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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reichsbank (Deutsche)

tauscht und 4./5. Juni 1875 weitere 20000 Reichsbankanteile zu je 3000 M. zum Kurse von 130 Proz. aufgelegt, so daß das Grundkapital der R. 120 Mill. M. in 40000 volleinbezahlten Anteilen zu 3000 M. beträgt. Der preuß. Staat erhielt seinen Einschuß von 1906800 Thlrn. und die Hälfte des Reservefonds zurück und außerdem aus den Mitteln der R. eine Entschädigung von 15 Mill. M. Die Grundstücke der Preußischen Bank wurden von der R. für 12751012,85 M. übernommen. Die Anteile der R. lauten auf Namen und sind unteilbar. Sie werden mit Angabe der Eigentümer nach Namen, Stand und Wohnort in die Stammbücher der R. eingetragen. Die Übertragung der Anteile kann durch Indossament (s. d.) erfolgen. Die R. ist lediglich auf Privatkapital ohne Einschuß seitens des Reichs gegründet. Sie ist aber keine Erwerbsgesellschaft, insbesondere keine Aktiengesellschaft, sondern eine öffentliche Anstalt des Reichs mit der Eigenschaft einer jurist. Person (Bankgesetz, §. 12). Sie ist daher, obwohl sie im übrigen als Kaufmann gilt und ihre Rechtsverhältnisse den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts und des Handelsgesetzbuches unterliegen, den für Aktiengesellschaften erlassenen Gesetzesvorschriften nicht unterworfen. Auch ist sie von der Eintragung in das Handelsregister befreit (Bankgesetz, §. 66).

Die R. hat ihren Hauptsitz (Abbildung s. Tafel: Bankgebäude Ⅰ, Fig. 1) in Berlin und steht unter Aufsicht und Leitung des Reichs. Die Leitung wird vom Reichskanzler und unter diesem vom Reichsbankdirektorium ausgeübt, welches die verwaltende und ausführende sowie die die R. nach außen vertretende Behörde ist und aus einem Präsidenten (1895: Wirkl. Geheimrat Dr. Koch), einem Vicepräsidenten und 6 Mitgliedern besteht. Die Beamten der Bank haben die Rechte und Pflichten von Reichsbeamten. Die Aufsicht wird von einem Bankkuratorium geführt, aus dem Reichskanzler und 4 Mitgliedern bestehend. Die Anteilseigner üben ihre Rechte teils durch die Generalversammlung, teils durch einen Centralausschuß aus, der aus 15 Mitgliedern und der gleichen Zahl von Stellvertretern besteht und 3 ständige Deputierte nebst 3 Stellvertretern zu wählen hat, denen etwa die Rechte eines Aufsichtsrates (s. d.) zustehen.

Die R. hat die Ausgabe, den Geldumlauf im gesamten Reichsgebiet zu regeln, die Zahlungsausgleichungen zu erleichtern und für die Nutzbarmachung verfügbaren Kapitals zu sorgen. Sie ist berechtigt, allerorten im Reichsgebiete Zweiganstalten zu errichten; der Bundesrat kann die Errichtung für bestimmte Plätze anordnen. Auf Grund solcher Anordnung giebt es in jeder Provinz Preußens und in jedem größern Bundesstaate sowie im Reichslande eine Reichsbankhauptstelle (zusammen 17) in der Hauptstadt oder an dem wichtigsten Handelsplatze. Diese Hauptstellen stehen unter Aufsicht eines besondern Bankkommissarius und werden von einem Vorstand geleitet, der mindestens aus 2 Mitgliedern bestehen muß. Auch sind an diesen Orten besondere Bezirksausschüsse aus der Zahl der Anteilseigner zur Kontrolle gebildet. Außer den Hauptstellen giebt es selbständige Reichsbankstellen (Ende 1894: 47), welche vom Reichskanzler errichtet werden und unmittelbar unter dem Reichsbankdirektorium stehen, sowie Reichsbankunteranstalten, die vom Reichsbankdirektorium errichtet werden und von einer Reichsbankhauptstelle oder Reichsbankstelle abhängig sind. Diese Unteranstalten zerfallen in eine Reichsbankkommandite (zu Insterburg) mit etwas erweiterten Geschäftsbefugnissen, in Reichsbanknebenstellen (Ende 1894: 179, darunter 165 mit und 14 ohne Kasseneinrichtung), gewöhnlich von einem Beamten verwaltet, und in Reichsbankwarendepots (Ende 1894: 23), welche ohne Kasseneinrichtung sind und nur Lombardgeschäfte betreiben.

Die R. hat gegenüber den übrigen Notenbanken (s. d. und Privatnotenbanken) des Deutschen Reichs hinsichtlich ihres Geschäftskreises gewisse Vorrechte; sie darf namentlich verzinsliche und unverzinsliche Depositen annehmen (die Annahme verzinslicher Gelder ist aber seit 1879 eingestellt), das Anweisungs-, Giro- und Inkassogeschäft betreiben und Wertgegenstände in Verwahrung und Verwaltung nehmen (s. Depot und Giroverkehr). Sie hat das Recht, nach Bedürfnis ihres Verkehrs Banknoten (s. d.) auszugeben (sie lauten auf 100, 500 und 1000 M.). Sie ist verpflichtet, für den Betrag ihrer im Umlauf befindlichen Noten jederzeit mindestens ein Dritteil in kursfähigem deutschem Gelde, Reichskassenscheinen oder in Gold in Barren oder ausländischen Münzen, das Pfund fein zu 1392 M. gerechnet, und den Rest in diskontierten Wechseln (s. Diskont) als Deckung bereit zu halten. Sie muß ihre Noten bei der Hauptkasse in Berlin sofort auf Präsentation, bei ihren Zweiganstalten nur soweit es deren Barbestände und Geldbedürfnisse gestatten, bar einlösen. Übersteigt der Betrag der nicht bar gedeckten Noten die Summe von 293400000 M. (ursprünglich 250 Mill. M., jetzt erweitert durch den Wegfall von Banken, deren steuerfreies Notenkontingent der R. zuwächst, s. Privatnotenbanken), so ist vom Überschuß eine Steuer von jährlich 5 Proz. an die Reichskasse zu entrichten. Die R. ist verpflichtet, Barrengold zum festen Satze von 1392 M. für das Pfund fein gegen ihre Noten umzutauschen. Sie ist frei von staatlichen Einkommen- und Gewerbesteuern und hat gegenüber ihren Lombardschuldnern besondere Vorrechte. Andererseits ist sie verpflichtet, unentgeltlich für Rechnung des Reichs Zahlungen anzunehmen und bis zur Höhe des Reichsguthabens zu leisten.

Die Verteilung des Reingewinns der R. erfolgt seit 1. Jan. 1891 in der Weise, daß die Anteilseigentümer zuerst eine ordentliche Dividende von 3½ (früher 4½) Proz. des Grundkapitals erhalten, von dem Mehrbetrage sodann 20 Proz. dem Reservefonds zugeschrieben werden, solange er nicht den vierten Teil des Grundkapitals erreicht hat (was derzeit schon der Fall ist), und der Rest zur Hälfte an die Anteilseigner, zur Hälfte an das Reich fällt. Übersteigt die Gesamtdividende der erstern aber 6 (früher 8) Proz., so erhalten sie von dem Überschuß nur ein Viertel, das Reich drei Viertel. Die ordentliche Dividende von 3½ Proz. wird den Anteilseignern in zwei Raten schon vor dem Schluß des Geschäftsjahrs ausbezahlt, auf welcher Einrichtung der Börsengebrauch basiert, daß die Reichsbankanteile an den deutschen Börsen mit 3½ Proz. Zinsen in zwei Terminen (1. Jan. und 1. Juli) gehandelt werden, während bei den übrigen Bankaktien 4 Proz. Börsenzinsen, das ganze Geschäftsjahr durchlaufend, in Berechnung kommen.

Die Gesamtumsätze der R. betrugen 1876: 36685 Mill., 1894: 110784 Mill. M. Der Giroverkehr (s. d.) allein ist von 16711 Mill. im J. 1876 auf 84450 Mill. M. im J. 1894 gewachsen. Von den