ehema-
liges Kloster, der Iustizpalast (1821-24), das Hotel
de Dieu (das schönste Krankenhaus Frankreichs) und
die Getreidehalle. Eine Pferdebahn durchschneidet die
Stadt von Norden (von Les Aydes) nach Süden (Oli-
vet). O. besitzt ein Lyceum an Stelle der 1312 von
Philipp IV. gegründeten Hochschule, welche bis zur
Revolution bestand, ein großes Priesterseminar, Se-
minare für Lehrer und Lehrerinnen und eine Hand-
werkerschule, ferner ein Krankenhaus, ein Hospital,
ein Irrenhaus und ein Taubstummeninstitut, so-
dann eine Bibliothek von 53000 Bünden, Museen,
einen botan. Garten und eine Gesellschaft für Wissen-
schaft, Kunst und Litteratur sowie eine für Ackerbau.
Die wichtigsten Industrieanlagen sind Fabriken von
Strumpfwaren, Tuchen, chem. Produkten, Weinessig,
Topfwaren, Posamenten sowie Zuckerrafsinerien und
Brauereien. O. liegt an dem von jeher wichtigen
Punkte, wo die Loire der Seine am nächsten kommt
und sich dann nach Westen wendet. Es bildet dadurch
nicht nur einen wichtigen Knotenpunkt der Eisen-
bahnen, sondern auch der Wasserstraßen, wo die
Waren von Nantes herauf und die Produkte des
Innern (Steinkoblen, Eisenwaren, Salz, Wolle, Ge-
treide, Obst, Wein, Branntwein, Farbekrüutcr
u.s.w.) herabkommen. Vei O.ist die Loire durch lange
Dämme eingeengt, um das Fahrwasser zu vertiefen.
aber damals Cenabum (Genabum); es war durch
die Versammlungen der Druiden ein religiöser Mittel-
punkt der gallischen Kelten. Hier brach 52 v. Chr.
der große Aufstand gegen Cäsar los. Kaiser Aure-
lian gab der Stadt den Beinamen ()iviw8 ^ureiiani,
woraus O. entstanden ist. Unter Chlodwig wurde in
O. das erste nationale Konzil abgehalten, unter
Chlodomir wurde es Mittelpunkt eines ueuen mero-
wing. Teilreichs. Unter den letzten Karolingern
gehörte O. schon zum Zausbesitz der Kapetiuger.
1309 wurde hier eine Universität gegründet. Unter
den Valois wurde O. die Hauptstadt der fast selb-
ständigen Seitenlinie der Herzöge von O. Es bildete
einen Damm gegen die siegreichen Engländer und
war 1428 das beste Vollwerk der Franzosen, wäre
aber doch erobert worden, wenn Ieanne d'Arc (s.d.)
nicht im Mai 1429 die Stadt entsetzt hätte. - In
den Hugenottcnkriegen war O. ein Stützpunkt der
Reformierten; das Edikt von O. (1561) gewährte
ihnen Religionsfreiheit. 1563 wurde O. von Franz
von Guise belagert, der dabei ermordet wurde.
Im Sept. 1792 wurden auch in O. Greuel der Jako-
biner gegen die Gefangenen begangen.
Als die Franzosen während des Deutsch-Fran-
zösischen Krieges von 1870 und 1871 ansingen, eine
neue Feldarmee an der mittlern Loire zu bilden,
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