Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

37

Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815

schlossen war, Preußens Kriegserklärung gegen Frankreich und 17. März der berühmte Aufruf des Königs "An mein Volk". Das preuß. Heer war bis auf 33000 Mann herabgekommen. Durch Scharnhorsts System seit 1810 (s. Krümper) war es aber möglich, schnell eine Reihe neuer (Reserve-) Bataillone aufzustellen. Dazu kamen die freiwilligen Jäger, gegen 10000, und die Landwehr (s. d.), letztere nach ihrer Vollendung 149 Bataillone, 113 Schwadronen, zusammen 120000 Mann. Doch waren diese Rüstungen beim Ausbruch des Krieges noch lange nicht beendigt. Nur etwa 50000 Mann waren schlagfertig, davon 25000 unter Blücher in Schlesien, 15000 unter Yorck in der Mark und 10000 Mann unter Bülow in der Mark und in Pommern. Am 18. März besetzte ein russ. Streifkorps unter Tettenborn Hamburg (s. d.). Ein franz. Korps von 3000 Mann unter Morand wurde 2. April bei Lüneburg von Dörnberg und Tschernytschew genötigt, die Waffen zu strecken. Die Blüchersche Armee, durch 15000 Russen unter Wintzingerode verstärkt, war Ende März in Sachsen eingerückt und hatte bei Dresden die Elbe überschritten, während Wittgenstein und Yorck mit 27000 Mann gegen Magdeburg operierten. Um das Vordringen in Sachsen zu hemmen, unternahm der Vicekönig aus Magdeburg einen Vorstoß in der Richtung auf Berlin, wurde jedoch durch das Treffen bei Möckern 5. April zur Umkehr gezwungen.

Unterdessen hatte Napoleon in Frankreich die großartigsten Rüstungen betrieben und ein Heer nach Deutschland geführt, das dem der Verbündeten an Zahl überlegen war. Ende April vereinigte er sich an der Saale mit dem Vicekönig, nun 120000 Mann stark, während die Verbündeten 90000 zur Stelle hatten. Den Oberbefehl hatte, nachdem Kutusow gestorben war, Wittgenstein erhalten. Trotz der Minderzahl beschlossen die Verbündeten den Angriff; aber die Schlacht bei Großgörschen unweit Lützen (s. d.), 2. Mai, hatte den Rückzug nach der Elbe zur Folge. Napoleon entsandte Davout zur Wiedereinnahme von Hamburg, die 31. Mai stattfand, und Ney gegen Berlin, während er selbst mit der Hauptmacht dem Feinde folgte. Schon 8. Mai war er wieder Herr der Elbe, und der König von Sachsen schloß sich wieder eng an ihn an. Als die Verbündeten hinter der Spree bei Bautzen Aufstellung nahmen, zog Napoleon Ney wieder an sich. Yorck, der ihm entgegengeschickt wurde, bestand zwar 19. Mai ein siegreiches Gefecht bei Königswartha, wurde aber, als Napoleon bei Bautzen 20. Mai angriff, zurückgezogen. Ney erschien am zweiten Tage der Schlacht von Bautzen (s. d.), 21. Mai, gerade zu rechter Zeit, um diese durch einen Angriff gegen den rechten Flügel zu entscheiden. Die Verbündeten zogen sich in guter Ordnung nach Schlesien zurück. Am 26. Mai überfiel Blücher bei Hainau die franz. Vorhut, worauf der weitere Rückzug ungestört bis hinter die Katzbach fortgesetzt werden konnte. Oudinot war von Bautzen aus gegen Berlin entsendet, aber 4. Juni bei Luckau geschlagen worden, an demselben Tage, wo die kriegführenden Mächte unter österr. Vermittelung den Waffenstillstand von Poischwitz schlossen. Anfangs nur bis zum 26. Juli bestimmt, wurde er später bis zum 16. Aug. verlängert. Die Freikorps, die im Rücken der Franzosen schwärmten, sollten bis zum 12. Juni über die Elbe zurückkehren. Lützow, der sich verspätete, wurde bei Kitzen (s. d.) 17. Juni verräterisch überfallen und seine Reiterei großenteils niedergemacht.

Ein Kongreß trat zu Prag zusammen, hatte jedoch keinen Erfolg. Schweden schloß sich der Allianz an, England verpflichtete sich in den zu Reichenbach (s. d.) abgeschlossenen Verträgen zu Subsidien, Österreich erklärte 12. Aug. Frankreich den Krieg, mit dem sich dagegen Dänemark verbündet hatte. Von beiden Seiten waren die umfassendsten Rüstungen geschehen. Die Verbündeten stellten drei Armeen aus: die Hauptarmee, 220000 Mann Österreicher, Russen (Wittgenstein) und Preußen (Garden und das 2. Korps, Kleist), unter Schwarzenberg in Böhmen; die Schlesische Armee, 99000 Mann, zwei russ. (Langeron, Sacken) und das preuß. 1. Korps (Yorck), unter Blücher in Schlesien, und die Nordarmee, 150000 Mann Schweden, Russen (Wintzingerode), Preußen (3.und 4. Korps, Bülow, Tauenzien), unter dem Kronprinzen von Schweden, Bernadotte (s. Karl XIV. Johann), bei Berlin; dieser untergeordnet das gegen Hamburg aufgestellte Korps von Wallmoden, 24000 Mann. Außerdem standen 24000 Österreicher den Bayern am Inn, 50000 Mann dem Vicekönig in Italien gegenüber. Im ganzen ist die Stärke der verbündeten Armee auf 493000 Mann mit 1450 Geschützen anzuschlagen. Napoleons Streitkräfte betrugen etwa 440000 Mann mit 1200 Geschützen: in Sachsen und Schlesien 336000 Mann; an der Niederelbe (Davout) 20000 Mann; an der Donau 25000 Mann; in Italien 45000 Mann. Der zu Drachenberg entworfene Kriegsplan der Verbündeten war: die Armee, gegen welche Napoleon sich wenden würde, sollte dem Kampfe ausweichen, während die beiden andern heranrücken und gegen Flanke und Verbindungen des Gegners operieren sollten.

Napoleon hatte die Elbe zur Basis, Dresden zum Hauptstützpunkte. Oudinot mit drei Armeekorps sollte gegen Berlin operieren, Davout von Hamburg und Girard von Magdeburg aus ihn unterstützen. Napoleon selbst marschierte nach Schlesien, wo Ney gegen Blücher stand, der nun vom Kaiser bis über die Katzbach zurückgedrängt wurde; als aber Napoleon auf die Meldung von dem Vorrücken der Großen Armee einen Teil des Heers nach Sachsen zurückführte und Macdonald zurückließ, griff Blücher 26. Aug. diesen an, schlug ihn entscheidend an der Katzbach (s. d.) und vertrieb die Trümmer seines Heers aus Schlesien. Oudinot war unterdessen zwar in die Mark eingedrungen, aber 23. Aug. bei Großbeeren (s. d.) durch Bülow geschlagen worden. Der Angriff der Hauptarmee der Verbündeten auf Dresden (s. d.) 26. Aug. schlug indessen fehl. Diese Armee erlitt am 27. dort eine Niederlage und wäre auf ihrem Rückzüge über das Gebirge vielleicht vernichtet worden, wenn Napoleon eine energische Verfolgung eingeleitet hätte. Die Nachricht vom Verlust bei Großbeeren hielt ihn indes zurück, und so geschah es, daß das einzige verfolgende Korps unter Vandamme bei Kulm (s. d.) 29. und 30. Aug. in der Fronte aufgehalten und, durch Kleist von Nollendorf her im Rücken angegriffen, aufgerieben werden konnte. Girard, der von Magdeburg Oudinot unterstützen sollte, war schon 27. Aug. in dem mörderischen Treffen bei Hagelberg durch Hirschfeld geschlagen worden (s. Belzig). Ein erneuter Versuch unter Ney auf Berlin wurde durch dessen Niederlage bei Dennewitz (s. d.) 6. Sept., besonders durch Bülow vereitelt. Nun trat eine längere Pause in den Operationen ein, während welcher die Verbündeten das Eintreffen der russ. Reservearmee erwarteten und Napoleon sich vergebens bemühte, entweder Blücher