Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

407

Preußen (Geschichte 1640-1815)

Regierung der brandenb. Lande. Durch Abschluß eines Waffenstillstandes mit den Schweden sowie durch Sammlung eines kleinen, aber zuverlässigen Heers machte er sich zunächst wieder zum Herrn von Brandenburg; ein Bündnis mit Holland sollte ihm den Besitz seiner westl. Gebiete sicher stellen. Im Westfälischen Frieden mußte er Vorpommern nebst Stettin den Schweden überlassen, erhielt aber als Ersatz die Bistümer Halberstadt, Minden und Cammin als weltliche Fürstentümer sowie die Anwartschaft auf das Erzstift Magdeburg. In der Reichspolitik schloß sich Friedrich Wilhelm anfangs dem Kaiser an; dann aber erfolgte Herbst 1653 unter dem Einfluß des Grafen Waldeck ein entschiedener Frontwechsel: Brandenburg trat an die Spitze der deutschen Opposition wider Österreich, es wurden Verhandlungen aufgenommen, um unter brandenb. Hegemonie einen deutschen Fürstenbund ins Leben zu rufen. Der Schwedisch-Polnisch-Brandenburgisch-Dänische Krieg von 1655 bis 1660 (s. d.) hinderte die Ausführung der Waldeckschen Entwürfe. Friedrich Wilhelm trat nach einigem Widerstreben auf die Seite der Schweden und erhielt dann von Karl Gustav von Schweden im Vertrag von Labiau (Nov. 1656) die Souveränität über das Herzogtum P. Nachdem der Schwedenkönig P. verlassen und der Kurfürst sich den Polen genähert hatte, wurde auch von poln. Seite im Vertrage von Wehlau (Sept. 1657) die Souveränität P.s anerkannt. Friedrich Wilhelm schloß mit Polen, dann auch mit dem Kaiser, eine Allianz, erhielt von Polen die Herrschaften Lauenburg und Bütow und führte 1658 und 1659 erst in Holstein und Jütland, darauf in Pommern einen erfolgreichen Krieg wider die Schweden. Doch brachte ihm der Friede von Oliva, infolge der Intervention Frankreichs, nicht den erhofften Erwerb von Vorpommern; dagegen ward die Souveränität P.s nun allseitig anerkannt. Die folgenden Friedensjahre verwandte Friedrich Wilhelm auf den innern Ausbau des Staates. Durch den Vertrag von Cleve (1666) wurde der Jülichsche Erbfolgestreit (s. Jülich) endgültig beigelegt. Als Ludwig XIV. 1672 Holland mit Krieg überzog, erhob Friedrich Wilhelm die Waffen gegen Frankreich, um die holländ. Protestanten zu retten und die deutschen Westgrenzen zu schützen. 1673 zum Frieden von Vossem genötigt, nahm er, nachdem der Reichskrieg gegen Frankreich erklärt war, von neuem am Kampfe teil, wurde jedoch durch einen Einfall der Schweden in die Marken zur Heimkehr gezwungen. Er siegte bei Fehrbellin (s. d., 28. Juni 1675), besetzte ganz Pommern, eroberte die Festungen Stettin und Stralsund sowie die Insel Rügen und verjagte dann in dem Winterfeldzug von 1678 zu 1679 die Schweden auch aus Ostpreußen; trotzdem mußte er in dem Vertrag von St. Germain (1679) wieder auf Pommern Verzicht leisten; nur einen kleinen, den Schweden 1653 überlassenen Landstrich rechts der Oder erhielt Friedrich Wilhelm zurück. Da die Holländer und der Kaiser ihn treulos im Stich gelassen hatten, und Kaiser Leopold die erledigten schles. Herzogtümer Liegnitz, Brieg und Wohlau ihm vorenthielt, schloß der Kurfürst 1679 und 1681 Defensivbündnisse mit Frankreich. 1680 fiel das Herzogtum Magdeburg an Brandenburg, 1687 wurde auch Burg erworben. Die Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) sowie die Übergriffe Ludwigs XIV. im Westen Deutschlands bewirkten, daß sich der Kurfürst von neuem an den Kaiser und Wilhelm von Oranien anschloß. Durch den Vertrag vom März 1686 erhielt er den Kreis Schwiebus als Ersatz für die schles. Fürstentümer.

Friedrich Wilhelm ist der eigentliche Begründer des brandenb.-preuß. Staates. Nicht bloß, daß er Brandenburg nach außen hin selbständig machte und seine Grenzen erweiterte, auch im Innern legte er den Grund für die kraftvolle Entwicklung des Staatswesens. Er unterdrückte in den Marken und in Cleve, vor allem aber in Ostpreußen die Opposition der Landstände, beseitigte die ständische Mitregierung und begründete die absolute Macht der Krone. Er durchbrach die Sonderrechte der Provinzen und begann diese zu einem einheitlichen Staatsganzen zu verschmelzen. In dem Geheimen Rat ward eine Centralverwaltungsbehörde für alle Landschaften gebildet; Amtskammern und Kommissariate wurden in den meisten Provinzen eingeführt. Wie das preuß. Beamtentum, so verdankt auch die preuß. Armee ihre erste Entwicklung dem Kurfürsten. Er schuf in Brandenburg das erste stehende Heer, das bis 1688 auf 28000 Mann vermehrt wurde. Zugleich ward eine brandenb. Marine begründet; an der afrik. Küste wurden Kolonien angelegt. Auch die mustergültige altpreuß. Finanzverwaltung geht in ihren Anfängen auf den Großen Kurfürsten zurück. Die Finanzverwaltung ging allmählich von den ständischen Regierungen an die landesherrlichen Kommissariate und Amtskammern über. Gewerbe und Landwirtschaft, insbesondere aber Handel und Verkehr zu heben, blieb des Kurfürsten stete Sorge. Durch Aufnahme der aus Frankreich vertriebenen Hugenotten (1685) machte er Brandenburg zur ersten Schutzmacht des Protestantismus.

Kurfürst Friedrich III. (1688-1713) blieb zunächst, solange der Oberpräsident von Danckelmann an der Spitze der Regierung stand, der Politik des Vaters treu; er unterstützte Wilhelm III. von Oranien bei der Vertreibung Jakobs II. von England und kämpfte an der Seite Englands, Hollands und Österreichs gegen die franz. Vorherrschaft. Den Schwiebuser Kreis, zu dessen Rückgabe Friedrich als Kurprinz sich verpflichtet hatte, trat er 1695 an den Kaiser ab. Die Reformen der innern Verwaltung wurden durch Danckelmann im Sinne des Großen Kurfürsten weiter geführt; 1689 erhielt die gesamte Domänen- und Zollverwaltung eine Centralbehörde in der Geheimen Hofkammer. Aber nach dem Sturz Danckelmanns (1697) gewannen in Berlin die Günstlinge des Kurfürsten die Oberhand; ein verschwenderisches Hofleben zerrüttete die Finanzen des Staates. Friedrich strebte ungeduldig nach der Erwerbung der Königswürde (s. Friedrich I.); sie ward auf das souveräne Herzogtum P. begründet, und 18. Jan. 1701 setzte sich der Kurfürst in Königsberg die Krone aufs Haupt. In den Schlachten gegen Frankreich erwarben die preuß. Truppen neue Lorbeeren; doch trug Friedrich trotz der günstigen europ. Lage weder im Spanischen Erbfolgekriege noch im Nordischen Kriege irgend einen thatsächlichen Gewinn davon. Unglücklicher noch als des Königs auswärtige Politik war die Staatsverwaltung im Innern, seitdem der Oberkammerherr Kolbe von Wartenberg (s. d.) den entscheidenden Einfluß an sich gerissen hatte. Dem jungen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, seinen Freunden Kameke, Ilgen, Printzen gelang es endlich, die drei Grafen Wartenberg, Wittgenstein, Wartensleben zu stürzen und die drohende finanzielle Katastrophe