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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sicilien (Königreich beider)

Neapel vereinigt, der Herrschaft der österr. Habsburger unterstellt wurde. Victor Amadeus ward mit Sardinien entschädigt.

Unter den spanischen Bourbonen. Zum selbständigen Staate wurde das Königreich beider S. wieder infolge des Polnischen Thronfolgekrieges (s. d.). Nachdem nämlich Philipp V. 1734 nochmals versucht hatte, Unteritalien unter Spanien zu bringen, kam das Königreich beider S., vermehrt um den Stato dei presidii, den größten Teil von Piombino und von Elba und einen Küstenstrich von Toscana, im Wiener Präliminarfrieden von 1735 und endgültig 1738 an Philipps V. und Elisabeth Farneses Sohn Karl III. als spanische, mit dem Hauptland unvereinbare Sekundogenitur, während Österreich mit Toscana entschädigt wurde. Schon die österr. Verwaltung unter Daun hatte vieles im Königreich gebessert, bedeutender war aber die Hebung des Landes, seit es wieder seinen eigenen Fürsten hatte, der mit Thatkraft und Unternehmungsgeist die Neuordnung des Staates in die Hand nahm und insbesondere die feudalen Vorrechte wegräumte. Nachdem der Abschluß eines vorteilhaften Konkordats (2. Juni 1746) mit Benedikt XIV. gelungen war, wurden die Vorrechte der Geistlichkeit, ihre örtlichen Freiheiten, ihr Asylrecht und ihre dinglichen Gerechtsame beschränkt, wo nicht aufgehoben; die bischöfl. Gerichtsbarkeit ward zu Gunsten des Staates eingedämmt, der Vermehrung der Güter der Toten Hand und der Zahl der Geistlichkeit Schranken gesetzt, der Jesuitenorden auf die Klöster beschränkt und das Inquisitionsgebäude geschlossen. Während durch Verbesserung des Zoll- und Steuerwesens die Staatseinnahmen sehr vermehrt, durch Handelsverträge und Handelsgerichte der Verkehr im Innern und nach außen wesentlich gehoben wurde, geschahen große Leistungen für die Verschönerung und den Nutzen Neapels und des Landes. Die unter Browne nochmals gegen Süden vordringenden Österreicher wies Karl III. an der Grenze seines Landes durch den Sieg von Velletri (10./11. Aug. 1744) zurück.

Als er durch den Tod seines Halbbruders Ferdinands VII., welcher 10. Aug. 1759 kinderlos starb, auf den Thron von Spanien berufen wurde, übergab er das Königreich beider S. seinem dritten Söhnchen, Ferdinand I. (s. d., 1759-1825), für den Tanucci zuerst bis 1767 als Haupt der Regentschaft, dann bis 1777 als erster Minister regierte. Dieser schritt namentlich der Kirche gegenüber auf der unter Karl III. eingeschlagenen Bahn weiter, hob zahlreiche Klöster auf, zog die Einkünfte unbesetzter geistlicher Stellen ein, dehnte die Befugnisse der weltlichen Gerichtsbarkeit aus, unterstellte die geistliche Censur und die Erteilung von Kirchenstrafen der Staatsaufsicht, verjagte 1767 die Jesuiten und zog ihre Güter für Schulzwecke ein. In kirchlichen Angelegenheiten beharrte auch Sir Francis Acton, den Karoline Marie (s. d.), Ferdinands Gattin, an Tanuccis Stelle brachte, ziemlich auf dessen Verfahren; neben Acton gewann steigenden Einfluß auf die Regierung, welche Ferdinand seiner Frau überließ, die berüchtigte Lady Hamilton. Der drohende Gang der Französischen Revolution rief in Neapel die äußerste Strenge gegen alle Regungen zu Gunsten der von Frankreich ausgehenden Anschauungen hervor. Der Anschluß an die erste Koalition und die durch starke Rüstungen verursachten Ausgaben brachten in kurzem die vorher blühenden Finanzen in Verwirrung. Nachdem Neapel angesichts der Siege Bonapartes in Oberitalien sich durch den Vertrag von Brescia (5. Juni 1796) von der ersten Koalition losgesagt hatte, stellte Frühjahr 1798 die unter franz. Schutz eben errichtete röm. Republik, welche sich als Rechtsnachfolgerin des Papstes auch in seiner Oberlehnsherrlichkeit über Neapel betrachtete, unerfüllbare Forderungen. Und da man Napoleons Rüstung zum Zug nach Ägypten gegen Neapel gerichtet glaubte, so betrieb Karoline Marie eifrig den Beitritt zur zweiten Koalition, welcher auch 19. Mai 1798 zu Wien vollzogen wurde. Während nun Nelson zuerst im Hafen von Syrakus, dann in dem von Neapel Aufnahme fand und Mack, als neapolit. General von Thugut aus Wien gesandt, erschien, ging man mit verdoppeltem Grimm gegen alles vor, was nur im geringsten den Verdacht einer Hinneigung zur Französischen Revolution erregte, und schon 24. Nov. 1798 überschritten die Truppen die Grenze, um die Unruhe in Rom zu ersticken. Allein dem Einzug in Rom (29. Nov.) folgte eine Reihe von Schlappen, welche die rasch zusammengerafften Truppen unter Macks unfähiger Leitung durch Championet erlitten; schon 10. Dez. mußte in fluchtartigem Rückzug Rom, bald auch der Kirchenstaat geräumt werden, und nun drangen die Franzosen ihrerseits über die neapolit. Grenze. Nachdem sich ihnen Gaeta ohne Widerstand ergeben, floh der König und Hof mit dem Gelde nach Palermo (25. Dez.) und überließ die Statthalterschaft und Verteidigung des Festlandes dem Fürsten Pignatelli und Mack, welche bei der einbrechenden Verwirrung, der Erhebung der Bauern und Lazzaroni gegen die franz. Revolutionäre und der Unbotmäßigkeit der gebildeten Stände, die Schutz von den anrückenden Franzosen hofften, den Kopf verloren und 12. Jan. 1799 einen Waffenstillstand durch Räumung von Capua und Neapel und Zahlung von 10 Mill. Frs. erkaufen wollten. Während dann Pignatelli gleichfalls nach S. floh und Mack auf der Heimreise in Oberitalien festgenommen wurde, wütete in Neapel der Pöbel, worauf Championet die Stadt im Sturm nehmen ließ; dabei erlitt er jedoch noch schwerere Verluste, als ihm schon auf dem Anmarsch das von der Geistlichkeit aufgereizte Landvolk beigebracht hatte. Nach der Einnahme Neapels wurde die königl. Herrschaft für abgeschafft erklärt und eine provisorische Regierung, dann nach dem Vorbild des vom Direktorium regierten Frankreich die Parthenopäische Republik (s. d.) aufgerichtet. Die Erfolge der Österreicher und Russen in Oberitalien riefen aber Juni 1799 den an Championets Stelle getretenen Macdonald nach Norden, worauf sich in Neapel das niedere Volk gegen die nur vom größern Teile des Adels und vom bessern Bürgerstand gestützte Republik erhob. Zur Unterstützung der Lazzaroni rückte Kardinal Ruffo mit den von Fra Diavolo, Mammone, Pronio und ähnlichen Räuberführern zusammengebrachten Banden gegen die Hauptstadt, welche nach tapferer Gegenwehr sich auf Zusage der Straflosigkeit und des freien Abzugs der Republikaner ergab. Allein der mit Nelson zur See zurückkehrende König glaubte sich nicht verpflichtet, diese Zusage zu erfüllen, und so begann eine wilde Verfolgung der Abgefallenen, bis Napoleons Sieg bei Marengo zur Einstellung dieser Greuelwirtschaft zwang. Um der drohenden Wiedervereinigung seines Landes mit Spanien, das Godoy zum Verbündeten von Frankreich gemacht hatte, zu entgehen, trat Ferdinand von der zweiten Koalition nun zurück