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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte)

flüchten. Während der Kaiser dort verweilte, Wien der Volksherrschaft überliefert war, die Ungarn selbständig ihren Weg gingen, zu Prag in den Pfingsttagen ein slaw. Aufstand ausbrach, den Fürst Windisch-Grätz mit blutiger Strenge unterdrückte, ermannte sich die österr. Staatsmacht zuerst wieder in Italien. Dort hatte Radetzky die Armee Karl Alberts von Sardinien, der gleichzeitig mit dem Ausbruch der Revolution den Krieg an Österreich erklärt hatte, nach einer Reihe blutiger Gefechte, namentlich bei Custozza (25. Juli), entscheidend geschlagen. Ein Waffenstillstand, der die Lombardei wieder unterwarf, war die Frucht dieses Sieges. Indes zeigte sich in Wien die Regierung ohnmächtiger als bisher. Das nach Metternichs Flucht gebildete Ministerium (Ficquelmont, Pillersdorf, Sommaruga) ward 8. Juli zum Rücktritt gezwungen und durch ein neues (Wessenberg, Dobblhoff, Bach, Kraus, Latour) ersetzt. In Ungarn aber bereitete sich ein Bürgerkrieg vor. Die Kroaten unter ihrem Banus Jellachich lehnten sich gegen das magyar. Übergewicht auf, und der Erzherzog Palatinus Stephan verließ 24. Sept. das Land. Kaiser Ferdinand, der endlich im August nach Wien zurückgekehrt war, übertrug das Oberkommando Jellachich und erklärte den ungar. Landtag für aufgelöst. Derselbe blieb aber versammelt und wählte Kossuth zum Präsidenten des Landesverteidigungsausschusses. Zugleich brach aus Anlaß des Abmarsches kaiserl. Truppen nach Ungarn auch in Wien 6. Okt. 1848 ein Aufstand aus, dem der Kriegsminister Latour zum Opfer fiel, und der erst 31. Okt. mit der Erstürmung der Stadt durch die Armee des Fürsten Windisch-Grätz ein Ende fand. Es wurden nun die strengsten militär. Maßregeln ergriffen, eine Anzahl Führer und Teilnehmer, unter ihnen Messenhauser und Robert Blum, kriegsgerichtlich verurteilt und erschossen. Schon vor dem Beginn des Kampfes hatte ein kaiserl. Manifest den konstituierenden Reichstag, der 22. Juli zusammengetreten war, vertagt und ihn auf den 15. Nov. nach Kremsier berufen. Jetzt folgte 22. Nov. die Bildung eines neuen Ministeriums, in das Fürst Felix Schwarzenberg, Graf Stadion, Bach, Bruck, Kraus, später Schmerling eintraten. Am 2. Dez. dankte der Kaiser zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph I. ab. Im Winter überschritt der zum Oberbefehlshaber ernannte Fürst Windisch-Grätz die Leitha und begann den Krieg in Ungarn (s. d., Geschichte). Während sich hier der heftige Kampf des Sommers vorbereitete, erfolgten auf andern Stellen entscheidende Ereignisse. Der Waffenstillstand mit Sardinien war im März 1849 gekündigt worden. Radetzky eröffnete demnach seinen ebenso kurzen wie erfolgreichen Feldzug und schlug (20. bis 24. März) die sardin. Armee entscheidend bei Mortara und Novara. Mit der Übergabe Venedigs war im August die Unterwerfung Italiens vollendet. In Kremsier vermochte sich indes die Regierung mit dem Reichstag nicht zu verständigen. Sie löste ihn auf und oktroyierte 4. März 1849 eine Verfassung, in der die Einheit und Unteilbarkeit der Monarchie festgesetzt war. In Ungarn hatte indes der Reichstag (14. April) die Entsetzung des Hauses Habsburg-Lothringen ausgesprochen und Kossuth zum Gouverneur-Präsidenten der neuen Republik ernannt. Ende April drangen die Magyaren wieder in Pest ein, und bald darauf erlag ihnen auch Ofen. Der Krieg nahm erst für Österreich eine bessere Wendung, als Rußland militär. Hilfe sandte. Am 13. Aug. 1849 streckte der Diktator Görgey vor den Russen bei Világos die Waffen. Mit der Kapitulation des ungar. Generals Klapka in Komorn (September) war die Unterwerfung Ungarns vollendet.

In eine eigentümliche Verwicklung waren während dieser Zeit die Verhältnisse zu Deutschland geraten. In der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt neigte sich die Mehrheit bei den Verfassungsberatungen einem Bundesstaat unter preuß. Leitung und einer weitern Union mit Österreich zu. (S. Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte.) Aber das österr. Kabinett verwahrte sich (im Febr. 1849) entschieden gegen die Unterordnung des Kaisers unter eine jede von einem andern deutschen Fürsten gehandhabte Centralgewalt, und 5. April 1849 wurden die österr. Abgeordneten aus Frankfurt zurückberufen. Die Weigerung des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, die ihm angebotene deutsche Kaiserkrone anzunehmen, und die geschickte Taktik des Erzherzog-Reichsverwesers Johann, der die österr. Interessen unermüdet und mit Erfolg vertrat, kamen der österr. Politik zu Hilfe. Den preuß. Bestrebungen, einen engern Bundesstaat, die sog. Union, zu gründen, stellte Österreich die Zusammenkunft des Kaisers mit den Königen von Bayern und Württemberg in Bregenz Okt. 1850 entgegen und zwang durch seinen Einmarsch in Kurhessen Preußen, zwischen Krieg und Unterwerfung zu wählen. Preußen fügte sich den österr. Forderungen zu Olmütz (29. Nov.). Die Union wurde aufgegeben, die Exekution in Hessen und Holstein bewilligt, die Revision der Bundesverfassung auf die Dresdener Konferenzen (s. d.) verschoben. Die Zwecke, die Schwarzenbergs Politik verfolgte, wurden freilich zu Dresden nicht erreicht. Die Bundesverfassung blieb unverändert. Auch den beabsichtigten Eintritt Gesamtösterreichs in den Deutschen Bund gab man allmählich auf.

Im Jan. 1851 trat Schmerling, im Mai Bruck aus dem Ministerium, womit die freisinnigen Elemente beseitigt waren. Am 1. Jan. 1852 erschien eine Kundmachung, wonach die Verfassung von 1849 und die Grundrechte aufgehoben, die Schwurgerichte beseitigt, die Gemeindeverfassung umgestaltet und an die Stelle der Provinzialstände beratende Ausschüsse aus dem Erbadel und den Grundbesitzern gesetzt wurden. Daran schloß sich die kirchliche Reaktion. Am 5. April 1852 starb plötzlich Fürst Schwarzenberg. Sein Nachfolger war Graf Buol-Schauenstein, in dessen Politik das Bemühen, mit Preußen wieder in ein freundlicheres Verhältnis zu kommen, hervortrat. Die Unterhandlungen Brucks führten zu dem 19. Febr. 1853 abgeschlossenen Handelsvertrag, der einen großen Teil der bisherigen Schranken zwischen Deutschland und Österreich wegräumte.

In dem russ.-türk. Konflikt, der zum Orientkrieg (s. d.) führte, nahm Österreich zuerst eine vermittelnde Stellung zwischen Rußland und den Westmächten ein. Nach dem Ausbruch des Krieges vereinigte es sich mit Preußen zu einem gegenseitigen Garantievertrag (20. April 1854), dem 24. Juli auch der Deutsche Bund beitrat. Nunmehr richtete Österreich an Rußland die Forderung, die Donaufürstentümer zu räumen, und als infolgedessen die Russen abzogen, traten österr. Truppen bis zum Frieden an ihre Stelle. Nach dem Falle von Sewastopol nahm Österreich die Vermittelung wieder auf, die dann 30. März 1856 zum Abschluß des Pariser Friedens führte.