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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reblaus

gen droht, hat die Aufmerksamkeit der Regierungen auf sich gezogen. Österreich hat zuerst (1875) ein Gesetz erlassen zum Schutze gegen die Verbreitung der R. Dazu die spätern Gesetze vom 27. Juni 1885, 3. Okt. 1891 und 28. März 1892. Darauf erschien im Deutschen Reiche das Gesetz vom 6. März 1875, Maßregeln gegen die Reblauskrankheit betreffend. Im Deutschen Reich wurde zunächst durch die Verordnung vom 11. Febr. 1873 die Einfuhr von Reben zum Verpflanzen bis auf weiteres überhaupt verboten. Auf Anregung des Naturforschers V. Fatio berief die Schweiz im Sommer 1877 einen Reblauskongreß nach Lausanne, der, von fast allen weinbautreibenden Staaten Europas beschickt, die Grundzüge einer internationalen Konvention zur Ergreifung gemeinsamer Maßregeln gegen das Übel feststellte. Auch haben die Schweiz, Frankreich und Spanien Gesetze zum Schutz gegen die R. erlassen. Endlich wurde 17. Sept. 1878 zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Spanien, Frankreich, Italien, Belgien, Portugal und der Schweiz eine internationale Reblauskonvention abgeschlossen, der nachträglich Luxemburg, Rumänien und Serbien beitraten. Der Vertrag wurde auf einer internationalen Konferenz in Bern 3. Okt. bis 3. Nov. 1881 revidiert; das Ergebnis war eine neue Übereinkunft vom 3. Nov. 1881, dazu die Deklaration vom 15. April 1889. In der Konvention haben sich die teilnehmenden Staaten zu Maßnahmen wegen Milderung der R. in ihren Gebieten und zu gegenseitigen Mitteilungen verbunden. Ausgerissene Weinstöcke und trocknes Rebholz sind vorbehaltlich besonderer Erlaubnis für die Grenzbezirke von der Einfuhr aus einem Staate in den andern ausgeschlossen. Es sind Bestimmungen getroffen über Genehmigung der Einführung von Rebpflänzlingen, Schnittlingen und Rebholz, und deren Desinfektion. Zum freien Verkehr sind zugelassen Wein, Trauben, Trester, Traubenkerne, abgeschnittene Blumen, Erzeugnisse des Gemüsebaues, Samen und Früchte jeder Art. Doch sind Bestimmungen über deren Verpackung und über Ausstellung von Erklärungen des Absenders und deren Beglaubigung getroffen. Die Verordnung vom 7. April 1887 hat Bestimmung über die Kontrollen getroffen, welche bei Einfuhr bewurzelter Gewächse aus solchen Staaten anzuwenden sind, welche der Reblauskonvention nicht beigetreten sind. Auf dieser Übereinkunft fußt das deutsche Reichsgesetz vom 3. Juli 1883, die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit betreffend. Die Rebpflanzungen unterliegen der Beaufsichtigung und Untersuchung durch die von den Landesregierungen ermächtigten Organe, welche zum Zweck der Nachforschung nach der R. die Entwurzelung einer Anzahl von Rebstöcken bewirken dürfen. Im Fall der Ermittelung des Insekts liegt den Landesregierungen ob, entsprechende Verfügungen zu treffen; sie können die Entfernung von Reben u. s. w. und andern Pflanzen von dem Grundstück verfügen, dessen Benutzung zur Kultur von Reben für einen Zeitraum verbieten, Vernichtung der Rebpflanzungen und Desinfektion des Bodens anordnen. Die Kosten der Vernichtung und Unschädlichmachung des Bodens trifft den betreffenden Bundesstaat. Die Versendung bewurzelter Reben in die gebildeten Bezirke, in denen Weinbau zum Zweck von Weinbereitung betrieben wird, ist, vorbehaltlich zulässiger Dispensation, verboten, innerhalb der einzelnen Weinbaubezirke auf die dort üblichen Rebensorten beschränkt; dem Reichskanzler steht die Aufsicht und die Befugnis zu, Anordnungen zu treffen. Der Eigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks, auf welchem die R. auftritt oder Anzeichen für das Vorhandensein der R. auftreten, hat der Ortspolizeibehörde Anzeige zu machen. Unterläßt er das infolge einer Verschuldung, so verliert er den Anspruch auf Entschädigung, welche sonst in Höhe des Wertes der vernichteten und beschädigten Reben nach den von den Bundesstaaten zu treffenden Bestimmungen zu leisten ist.

Wissenschaft und Erfahrung haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ein wirksames Vertilgungsmittel aufzufinden; die franz. Regierung hat einen Preis von 300000 Frs. dafür ausgeschrieben, die Académie des sciences eine besondere Kommission ad hoc gebildet; bis jetzt hatte kein Mittel durchschlagenden Erfolg. Einigermaßen bewährt haben sich: 1) das Unterwassersetzen der Weingärten, von Faucon angegeben, aber nur in seltenen Fällen anwendbar; 2) insektentötende Stoffe, besonders Schwefelkohlenstoff und Schwefelkohlenstoffkalium (Sulfocarbonate de potassium, sog. Dumassches Mittel); 3) Kräftigung der Weinpflanzungen durch konzentrierte Düngemittel. Am besten hat sich die einmalige Verwendung von 20 bis 24 g pro Quadratmeter Schwefelkohlenstoff im Herbst und die mehrmalige im Frühjahr in Zwischenräumen von 2 bis 3 Wochen neben starker Düngung bewährt. Man bohrt auf den Quadratmeter vier Stück 60 cm tiefe Löcher, schüttet in jedes derselben 5-6 g Schwefelkohlenstoff und stampft die Löcher fest mit Erde zu. Der sehr flüchtige Schwefelkohlenstoff durchdringt das ganze Erdreich und tötet alle R., die von den Gasen erreicht werden. Der Wein wird zwar dadurch auch etwas geschädigt, erholt sich jedoch bald wieder, besonders wenn der Boden gedüngt ist. Bei der großen Verbreitung, die die R. in Frankreich und andern Ländern mit wärmerm Klima gefunden hat, hat man diese Behandlung nicht mehr durchführen können und amerik. Rebsorten angepflanzt, die zwar auch von der R. befallen, aber besonders in tiefgründigem Boden nicht von derselben geschädigt werden. Als besonders widerstandsfähig haben sich erwiesen die Sorten: Vitis riparia, Vitis riparia sauvage und Vitis Solonis, auf welche die europ. Lokalsorten veredelt werden müssen, und York Madeira, Jaquez, Othello u. a., deren Trauben in wärmern Weinbaugebieten reifen und gekeltert werden können.

Die einzige Möglichkeit, unveredelte europ. Weinsorten in den südlichern Weinbaugebieten mit Sicherheit auf Erfolg weiter kultivieren und neue Anpflanzungen machen zu können, bietet der aus sog. Flugsand bestehende Boden. Derselbe verhindert das Eindringen der R. und die Verbreitung derselben auf die Weinwurzeln, weil sich die feinen Sandkörner fest an Stamm und Wurzeln der Weinstöcke legen und die Bildung von kleinen Erdspalten und Haarröhrchen nicht stattfinden kann. In Frankreich und im südl. Ungarn sind bereits große, früher unbebaute Sandflächen mit Reben bepflanzt worden, die günstige Resultate ergeben.

Die größten Verwüstungen hat die R. in Frankreich angerichtet. Dort waren bis Ende 1877 von der R. total zerstört 288608 ha Weinberge, angegriffen 365353 ha mit einem Ertragsausfall von 164949568 Frs. Ende 1890 waren von der gesamten 2485829 ha betragenden Weinbaufläche