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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rußland (Geschichte 1054-1613)

unter ihnen ein, wurde aber von seinem jüngsten Bruder Jaroslaw, Fürst von Nowgorod, verdrängt, worauf dieser als Großfürst 1019-54 in Kiew residierte. Er hatte mit Brüdern und Neffen Kriege zu führen, siegte über die Petschenegen, unterwarf einen Stamm der Esthen und ließ das erste Rechtsbuch, "Russkaja Prawda", sammeln.

Periode der Teilfürstentümer und der Mongolenherrschaft. Mit Jaroslaw schließt die Normannische Periode der russ. Geschichte, auch das Fürstenhaus war slawisch geworden. Die Teilung des Landes unter seine fünf Söhne veranlaßte die Schwächung und Zerrüttung desselben, wobei mehrere unabhängige Fürstentümer entstanden und die Hegemonie des Großfürsten von Kiew kaum noch dem Namen nach bestand. In dieser Zeit wurde Moskau 1147 gegründet und in Wladimir 1157 ein neues Großfürstentum errichtet. Damit hörte Kiew auf, die Hauptstadt R.s zu sein. Das Reich zerfiel in eine Menge zusammenhangsloser Landschaften. Diese Zersplitterung brachte R. unter das Joch der Mongolen (1224-1480). Der Sieg Dschingis-Chans an der Kalka 1223 unterwarf ihm das südliche R. Sein Enkel Batu gewann durch die Schlacht am Sit 1238 den Norden mit alleiniger Ausnahme Nowgorods, vor welchem die Mongolen umkehrten. Das entsetzlich verwüstete R. wurde nunmehr ein Bestandteil des Chanats von Kiptschak (s. d.) oder der Goldenen Horde. Die Fürsten unterlagen der Bestätigung des Chans, der ihr oberster Richter war und durch seine Steuereinnehmer einen drückenden Tribut erhob. Unter Alexander Newskij, dem Sieger über die Schweden an der Newa 1240 und über den Deutschen Orden auf dem Eise des Peipussees 1242, mußte sich auch das stolze Nowgorod 1260 unter das Joch der Mongolen oder Tataren beugen. Im folgenden Jahrhundert drangen auch die Litauer erobernd in R. vor: Volhynien (1319), Kiew, das ganze westliche R. ging an sie verloren.

Inzwischen bildete sich ein neuer Mittelpunkt R.s in Moskau. Der Gründer des Fürstentums Moskau aber war Daniel, der vierte Sohn Alexander Newskijs, der sein Gebiet durch Kolomna und Perejaslawl erweiterte. Ihm folgte sein Sohn Jurij Danilowitsch (1319-25). Dieser ließ im Kampfe um das Großfürstentum Susdal seinen Gegner Michael von Twer unter Einwilligung des Chans 1319 ermorden, wurde aber selbst von dessen Sohn Dmitrij erstochen. Sein Bruder Iwan I. Kalita (1328-40) legte den Grund zur Größe Moskaus. Der Chan Usbek sprach ihm Susdal und damit die großfürstl. Würde zu und übertrug ihm die Beitreibung des Tributs für die Horde aus ganz R. Hierdurch wurden alle andern Fürstentümer von Moskau abhängig, welches durch die Übersiedelung des Metropoliten Peter von Wladimir dorthin (1325) zugleich der geistliche Mittelpunkt R.s wurde. Auf Iwan I. folgten seine beiden Söhne Simeon Iwanowitsch Gordyj (1340-53) und Iwan II. Iwanowitsch (1353-59), auf letztern nach der Entthronung Dmitrijs sein Sohn Dmitrij IV. Iwanowitsch (1302-89). Dieser wagte zuerst eine Erhebung gegen die Tataren und errang auf dem Kulikowo Polje (s. d.) am Don 1380 einen rühmlichen Sieg. Bald darauf wurde jedoch Moskau erstürmt, und Dmitrij mußte die mongol. Oberherrschaft wieder anerkennen. Ihm folgte sein Sohn Wassilij II. Dmitrijewitsch (1389-1425). Unter diesem staatsklugen, zähen und vor keinem Mittel zurückschreckenden Fürsten hatte Moskaus Stellung eine solche Festigkeit erlangt, daß auch die Wirren unter der Regierung des schwachen Wassilij III. Wassiljewitsch (1425-62) sie nicht mehr zu erschüttern vermochten.

Die Vorherrschaft Moskaus. Mit Iwan III. Wassiljewitsch (1462-1505) begann eine neue Zeit für R. Fast alle Teilfürstentümer wurden mit Moskau vereinigt, der Freistaat Nowgorod 1471 unterworfen und nach einer Erhebung 1478 aller seiner Freiheiten beraubt. Das Joch der Tataren hörte auf, indem das Reich der Goldenen Horde durch den Chan der Krim zerstört wurde. Auch ein großer Teil des heutigen Kleinrußland wurde den Litauern wieder abgenommen (1492-1503), während zugleich das Chanat Kasan von Moskau abhängig wurde. Minder glücklich war Iwan im Kampfe gegen Livland. Der Landmeister Walter von Plettenberg schlug die Russen 1502 in einer blutigen Schlacht bei Pskow, erlangte aber, da die verbündeten Litauer ausblieben, nur einen kurzen Waffenstillstand, aus dem jedoch durch wiederholte Verlängerung ein fünfzigjähriger Friede wurde. Im Innern wurde der Großfürst unumschränkter Herr und nannte sich Selbstherrscher (Gossudar) von ganz R. Iwans Nachfolger schritten auf dem von ihm gewiesenen Wege weiter. Wassilij IV. Iwanowitsch (1505-33) unterwarf auch den zweiten russ. Freistaat Pskow (1510), vereinigte die letzten selbständigen Fürstentümer Rjasan (1521) und Nowgorod-Sjewerskij mit Moskau und entriß den Litauern Smolensk (1514). Doch wurde R. durch einen Einfall der Krimschen Tataren 1521 furchtbar verheert. Iwan IV. Wassiljewitsch (1533-84) vollendete die despotische Regierungsform. Schrecklich wütete er gegen den Adel, besonders während der Zeit der Opritschnina (s. d.; 1564-72). Er legte den Grund zu dem stehenden Heere der Strelzy (Strelitzen, s. d.), nahm 1547 den Titel Zar an, eroberte 1552 das Chanat Kasan, das sich unter seinem Vater von R. losgerissen hatte, 1554 das von Astrachan und erneuerte, um die Ostsee zu gewinnen, 1558 den Krieg gegen den livländ. Ordensstaat, der dadurch auseinander fiel. Da sich aber dessen einzelne Teile 1561 an Polen und Schweden anschlossen, mußte Iwan, der den vereinigten Gegnern nicht gewachsen war, im Frieden zu Sapolje 1582 auf Livland verzichten. 1571 fielen wieder die Tataren der Krim ins Land, verbrannten Moskau und schleppten 100000 Russen in die Sklaverei, wurden jedoch bei ihrer Wiederkehr im nächsten Jahre geschlagen. Am Ende der Regierung Iwans wurde Sibirien bis zum Irtysch von dem Kosakenhetman Jermak (s. d.) erobert. Iwan war unablässig bestrebt, Verbindungen mit Europa anzuknüpfen, er rief auswärtige Handwerker und Künstler nach R., legte die erste Buchdruckerei an und gründete den russ. Handelsbetrieb zur See durch einen Vertrag mit Elisabeth von England (1558), nachdem die Engländer den Seeweg nach Archangelsk gefunden hatten.

Sein Sohn Feodor I. (1584-98), der letzte Herrscher aus Ruriks Stamm, stand ganz unter dem Einfluß seines Schwagers Boris Godunow, welcher Feodors Bruder Dmitrij (Demetrius) ermorden ließ und nach dem Tode des kinderlosen Feodor zum Zaren gewählt wurde (1598-1605). Von den Bojaren gehaßt, wurde er durch einen Prätendenten, der sich für den angeblich seinen Mördern entkom-^[folgende Seite]