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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spinnerei

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Spinnerei'

die Arbeitsvorgänge des Streckens und Drehens die erforderliche Feinheit und Festigkeit begründeten, unter geeigneter Aufstapelung des fertigen Fadens auf Spindeln bez. Spulen. Die Maschinenspinnerei verfügt zur Zeit über zwei Hauptarten von Feinspinnmaschinen, den Selfactor und die Drosselmaschine. Beim Selfactor, der aus der Cromptonschen Mulefeinspinnmaschine hervorging, wechseln (wie bei der Handspindel) das eigentliche Spinnen (Strecken und Drehen) und das Auswinden miteinander ab, indem die zur Aufnahme des Gespinstes bestimmten Spindeln auf einem Wagen so angeordnet sind, daß sie bei dessen Entfernung von dem Streckwerk die Zusammendrehung (Verdichtung, Festigung) des verdünnten Vorgespinstes und bei dessen Annäherung an das Streckwerk (Wagenfahrt) die geordnete Aufwindung des Feingespinstes bewirken. Indem es erst nach vielfacher Bemühung gelang, alle erforderlichen Bewegungen der zusammenwirkenden Organe automatisch von der Maschine selbst bewirken zu lassen, rechtfertigt sich die üblich gewordene Bezeichnung «Selfactor», die aus dem englischen selfacting-mule entstand. Den Abschluß des hier angedeuteten Gedankens bewirkte 1872 O. Wolf in Vöslau durch Gestaltung einer Vorrichtung, die den Stillstand der Maschine bewirkt, sobald die Spindeln eine vorgeschriebene Fadenlänge aufgenommen haben (Nummer-Kontrollapparat genannt, weil danach mittels Wägung eines Kötzers oder Cops oder einer kleinen Anzahl derselben die sichere Feststellung der Feinheitsnummer erfolgen kann). Bei der Drosselmaschine (Drosselstuhl), deren erste Gestaltung R. Arkwright 1775 zuzuschreiben ist, erfolgt wie bei dem Handspinnrad das Spinnen und Aufwinden gleichzeitig, womit neben Raumersparnis und größerer Liefermenge sogleich die Möglichkeit des vollständig automatischen Betriebes mittels elementarer Betriebskraft (z.B. Wasser, daher auch Watermaschine) gegeben ist; die Aufwindung der fertigen Fäden erfolgt hier nicht unmittelbar auf Spindeln, sondern mittels rotierender Flügel auf Spulen, die durch die auflaufenden Fäden nachgezogen, durch Reibung auf ihren Stützflächen in gewissem Maße zurückgehalten werden, also unter Beanspruchung der Festigkeit des Fadengebildes; deshalb ist die Herstellung der feinsten und schwächsten Garne auf dieser Maschine ausgeschlossen, die vielmehr dem Selfactor verblieben ist. Am meisten ist in dieser Beziehung eine als Ringmaschine bekannte Umgestaltung der Drosselmaschine dem Selfactor nahe gerückt worden, bei welcher nicht die Spule, sondern ein beliebig leicht zu machender Fadenleiter (Läufer) auf einer ringförmigen Bahn durch den auflaufenden Faden nachzuziehen ist (s. unten).

Die Feinheit der Gespinste wird allgemein durch eine Vergleichung zwischen Länge und Gewicht eines gewissen Fadenstücks festgestellt, indem man z. B. (bei der «internationalen Numerierung») angiebt, wie viel Meter des Fadens auf 1 g gehen; hat also ein gewisses Fadenstück L Meter Länge und G Gramm Gewicht, so ist die «metrische» Feinheitsnummer N = L/G. – Auf die Prüfung der Feinheit folgt in allen Fällen, wo die Verwendung der Garne anderwärts geschieht, noch die geeignete Verpackung derselben, sei es in Form der Cops, wie sie der Selfactor liefert, oder in Form geweifter Strähne, ↔ die zu Docken und Paketen von abgerundetem Gewicht zusammengelegt und durch scharfes Pressen auf den kleinstmöglichen Raum gebracht werden.

Je nach dem Spinnmaterial unterscheidet man als wichtigste Arten der S. die Flachs-, Hanf-, Jute-, Seiden-, Baumwoll- und Wollspinnerei. Über das Spinnen des Flachses s. Flachsspinnerei. Die Hanfspinnerei stimmt im wesentlichen mit der Flachsspinnerei überein, nur daß die Maschinen, der stärkern Hanffaser entsprechend, kräftiger gebaut sind. Über die Jutespinnerei s. Jute. Über die Seidenspinnerei s. Seide. Betreffs der Baumwoll- und Wollspinnerei sind die vorbereitenden Operationen (bis zur Bandbildung) in den Artikeln Baumwollspinnerei und Wollspinnerei behandelt, während die weitern eigentlichen Spinnprozesse dieser beiden Arten der S. nachfolgend beschrieben sind.

Baumwollspinnerei. Der durch vorbereitende Arbeiten (über diese s. Baumwollspinnerei) hergestellte Wickel gelangt zu den Kratzen (Kratzmaschinen), auch Karden oder Krempeln genannt, welche die Aufgabe haben, denselben in ein zusammenhängendes Band von möglichster Gleichförmigkeit und Reinheit zu verwandeln (das Krempeln). Die arbeitenden Teile der Kratzmaschinen sind die Kratzbelege oder Kardengarnituren, Leder- oder Tuchstreifen, die mit winklig gebogenen Drahthäkchen dicht besetzt sind. Stehen zwei derartige mit sog. Kratzen beschlagene Flächen einander gegenüber und zwar in so geringer Entfernung, daß ein sehr enger Zwischenraum (z.B. gleich der Dicke eines Papierblattes) bleibt, so hängt deren Wirkung auf die zwischen sie hineingebrachte Baumwolle einesteils von der gegenseitigen Stellung der Häkchen, andernteils von der Richtung und Geschwindigkeit der den Kratzen erteilten Bewegung ab. Es sind nun folgende praktisch wichtige Fälle zu unterscheiden:

3
Figur: 3

2
Figur: 2

1
Figur: 1

  • a. Entgegengesetzt stehende Kratzen; die eine vorgehend, die andere still liegend oder ebenfalls vorgehend (wobei die Bewegungsrichtungen einander entgegengesetzt sind, nachstehende Fig. 1); unter diesen Umständen wird von der in die Zähne der einen Kratze eingeschlagenen, büschelweise angeordneten Baumwollmasse an allen Stellen, wo starke Anhäufung der Fasern vorliegt, ein Teil durch die Zähne der andern Kratze abgenommen und an solche Stellen, welche noch leer sind oder nur wenig Faserstoff enthalten, abgesetzt, wodurch eine gleichförmigere räumliche Anordnung der Fasern erzielt wird.
  • b. Stellung der Kratzen wie unter a, jedoch Bewegung derselben in übereinstimmender Richtung (Fig. 2), und zwar so, daß die vorgehende schnell, die rückgehende langsam fortschreitet; hängt an den Zähnen der vorgehenden Kratze Baumwolle, so wird diese mehr oder weniger an die leere rückgehende Kratze abgesetzt.
  • c. Gleichstehende Kratzen (Fig. 3); die eine leer und dabei schnell vorgehend, die andere mit Baumwolle versehen und entweder langsam vorgehend, oder still liegend, oder rückgehend: die leere Kratze kämmt die Baumwolle vollständig aus der gefüllten heraus.

Auf solche Weise sind die Mittel gegeben, um die Baumwolle aufzulockern

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 163.