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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ostfriesland; Ostgermanen; Ostghat; Ostgoten

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Ostfriesland - Ostgoten

Ostfriesland, früher ein deutsches Fürstentum, das ursprünglich die niederländ. Provinz Groningen (außer der Stadt Groningen), das nördl. Oldenburg und das hannov. Friesland umfaßte und später auf letzteres beschränkt wurde, welches, im nordwestl. Winkel Deutschlands gelegen, jetzt mit dem Harlingerland (s. d.) den preuß. Reg.-Bez. Aurich bildet. Die Ostfriesen haben aus der Urzeit und dem Mittelalter viel Germanisches festgehalten, namentlich die Selbständigkeit des Gemeindelebens. Die fries. Sprache ist jetzt fast ganz durch das Plattdeutsche verdrängt worden. (S. Friesen, Friesland, Friesische Sprache und Litteratur.) Hauptzweige des Erwerbs sind Ackerbau, Viehzucht, Seefahrt. Der Ackerbau unterscheidet sich vorteilhaft von dem in Oldenburg, Meppen und weiterhin; blühend ist er in der Marsch, wo viele Bauernhöfe Edelsitzen gleichen. Die Viehzucht wird durch den Graswuchs, dieser durch das feuchte Klima gefördert. Hauptprodukte sind Pferde, schweres Rindvieh, fette Gänse, Getreide, Raps, Torf. Bedeutend ist der Fischfang; der Heringsfang bei Schottland ist in Verfall, die Industrie ist gering. - Das Land war im Mittelalter in viele Herrschaften geteilt; in kirchlicher Hinsicht gehörte der Nordosten zum Erzbistum Bremen, der Südwesten zum Bistum Münster. Der Häuptling Edzard Cirksena von Greetsiel vereinigte mit Zustimmung des Volks um 1430 den größten Teil von O. Sein Bruder wurde 1454 Reichsgraf, ein anderer Nachfolger, Enno Ludwig, 1654 Reichsfürst. Unter Edzard I., d. Gr. (1491-1528), der die Häuptlinge von Harlingerland und von Jever zur Unterwerfung zwang, ein neues Landrecht schuf und die Primogenitur einführte, wurde 1527-28 O. der Reformation gewonnen. Im Nov. 1622 besetzte Ernst von Mansfeld O. Heftige Zwistigkeiten zwischen dem Fürstenhause und den Ständen zerrütteten im 17. Jahrh. das Land, so daß die Nachbarstaaten, darunter auch Brandenburg seit Kurfürst Friedrich Wilhelm, in O. Besatzungen hielten. Der letzte Cirksena, Karl Edzard, starb 25. Mai 1744, und infolge seiner 1694 vom Kaiser bestätigten Anwartschaft ergriff Preußen von Emden aus Besitz, bevor Hannover und andere Prätendenten den Tod jenes Fürsten erfuhren. O. fiel 1807 an Holland, Juli 1810 an Frankreich; 29. Mai 1815 von Preußen an Hannover abgetreten, kam es 1866 an ersteres zurück.

Vgl. Arends, O. und Jever (3 Bde., Emden 1820); Friccius, Hinterlassene Schriften (hg. von Beitzke, Berl. 1867); Friedländer, Ostfries. Urkundenbuch (2 Bde, Emden 1874-81); De Vries und Focken, O., Land und Volk (ebd. 1881); Herquet, Miscellen zur Geschichte O.s (Norden 1883); Houtrouw, O. Eine geschichtlich-ortskundliche Wanderung gegen Ende der Fürstenzeit (2 Bde., Aurich 1889-93).

Ostgermanen, die östl. Gruppe german. Völker (s. Germanen) von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 1. Jahrh. n. Chr. Das Hauptvolk der O. waren die ursprünglich an der Weichselmündung angesessenen Goten (s. d.); ihnen eng verwandt waren die Rugier, Vandalen, Silingen; etwas ferner standen die im heutigen Posen und bis zur Weichsel heimischen Burgunden (s. Burgund). Auch die Gepiden gehörten dieser Gruppe an. Im 1. Jahrh. n. Chr. zerfielen die O. in zwei größere Stämme. Während das herrschende Volk im Norden die Goten waren, bestand in Schlesien der Stammesbund der Lugier (s. d.). Die besondere Einheit der ostgerman. Stämme gegenüber den Westgermanen (s. d.) ist sicher erwiesen durch Sprache, Verfassung und Bewaffnung. Noch unerledigt ist die Frage, ob die O. mit den Nordgermanen (Skandinaviern) zusammen eine besondere Gruppe bilden. Es läßt sich historisch wahrscheinlich machen, daß die Besiedelung Skandinaviens in vorchristl. Zeit durch die O. der Ostseeküste erfolgt ist. So findet sich im besondern der Name Goten auch im südl. Schweden als Stammesname wieder. Beide Gruppen werden darum auch vielfach als O. bezeichnet. Über die Sprache der O. s. Germanische Sprachen.

Ostghat, Gebirge in Vorderindien, s. Ghat.

Ostgoten, ein Teil des großen german. Stammes der Goten (s. d.), der im 4. Jahrh. n. Chr. ein großes Reich im N. des Schwarzen Meers gegründet hatte, aber 375 dem Ansturm der Hunnen erlag und nun deren Hoheit unterstand. Von dieser Zeit an bis auf Theodorich d. Gr. hatten die O. bald keinen König, bald zwei oder drei nebeneinander. 451 leisteten sie Attila Heeresfolge nach Gallien. Nach Attilas Tode vernichteten sie mit den Gepiden das Hunnenreich und wohnten in Ungarn, von wo sie häufig in das röm. Gebiet einfielen, während andererseits auch zahlreiche Haufen in röm. Dienst traten. In diesen Verhältnissen ist Theodorich (s. d.) d. Gr. erwachsen, sein Vater Theodemir und dessen Bruder Widemir standen an der Spitze der O. und beschlossen, bessere Sitze zu suchen. 473 zog Widemirs Schar gegen Westen und vereinigte sich in Gallien mit den Westgoten, Theodemir über die Donau in das heutige Serbien. Nach Theodemirs Tode wählte das Volk Theodorich zum Könige; aber große Scharen der O. standen unter andern Führern, die bald im Dienst Roms, bald gegen Rom miteinander kämpften; indes 488 gelang es Theodorich, als er gegen den über Italien herrschenden Odoaker zog, den größern Teil unter seiner Führung zu vereinigen. Auch Rugier und Haufen anderer verwandter german. Stämme schlossen sich an. Nach der Ermordung Odoakers (493) dehnte Theodorich sein Reich über ganz Italien, die Inseln, die Alpenländer und Dalmatien, seit 510 auch über die Provence und das Westgotische Reich in Spanien aus. Nach seinem Tode (526) verfiel das Reich unter Amalasuntha (s. d.) und deren Mitregenten Theodat (s. d.); auch die Tapferkeit des Königs Vitiges (536-539) und des großen Totila (541-552) Kraft und Klugheit vermochten nicht in dem seit 535 mit dem Byzantinischen Reich ausgebrochenen Krieg, der von Justinians tüchtigsten Feldherren, Belisar und Narses, geführt wurde, trotz vieler einzelnen Erfolge die Oberhand zu gewinnen. Der Übermacht der Byzantiner, die von zahlreichen german. Hilfstruppen unterstützt wurden, unterlagen die O. unter ihrem Könige Tejas schließlich in dem Heldenkampf am Vesuv (552), wo ein großer Teil des Volks seinen Untergang fand; fränk. Scharen, die angeblich den Goten zu Hilfe kamen, verheerten das Land und wurden 554 von Narses bei Capua besiegt; darauf ergab sich auch die letzte got. Festung Campsa. Die Reste der O. verschmolzen mit der ital. Bevölkerung.

An dem Schwarzen Meere waren von alters her O. sitzen geblieben, die sog. Krimgoten oder Tetraxitischen Goten, in der Krim und am Kuban, wo sie zu Justinians Zeit mit den uturgurischen Hunnen verbündet erscheinen. Reste von ihnen scheinen sich in den Gebirgen der Krim bis in das 16. Jahrh. erhalten zu haben.

Vgl. Manso, Geschichte des Ostgotischen Reichs in Italien (Bresl. 1824); Dahn, Die Könige der Ger-^[folgende Seite]