Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Rouen'
mit schönem Turm; St. Godard (16. Jahrh.) mit Glasmalereien; St. Patrice, berühmt durch seine Fenster, deren eines von Cousin; St.
Romain; nahe der Seine St. Vincent und in der westl. Vorstadt die roman. Kirche St. Gervais (umgebaut 1872–74); sie gehörte zu einer
Priorei, in der Wilhelm der Eroberer 1087 starb. Sonstige interessante Gebäude sind: der herrliche, für das Parlament der Normandie vom
Anfang des 15. bis Ende des 16. Jahrh. im Spitzbogenstil erbaute Justizpalast (s. Tafel:
Französische Kunst II, Fig. 2) mit dem 49 m langen, 16 m breiten, säulenlosen
Saal «des Procureurs» oder «des Pas Perdus» und dem durch reiche Holzskulptur merkwürdigen Assisensaal; das Hôtel des Sociétés
Savantes mit Industrie- und Handelsmuseum; das Museum (Gemälde, Kupferstiche und Werke der Keramik) mit Bibliothek (132000
Bände, davon 400 Inkunabeln, sowie 3800 Handschriften) und Münzkabinett, vor dem Gebäude Standbilder der normann. Maler Mich.
Anguier und Nic. Poussin, daneben der Jardin Solférino; der Tour Jeanne d'Arc war der Donjon des von Philipp August erbauten festen
Schlosses, der eigentliche Turm mit ihrem Gefängnis wurde 1809 zerstört; das Hôtel de Ville (Stadthaus), ein altes Abteigebäude neben
St. Ouen, davor ein Reiterstandbild Napoleons I., von Vital Dubray (1865), darin Standbilder von Corneille, von Cortot, Jeanne d'Arc auf
dem Scheiterhaufen, von Fouchères u. a., dahinter ein roman. Turm aus dem 11. Jahrh., genannt Chambre aux Clercs, und ein
öffentlicher Garten mit mehrern Statuen; das Lyceum Corneille; an der Place de la Pucelle das Hôtel du Bourgthéroulde (15. Jahrh.) beim
Altmarkt (Vieux Marché), auf dem die Jungfrau von Orleans verbrannt wurde, daneben deren Standbild; das Haus von Corneille; das
große und schöne Haus Sauton-Goujon in Renaissancestil und reich geschmückt; der 1892 erneuerte Tour de la Grosse Horloge, ein
Belfried aus dem 14. Jahrh.; der Turm St. Andrä; am obern Ende der Rue de la République ein Klostergebäude mit dem
Altertumsmuseum und naturhistor. Sammlung, dabei die große Fontäne Ste. Marie, von Falguière und Deperthes, mit einer Statue der
Stadt; am Quai das Zollhaus, die Börse, der Cours Boieldieu mit dem Standbild dieses Komponisten (von Dantan jun.) und das Denkmal
Pouyer-Quertiers (1894, von Guilloux); 3 km oberhalb, auf einer Höhe (150 m) über der Seine liegt Blosseville-Bonsecours mit schöner
Kirche (1840–42) im Spitzbogenstil des 13. Jahrh., daneben das Monument von Jeanne d'Arc.
R. besitzt ein Lyceum, ein Großes und Kleines Seminar, eine theol. Fakultät, Vorbereitungsschule für Medizin und Pharmacie und für die
schönen Wissenschaften, eine Akademie für Zeichnen und Malerei, Lehrerseminar, höhere Handels- und Industrieschule, Ackerbau-,
Gartenbau- und landwirtschaftliche Schulen, Gesangschulen (Orphéon), Taubstummeninstitut, Krankenhäuser, Spitäler,
Irrenversorgungshaus für Frauen, Kinderbewahranstalten; mehrere Theater, eine Akademie der Wissenschaften, Malerakademie und
viele wissenschaftliche, künstlerische und gemeinnützige Vereine; Tramways nach Petit-Quevilly, dem botan. Garten, Sotteville,
Quatremares und Personendampfer nach Bonsecours und 18 km abwärts nach La Bouille mit vielen Landhäusern.
Industrie und Handel sind sehr bedeutend. R. hatte im 16. und 17. Jahrh. eine blühende
Fayenceindustrie (s. Tafel: Fayence, Fig. 4),
↔ deren Werke
sich durch feine braunrote, gelbe und grüne Bemalung auszeichnen und sich auf alle Formarten der Töpferei erstrecken. (Vgl. Pottier,
Histoire de la fayence de R., Rouen 1870.) Die hier erzeugten
Rouenneries sind feine Baumwollwaren (auch Taschentücher), die aus gefärbten oder doch zum
Teil aus gefärbten Garnen gewebt sind; es giebt an 160 Baumwoll- und Leinenspinnereien, außerdem Tuchfabriken, Schiffbau,
Fabrikation von Maschinen für Schiffe und Gaskraft, chem. Produkte, Mehl, Spiritus, Seifen, Apfelzucker und Gelees, Kram- und
Seidenwaren, Raffinerie von Salz und Zucker, Lohgerberei, Färberei; Spedition und Wassertransport nach Le Havre, Paris, Reims sowie
nach Bordeaux, Spanien, Portugal, Algerien und Marseille. Der Fluß bildet einen belebten, infolge der Versandung nur 3 m tiefen Hafen
mit Docks, einem Holz- und einem Petroleumbassin, der der Schiffstonnenzahl nach der fünfte, dem Wert der Güter nach der sechste
Hafen Frankreichs ist. Im Hafen verkehren 50–60 Proz. engl. Schiffe; die Einfuhr (das Sechsfache der Ausfuhr) besteht besonders in
Getreide, Reis, Hülsenfrüchten, Wein, Kupfer, Hölzer, Holzstoff, Blei, Schwefel, Zink, amerik. Rohpetroleum, Kohlen, engl.
Industrieartikeln, Woll- und Baumwollgeweben, Garnen, Leder und Fellen, chem. Produkten und Maschinen, außerdem kommt ein
bedeutender Teil der Einfuhr durch den regen Flußverkehr über Le Havre. Ausgeführt werden Zucker, Möbel, Holzarbeiten, chem.
Produkte, Kautschukwaren, Felle und Hadern; den Geldverkehr vermitteln außer der Filiale der Bank von Frankreich besonders die
Agenturen des Crédit Lyonnais und der Société Générale.
R. war in der spätern Kaiserzeit Hauptstadt von Gallia Lugdunensis im Lande der Velocasses, wurde
260 Bischofssitz, 841 von den Normannen erobert, 896 durch Rolf (spätern Herzog Robert I.) befestigt und Residenz, gehörte seit 1066
zu England, kam 1204 an Philipp II. August und wurde 1419 durch Heinrich V. von England erobert. 1431 wurde hier Jeanne d'Arc
verbrannt. R. kam 1449 wieder an Frankreich, wurde in den Hugenottenkriegen mehrmals belagert, litt 1633 durch einen furchtbaren
Orkan, verlor 1685 nach der Aufhebung des Edikts von Nantes drei Viertel seiner 80000 Bewohner durch Auswanderung und wurde 1774
von einer großen Feuersbrunst heimgesucht. Im Deutsch-Französischen Kriege wurde R. 6. Dez. 1870 (unter Manteuffel) besetzt und
blieb es bis Juli 1871. In R. sind geboren: Pierre und Thomas Corneille, Jouvenet, Géricault, Chéruel und Boieldieu. – Vgl. Chéruel,
Histoire de R. pendant l'époque communale 1150–1382 (2 Bde., Rouen 1843–44); Périaux,
Histoire de la ville de R. (ebd. 1874).