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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sankt Gallen-Gais - Sankt Georgen (in Baden)

1849-54 restauriert, mit hohem Turm, die reform. St. Magnus- und St. Leonhardskirche, Synagoge, die stattliche Kantonsschule mit der Stadtbibliothek (Bibliotheca Vadiana, besonders Handschriften aus der Reformationszeit) und den Sammlungen der ostschweiz. Geographisch-Kommerziellen Gesellschaft, das Museum mit naturhistor., histor. und den Sammlungen des Kunstvereins, das Industrie- und Gewerbemuseum, 2 neue Realschulen, das Theater, Bankgebäude, Waisenhaus, Bürgerspital, Kantonsspital und die kantonale Strafanstalt St. Jakob. Das geistige und gesellige Leben ist, dank den zahlreichen wissenschaftlichen, künstlerischen und gesellschaftlichen Vereinen, sehr rege. Mittelpunkt einer der gewerbfleißigsten Gegenden der Schweiz und Stapelplatz der St. Gallischen und Appenzellischen Stickerei- und Weißwarenindustrie, ist S. G. eine der wichtigsten Handels- und Industriestädte der Schweiz und seine Handelsverbindungen erstrecken sich über die ganze Erde. Die bemerkenswertesten Punkte der anmutigen subalpinen Umgebung sind die 189 m lange, 53 m hohe Eisenbahngitterbrücke über das tief eingeschnittene Thal der Sitter, 4 km südwestlich von S. G., und die Aussichtspunkte Rosenberg (745 m), Freudenberg (885 m) und Vögelisegg (962 m). Nach Gais führt über Teufen eine Straßenbahn (14 km).

Geschichte. Das jetzige Gebiet von S. G., zur Römerzeit größtenteils rhätisches, später alamann. Land, stand im spätern Mittelalter unter der Herrschaft verschiedener Dynastien, der Grafen von Werdenberg und Sargans, Rapperswil, Toggenburg u. s. w. und des Klosters S. G. Die Herrschaft des Stifts, dessen Äbte seit 1206 Reichsfürsten waren, erstreckte sich über die Stadt S. G., die sich seit dem 11. Jahrh. immer mehr vom Stift lostrennte, aber erst 1457 vollständig freikaufte, und das sog. Fürstenland, über Appenzell (s. d.), welches sich Anfang des 15. Jahrh. frei machte, und seit 1468 über die Grafschaft Toggenburg. Seit 1452 und 1454 waren Stift und Stadt S. G. zugewandte Orte der schweiz. Eidgenossenschaft; die übrigen Landschaften kamen während des 15. und 16. Jahrh. teils als gemeine Herrschaften, teils als Unterthanenländer einzelner Kantone an die Eidgenossenschaft. Die Reformation fand 1528 in der Stadt S. G., in Toggenburg und bei einigen Stiftskapitularien Eingang, worauf Abt und Mönche flohen. 1529 wurde das Stift durch die Schirmorte Zürich und Glarus förmlich aufgehoben. Die Toggenburger schufen sich eine selbständige demokratische Verfassung. 1532 aber wurde der Abt wieder eingesetzt und die kath. Religion wieder eingeführt, nur Toggenburg freie Religionsübung zugestanden. Die Auflehnungen der Gotteshausleute 1795 gegen die Herrschaft des Klosters wußte der Fürstabt Beda durch Nachgiebigkeit zu beseitigen; aber unter dessen Nachfolger brach der Aufstand aufs neue aus und endete 1798 mit der Aufhebung der Stiftsherrschaft. Aus dem Konglomerat der verschiedenen Landesteile, das 1798 beim Umsturz der alten Eidgenossenschaft den Kantonen Linth und Säntis der Helvetischen Republik zugeteilt wurde, schuf die Mediationsakte von 1803 unter Beseitigung der Herrschaftsansprüche des Stifts, das 1805 ganz aufgehoben wurde, den jetzigen Kanton S. G., als dessen Schöpfer der erste Landammann K. Müller-Friedberg bezeichnet werden muß. Sowohl die Verfassung von 1803 wie die nach dem Sturze der Mediation eingeführte Verfassung von 1814 waren streng repräsentativ mit beschränkter Stimm- und Wahlfähigkeit und übertrugen durch besondere Behörden für Reformierte und Katholiken die konfessionelle Trennung auch ins Staatsleben. Erst die Bewegung von 1830 verschaffte den demokratischen Neigungen des Volks freiern Spielraum. Die Verfassung vom 1. März 1831 führte Volkswahlen, Öffentlichkeit der Staatsverwaltung und Volksrechte (besonders Veto) ein, hielt aber an der konfessionellen Trennung fest. Infolgedessen ward der Kanton, seitdem der anfänglich liberale Staatsmann Baumgartner (s. d.) 1841 zur ultramontanen Partei übergetreten war, von heftigen Kämpfen erschüttert, bis endlich 1847 im Kriege gegen den Sonderbund S. G. durch den Sieg der Liberalen auf die Seite der Eidgenossenschaft trat, nachdem es vergeblich versucht hatte, den Sonderbund zu friedlicher Auflösung zu bewegen. Nun machte sich auch in S. G. der Wunsch nach einer Verfassungsrevision rege, der 1856 zur Errichtung einer gemeinsamen Kantonsschule und zu der revidierten Verfassung vom 17. Nov. 1861 führte, die das Unterrichtswesen von der konfessionellen Bevormundung befreite und 1875 durch Einführung des fakultativen Referendums modifiziert wurde. Die von jungdemokratischer Seite geforderte Erweiterung der Volksrechte wurde 1877 vom Volke verworfen. Bei den Abstimmungen über die Revision der eidgenössischen Verfassung 1872 und 1874 stand derKanton auf der Seite der Annehmenden. Die Einführung des Proportionalwahlverfahrens für den Kanton wurde 30. Jan. 1893 mit 21800 gegen 19941 Stimmen abgelehnt.

Litteratur. Ildefons von Arx, Geschichten des Kantons S. G. (3 Bde., St. Gallen 1810-13); Bernet, Beschreibung des Kantons S. G. (ebd. 1841); Henne am Rhyn, Geschichte des Kantons S. G. (ebd. 1863); Wartmann, Industrie und Handel des Kantons S. G. 1867-80 (ebd. 1884-87); G. J.^[Gallus Jakob] Baumgartner, Geschichte des Kantons S. G. (Bd. 1 u. 2, Würzb. 1870; Bd. 3, hg. von Alex. Baumgartner, Einsiedeln 1890); Hartmann, Versuch einer Geschichte der Stadt S. G. (St. Gallen 1818); Ehrenzeller, Jahrbücher der Stadt S. G. (2 Bde., ebd. 1824-32); Weidmann, Geschichte des ehemaligen Stiftes und der Landschaft S. G. (ebd. 1834); Näf, Chronik der Stadt und Landschaft S. G. (Zür. 1850-67); Wartmann, Urkundenbuch der Abtei S. G. (Bd. 1-4, ebd. 1863-93); Kambli, Das Armenwesen in der Stadt S. G. (Bas. 1895).

Sankt Gallen-Gais, schmalspurige Straßenbahn mit 3,3 km langen Zahnstangenstrecken, verbindet die Stadt St. Gallen in der Schweiz mit den industriereichen Orten Gais, Bühler und Teufen. (S. Schweizerische Eisenbahnen.)

Sankt-Georg, Ritter von, Beiname des engl. Prätendenten Jakob Eduard (s. d.).

Sankt Georgen. 1) S. G. im Schwarzwald, Stadt im bad. Kreis und Amtsbezirk Villingen, links an der Brigach, dem nördl. Quellfluß der Donau, in 864 m Höhe, an der Linie Offenburg-Singen der Bad. Staatsbahnen, hat (1890) 2608 E., darunter 241 Katholiken, Post, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, zwei Kirchen, Gewerbeschule, Wasserleitung; Fabrikation von Uhren und Uhrbestandteilen, Emailleschildern und -Tafeln, Maschinen, Werkzeugen, Strohhüten und wird als Sommerfrische besucht. Die Benediktinerabtei (11. Jahrh.) brannte nebst der Klosterkirche 1633 ab und wurde nicht wieder aufgebaut; die Benediktiner ließen sich