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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reisen

so sind seitdem die großen Messen im Niedergange. Die Wertschätzung der R. für Herstellung der Gesundheit ist in raschestem Wachstum begriffen.

Entdeckungsreisen, d. h. R., die in der Absicht unternommen werden, um noch unbekannte Länder aufzufinden und ungenügend bekannte genauer kennen zu lernen, sind oft zu gleicher Zeit kaufmännische und wissenschaftliche R. Im frühesten Altertum konnten der Natur der Sache nach wissenschaftliche R. nicht wohl vorkommen, während zu Entdeckungsfahrten im Interesse des Handels, z. B. bei den Phöniziern, Karthagern und Griechen, vielfach Veranlassung vorlag. Bekannte Beispiele sind die Seereisen des Hanno, des Pytheas von Massilia und Nearchs sowie die Landreisen eines röm. Ritters von Italien nach der Bernsteinküste, der Agenten des Macedoniers Maës Titianos durch Hochasien nach China. Wissenschaftliche R. kann man die vieler griech. Philosophen, Geschichtschreiber u. a. nennen, weil zur Erweiterung des Gesichtskreises und der Kenntnisse unternommen. Als Frucht einer solchen Reise ist ein großer Teil der Geschichtsbücher des Herodot zu betrachten. Aristoteles benutzte die Feldzüge seines großen Schülers Alexander, um im fernen Osten Erkundigungen einziehen und Beobachtungen sammeln zu lassen. Ganz ähnlich blieben die Verhältnisse unter den Römern. Man reiste, um sich zu bilden und zu belehren, nicht mit dem Zwecke, ein Land wissenschaftlich zu erforschen und die Resultate dieser Forschung seinen Zeitgenossen in einer Beschreibung mitzuteilen. Eine eigentliche Reisebeschreibung für Landreisen findet sich auch unter den noch erhaltenen Litteraturwerken der Römer nicht. Die noch vorhandenen Itinerarien (s. Itinerarium) können nicht dazu gerechnet werden. Für Seefahrer bestimmt war der um Christi Geburt geschriebene "Stadiasmos", eine Rundfahrt um das Mittelländische Meer.

Die Abgeschlossenheit des Mittelalters ließ nur wenig Reisewerke hervortreten. Dahin gehören die zur Zeit des Königs Alfred unternommenen Expeditionen Othars und Wulfstans und die Berichte über die Unternehmungen der Skandinavier nach den Färöer, Island, Grönland und Vinland (Neuschottland). Diese Entdeckungen haben die Erdkunde nur um die Kenntnis Islands und Grönlands bereichert, während die Kunde jener Fahrten nach der Neuen Welt das altnord. Sprachgebiet nicht überschritt. Dagegen hat die arab. und jüd. Litteratur des Mittelalters eine nicht unbedeutende Reiselitteratur aufzuweisen. Die jährlichen Pilgerfahrten führten Mohammedaner von allen Weltgegenden zusammen. Mohammed. Fürsten rüsteten selbst Expeditionen zur Lösung naturhistor. Fragen aus, so Harun Al-Raschid nach Jemen zur Erforschung des Ursprungs und der Natur des grauen Ambra. Die Reisewerke der Araber Massudi, Ibn Foslan, Ibn Batuta und Leo Africanus sind wichtige Quellen für die Kunde der mittelalterlichen Verhältnisse zum Teil selbst noch gegenwärtig schwer zugänglicher Länder. Von Bedeutung für die Kenntnis Ostasiens sind die R. buddhistischer Priester, wie z. B. des Fahien und besonders des Hiwen-tsang. Die erste Kenntnis Mittelasiens verschafften uns die Sendungen kirchlicher Botschafter an die Nachfolger Dschingis-Chans; 1240 erreichte die erste päpstl. Gesandtschaft unter Piano di Carpine die Residenz des mongol. Herrschers. Die Handelsbegünstigungen seitens der Mongolen riefen im 14. Jahrh. einen geordneten Überlandverkehr bis nach Peking ins Leben, über dessen Weg Balducci Pegoletti, Handelsreisender eines Florentiner Hauses, berichtet (1376). Dem Handelsgeiste der Venetianer verdanken wir vor allem die R. Marco Polos, während die R. der Gebrüder Zeno wie die des Mandeville auf Erfindungen beruhen. Das spätere christl. Mittelalter hat eine Anzahl Berichte über das besonders seit den Kreuzzügen von Pilgern häufig besuchte Heilige Land aufzuweisen (vgl. Tobler, Bibliographia geographica Palaestinensis, Lpz. 1867; Röhricht und Meißner, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Berl. 1880; Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Gotha 1889).

Am Ausgange des Mittelalters trifft man die Periode der größten Entdeckungsreisen, das "Zeitalter der Entdeckungen", eines Columbus und Vasco da Gama. Die Seereisen bekommen erst Bedeutung nach der Erfindung des Kompasses, der den Beginn der atlantischen Reiseepoche bezeichnet. Zuerst ermutigte Prinz Heinrich der Seefahrer seine Kapitäne westwärts und südwärts in das unbekannte Weltmeer hineinzufahren. Vasco da Gama und Columbus wurden auf diesen Fahrten herangebildet. Alle diese R. wurden zum Ländererwerb und zur Ausbreitung des Christentums unternommen. Nachdem von Columbus, Cortez, Pizzaro Neu-Spanien, durch Magalhães’ erste Weltreise (1519-22) die Philippinen entdeckt und in span. Gewalt gebracht waren und Spanier und Portugiesen sich durch die Bulle Alexanders VI., die die Demarkationslinie bestimmte, sich in die bekannten Länder und besonders in die Gewürzinseln geteilt hatten, blieb den im 16. Jahrh. noch zu schwachen Engländern und Holländern nur der Versuch, um den Norden Europas oder Amerikas nach Kathai (China) und den Gewürzinseln zu suchen. Sebastian Cabot machte im engl. Auftrage zuerst den Versuch, die nordwestl. Durchfahrt zu finden; er drang um 1497 bis zum 67.° nördl. Br. vor. Unter seiner Leitung begannen die Engländer 1553 auch die nordöstl. Durchfahrt zu suchen, wobei Richard Chancellor die Dwinamündung erreichte und die ersten Seehandelsverbindungen mit dem nördl. Rußland anknüpfte. Der erste, der es wagte, die span. Weltmacht in den Kolonien anzugreifen, war der kühne Seefahrer Francis Drake, der nach mehrern Beutezügen nach Westindien und Brasilien 1577-80 einen erfolgreichen Kaperzug um die Erde machte. Ihm folgte als dritter Erdumsegler Cavendish (1586-88). Die vierte Weltreise wurde von dem Holländer Oliver van Noort 1598-1601 ausgeführt. 1576 beginnen die Nordwestfahrten Frobishers, 1585 die von John Davis, während 1580 Pet und Jackman ins Karische Meer vordringen. Im Anfang des 17. Jahrh. besuchten schon viele engl. und holländ. Handelsgeschwader die Philippinen und andere span. Besitzungen, wo sie teilweise unter harten Kämpfen Handel trieben und Beute machten; erwähnenswert sind die Seefahrer Jacques Mehn, Cornelius Houtman, van Neck, van Warwick aus Holland und die Engländer Lancaster und Michelbourne. Hudson begann 1610 die Reise in die nach ihm benannte Bucht; Baffin segelte 1615 in die nach ihm benannte Bai. Am 29. Jan. 1616 wurde zum erstenmale das Kap Hoorn umsegelt, vom Holländer Schouten. Den R. zur nordwestl. Durchfahrt schließen sich die Nordpolexpeditionen (s. d.) an, der Erschließung der Südsee die R. nach den Südpolarländern (s. d.).