Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

659
Orthophosphorsäure - Ortler
Art sein: entweder stehen zwei oder mehrere Kno-
chen in einer abnormen Gelenkverbindung, oder
ein einzelner Knochen hat eine von der Regelmäßig-
keit abweichende Form erhalten. Oft findet man
jedoch auch beide Arten vereinigt. Die erste Klasse
umfaßt die bleibenden Abweichungen der Gelenke,
welche teils durch unmittelbare Gelenkkrankheiten,
insbesondere akute und chronische Gelenkentzün-
dungen, Rheumatismus und Gicht, teils mittelbar
durch abnorme Zusammenziehung der die Knochen
verbindenden Muskeln oder Bänder entstehen kön-
nen. Sie finden sich am häufigsten an der Wirbel-
säule, besonders als winklige Knickung (Kyphose)
und Seitwärtskrümmung (Skoliose oder hohe Schul-
ter, s. Schiefwerdeu und Wirbelsäule), außerdem
am Hals als sog. schiefer Hals (caput odstipuin),
an den Hand- und Fußgelenken, besonders oft als
Klumpfuß (s. d.). In der zweiten Klasse der Ver-
krümmungen sind diejenigen Formveründerungen
der Knochen lelbjt enthalten, bei denen nicht, wie
bei Brüchen, Knochenfraß u. s. w., eine Trennung
ihres organischen Zusammenhangs stattfindet, son-
dern infolge von entzündlichen und erweichenden
Prozessen (s. Englische Krankheit, Osteomalacie
und Knochenkramheiten) ihre natürliche Fähig-
keit und Starrheit verloren geht und unter dem
Einflüsse des Muskelzugs und der Körperbe-
lastung mannigfache Biegungen, Verkrümmungen
und Knickungen eintreten. Die Knochen sind diesen
um so mehr ausgesetzt, je länger und dünner sie
sind, am meisten also die langen Röhrenknochen der
Extremitäten. Die Verkrümmungen sind entweder
angeborene oder erworbene. Die Nrsachen der letz-
tern sind sehr verschieden. Besonders oft sind ört-
liche Krankheitsprozesse der betreffenden Knochen
oder Gelenke schuld, z. B. Entzündung, Vereiterung,
Verwachsungen. Von allgemeinern Ursachen sind
am häufigsteu, besonders bei Wirbelsäulenverkrüm-
mungen, allgemeine Muskelschwäche, fehlerhafte
Innervation der Muskeln, falfche Körperhaltung
(wodurch gewisse Muskeln schwach und unausge-
bildet bleiben), zu früher und zu anhaltender Ge-
brauch (zu langes Sitzen kleiner Kinder) u. a. m.
Bei den orthopädischen Behandlungen ist
gewöhnlich das nächste Ziel, eine allgemeine Ver-
besserung der Gesundheit zu bewirken, weil ohne
diese eine dauernde Besserung des örtlichen Übels
nicht hervorgebracht werden kann; dies geschieht
durch eine zweckmäßige Diät, passende Nahrung,
Aufenthalt in gesunden Gegenden, Bewegung in
freier Luft und eine im Verhältnis zu den Körper-
kräften stehende Beschäftigung. Besonders groß ist
der Nutzen der Gymnastik, namentlich der aktiven
(des Turnens), insbesondere der Freiübungen; in
vielen Füllen leistet auch die sog. Schwedische Heil-
gymnaW Vortreffliches (f. Heilgymnastik). Neben
diesen Mitteln finden auch eigentlich medizinische,
wie Bäder, Einreibungen, Pflaster u. s. w., Anwen-
dung. Mechanisch wirken Manipulationen, Massage
^s. d.), Bandagen, Apparate und Maschinen der
mannigfaltigsten Art, welche ein allmähliches Zurück-
führen der Abweichungen zur Regelmäßigkeit durch
Zug, Druck oder Stützung bezwecken. Unter den
operativen Mitteln sind die wichtigsten die Sehnen-
durchschneidung <s. Tenotomie), die gewaltsame
Streckung in der Chloroformnarkose, die Ausschnei-
dung von Narben und die Resektion der erkrankten
Gelcnkenden. Der gesamte Apparat von Heilmitteln
und die dazu nötigen Gehilfen, Lokalitäten, Bade-
und andern Vorrichtungen sind ^o vielfältig, daß
eine glückliche Heilung solcher Gebrechen fast nur in
chirurg. Kliniken und in größern orthopädischen
Instituten ausführbar ist, deren es in und außer
Deutschland jetzt viele giebt. Neben ihnen machen
sick" neuerdings die heilgymnastischen oder me-
dico-mechanischen Institute um die Heilung
orthopädischer Gebrechen verdient.
Die Geschichte der wissenschaftlichen O. beginnt
erst in der Mitte des 18. Jahrh, mit dem Franzofen
Andry, der in seinem Werke "OrtKopLäik" (2 Bde.,
Par. 1741) die erste zusammenfassende Darstellung
der O. gab. Nachher waren es Sheldrake, Jörg,
Delpech, Dupuytren, Scarpa, Dieffenbach, Gusrin,
Stromeyer, Schreber, Schildbach u. a., welche wesent-
lichen Einfluß auf den Entwicklungsgang der O.
ausübten. Große Verdienste um die Ö. erwarb sich
schließlich Gustav Zander in Stockholm durch seine
Methode der Maschinengymnastik, bei welcher die
Hand des Orthopäden durch zahlreiche, sehr sinn-
reich erdachte Maschinen und Apparate ersetzt wird.
Litteratur. Schildbach, Die Skoliose. Anlei-
tung zur Beurteilung und Behandlung der Rück-
gratsverkrümmungen (Lpz. 1872); Landerer, Me-
chanotherapie. Ein Handbuch der O., Gymnastik
und Massage (ebd. 1894); Hofsa, Lehrbuch der
orthopädischen Chirurgie (2. Aufl., Stuttg. 1894);
Namdohr, Die Heilgymnastik (Lpz. 1893).
Orthophosphorsäure, die dreibasische Phos-
phorsäure, ^?04 ls. Phosphorsäure).
Orthophthälsäure, s. Phthalsäure.
Orthopinakotd, s. Pinakoid.
Orthopnöe (grch.), höchster Grad der Atemnot,
besonders bei Asthma.
Orthopoden, Grad füßler, die drei Fa-
milien der Dinosaurier (s. d.): Cerutopsiden, Orni-
thopoden (s. d.) und Stegosaurier genannt.
Orthoprismen, s. Prisma.
Ortkoptsra., s. Geradflügler.
Orthopteren (frz.), f. Flugtechnik.
Ortkosia., Gattung der Eulenschmetterlinge,
s. Mordraupen. ^(s. Silikate).
Orthosilikate, die Salze der Orthokieselsäurc
Orthostichen (grch., " Gerädzeilen"), s. Vlatt-
Orthotoluidtn, s. Toluidin. sstellung.
Ortkotömus, s. Schneidervogel.
Orthros (grch., d. i. das Morgengrauen), in
der griech. Mythologie Name des Hundes, welcher
die Rinderherden des Geryon (s. d.) bewacht. -
In dergriechischenKircheistO. Name des Früh-
gottesdienstes. Seine Feier enthält das Eucho-
logion (s. d.).
Ortigueira (spr.-geira) oder Santa Marta
de O., Bezirks- und Hafenstadt im N. der span.
Provinz Coruna in Galicien, auf einer stachen Land-
zunge in der Bucht (Ria) de Sta. Marta beim Kap
Ortegal, hat (1887) 17 563 E.
Ortler, der höchste Gipfel des österr. Alpen-
gebietes, erhebt sich im nördlichsten Teil der nach ihm
benannten Gebirgsgruppe der Rhätischen Alpen
(s. Ostalpen) zwischen den tirol. Thälern Sulden
und Trafoi unweit der ital. Grenze in Gestalt einer
steilen, dreiseitigen, von einem gewölbten Schnee-
plateau gekrönten Dolomitpyramide zu 3902 m
Höhe. Nach N. senkt sich von derselben der Obere
Ortlerserner, nach O. hängen der Marltferner
und der End-der-Welt-Ferner herunter, im SO.
breitet sich der Suldenferner aus, der durch das
Hochjoch (3536 m) mit der am Südfuß gelagerten
42*