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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Seeigel

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Seeigel

Die Zehen, die Krallen tragen, sind sämtlich durch Schwimmhäute verbunden. Der Kopf ist meist rundlich. Die kurzen Kiefer sind mit kleinen scharfen Schneidezähnen, wenig vorragenden Eckzähnen und einförmigen Backzähnen mit spitzkegeligen oder lappigen Kronen bewaffnet. Die Nasenlöcher lassen sich durch eine Art von Klappen willkürlich schließen, und der Gehörgang ist gleichfalls durch eine Hautfalte wie mit einer Klappe beim Untertauchen verschließbar. Die mit einer Nickhaut versehenen, meist großen Augen haben einen ungemein klugen, menschenähnlichen Ausdruck. Besondere Einrichtungen der Blutcirkulationsorgane erleichtern das längere Verweilen unter Wasser und die Unterbrechung der Atmung. Hauptsächlich nähren sich die S. von Fischen, zum Teil auch von Weichtieren und Krebsen, können außer dem Wasser sich nur langsam und schwerfällig bewegen, schwimmen sehr schnell und geschickt, tauchen vortrefflich und gefallen sich, auf Felsen und Eisschollen Luft und Licht zu genießen. Untereinander leben sie in Geselligkeit und Einigkeit; nur die Männchen liefern sich zur Zeit der Fortpflanzung wütende Gefechte. Die Weibchen haben am Unterleibe vier Zitzen und werfen in der Regel ein Junges. Den armen arktischen Eingeborenen liefern die S. das wesentlichste Nahrungsmittel sowie Kleidung und Bedachung ihrer Wohnung. Den Europäern nützen sie durch ihre Häute (s. Robbenfelle), das Wollhaar der Jungen und durch den Thran (Seehundsthran).

Die Familie der eigentlichen S. umfaßt 13 Gattungen mit etwa 21 Arten, die in den arktischen und antarktischen Meeren ziemlich gleichmäßig verteilt sind. In allen Meeren der nördl. Halbkugel, von den deutschen Küsten bis Spitzbergen und weiter lebt der gemeine Seehund, die gemeine Robbe, oder das Meerkalb (Phoca vitulina L., s. Tafel: Robben und Seehunde, Fig. 1, Bd. 13, S. 900) häufig. Er wird höchstens 1,60 m lang, ist auf dem Rücken dunkel graulichgrün, unregelmäßig schwarz gefleckt und am Bauche gelblichweiß. In der Gefangenschaft halten nur einzelne Exemplare längere Zeit aus. In der Regel verweigern sie monatelang die Annahme der Nahrung und wenn sie sich schließlich dazu verstehen, so ist es gewöhnlich zu spät. Jährlich werden eine große Anzahl lebender S. zum Verkauf gebracht und mit 30‒60 M. bezahlt. Besonders wandernde Schausteller nehmen sie gern, denn sie sind abrichtbarer und zutraulicher gegen ihren Wärter als alle andern Tiere, vielleicht einige Affen ausgenommen. Sein Gehörsinn kann sogar von musikalischen Tönen angenehm berührt werden, was bei weiter keinem andern Säugetiere gefunden wird. Die größte unter den in den europ. Meeren vorkommenden Arten ist der graue Seehund oder die graue Robbe (Phoca Grypus Nilsson), wegen der Form der Backzähne wohl auch Kegelrobbe genannt, der an den Küsten Schottlands und Irlands lebt, gegen 4 m lang wird und stark und ungemein wild ist; lebhafter wie der gemeine Seehund hält er sich in der Gefangenschaft besser wie dieser und wird mit 100 M. und mehr bezahlt. Für die Grönländer ist der grönländische Seehund (Phoca Groenlandica Müller) oder die grönländische Robbe, auch Sattelrobbe genannt, von großer Wichtigkeit. Fleisch und Thran dieses 2 m langen Tiers machen einen Hauptteil der Nahrung dieses Volks aus, und die thranigen Reste dienen im langen Winter zur Unterhaltung der Feuerung und des Lichts, die Felle zu wasserdichten Kleidern, Zeltdecken und Überzügen der Kähne, die Sehnen zu Zwirn, die Gedärme zu Segeln und Fenstern, und die Knochen liefern allerlei nützliche Werkzeuge. Ein seltener Seehund des Mittelmeers ist die Mönchsrobbe (Leptonix monachus Wagn.), bis 4 m lang, von schwarzbrauner Farbe, mit weißen Flecken und Strichen gezeichnet. Sie ist gegenwärtig dem Aussterben nahe, während sie im Altertum nicht selten gewesen sein kann und Veranlassung zur Sage vom Meerweibchen gab. Die Blasenrobben (Cystophora) haben eine behaarte Nasenspitze, welche rüsselartig oder in Gestalt einer aufblasbaren Klappe entwickelt ist. Nicht selten in Grönland ist die Klappmütz- oder Mützenrobbe (Cystophora cristata Nilsson), deren Männchen sich durch den sonderbaren, einer Kapuze ähnlichen Hautlappen des Vorderkopfes auszeichnen. Die Rüsselrobbe (Cystophora proboscidea Nilsson), auch Seeelefant und Löwenrobbe genannt, die den Australocean der östl. und westl. Halbkugel von 35 bis 55° südl. Breite bewohnt, erreicht eine Länge von etwa 7 m und liefert eine erstaunliche Menge von Thran (bisweilen an 24 Ctr.), der sehr klar ist und hauptsächlich den sog. Südseethran darstellt.

In diese Unterordnung der Pinnipedia gehört auch das Walroß (Fig. 3), während die echten Robben (s. d., Otariidae) oder Ohrenrobben eine eigene Unterordnung, vielleicht sogar Ordnung bilden. Der gewöhnliche Sprachgebrauch wirft die Bezeichnung S. und Robben zusammen.

Seeigel (Echinoidea), eine Klasse der Stachelhäuter (s. d.) von kugeliger, herzförmiger oder plattscheibenförmiger Gestalt. Dieselbe wird dadurch verursacht, daß die Körperwandungen vollständig verkalken, wobei die diesen Schalenpanzer bildenden Kalktafeln zu meist unbeweglich untereinander verbundenen Plattenreihen vereinigt sind, so daß nur besondere Öffnungen für den Mund, den After, die Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane, die Augen und die Saugfüßchen bleiben. Bei den regulären S., für die Echinus saxatilis L. (s. Tafel: Meerwasser-Aquarium Fig. 15, Bd. 1, S. 774) und Echinus microtuberculatus Blainv. (s. Tafel: Stachelhäuter Ⅱ, Fig. 4) Beispiele bieten, sind die genannten Organe dergestalt angeordnet, daß der Mund im Centrum der gewöhnlich nach abwärts gekehrten, abgeflachten Unterseite liegt und hier, von einer lederartigen, elastischen Haut begrenzt, mit seinem Kauapparat, der sog. Laterne des Aristoteles, oder deren fünf gegeneinander wirkenden Zähnen hervortritt. Der After befindet sich auf dem gegenüberliegenden Scheitelpole und die unmittelbar daran grenzenden Platten enthalten die Genitalporen, die Madreporenplatte zum Einlaß des Wassers in das Wassergefäßsystem und die Augen. Die Oberfläche der aus mosaikartig ineinander greifenden Platten gefügten Schale ist mit beweglichen Stacheln, deren jeder auf einem Gelenkknöpfchen durch Muskeln drehbar ist, bedeckt, und zwischen ihnen treten die Saugfüßchen, in fünf radiären Reihen geordnet, hervor. Dieselben sind die Bewegungs- und Atmungsorgane der S., stellen hohle, mit dem innern Wassergefäßsystem in Verbindung stehende, schwellbare, häutige Röhrchen dar und besitzen am Ende einen Saugnapf, der zur Befestigung dieser Füßchen dient. Indem der kriechende S. die Füßchen nach allen Richtungen weit ausstreckt und dieselben, sobald er einen Halt gefunden hat, in mög- ^[folgende Seite]