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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Trier

des 3. und 4. Jahrh., so die Porta nigra (Simeonsthor), ein aus Sandsteinquadern erbautes, befestigtes Stadtthor (36 m lang, 29 m hoch; s. Tafel: Thore I, Fig. 1), welches im 11. Jahrh. vom Erzbischof Poppo in eine Doppelkirche umgewandelt wurde, 1817 aber seine ursprüngliche Gestalt wiedererhielt und 1876 freigelegt wurde; die Moselbrücke, von der jedoch nur der Unterbau aus Basaltblöcken der röm. Zeit angehört; die großartigen Thermen in der Vorstadt St. Barbara; der Kaiserpalast, eine malerische Ruine, die jetzt zum Teil noch in einer Höhe von 20 m steht; er wurde im 12. Jahrh. in eine Kirche verwandelt, diente 1568 als Festung gegen den Kurfürsten und wurde 1673 vom Amphitheater aus beschossen; die Basilika, ursprünglich röm. Gerichtskaufhalle, später Sitz der frank. Könige und Statthalter, zuletzt der Kurfürsten, durch Friedrich Wilhelm IV. wiederhergestellt und seit 1856 der evang. Gemeinde eingeräumt, und die ältesten Teile des Doms, später zur Kirche umgewandelt, nach einem Brande wiederhergestellt vom Bischof Nicetius (532 und 566) und später umgebaut von Poppo (1016-47), Udo (1066-78) und Hillin (1152-69), gegenwärtig (1897) in Erneuerung begriffen. Im Domschatz werden kostbare Meßgewänder und Reliquien (wie der Heilige Rock, s. d.) aufbewahrt. In der Umgegend röm. Bauten bei Igel (s. d.) und Nennig (s. d.). Unter den spätern Bauten sind zu erwähnen die frühgot. Liebfrauenkirche (1227-44), durch einen schönen Kreuzgang mit dem Dom verbunden, die Gangolfskirche (13. Jahrh.) mit schönem Turm (15. Jahrh.), die Matthiaskirche aus dem 12. Jahrh., jedoch mehrfach umgebaut, die Paulinuskirche (1734) mit schönen Deckengemälden, neuerdings von dem niederländ. Maler Hermesdorff renoviert, das adlige Frauenkloster St. Irminen, vom Erzbischof Modwald gegründet und 1804 der Stadt zur Einrichtung der "Vereinigten Hospitien" geschenkt, das Rote Haus (1453), ehemals Stadthaus, jetzt Hotel, das Kaufhaus (1373 zuerst genannt), ehemals Rathaus, das kurfürstl. Schloß im Barockstil, von Napoleon der Stadt geschenkt, jetzt (Palast-) Kaserne, die Abtei St. Maximin, ursprünglich teilweise ein röm. Gebäude, jetzt Kaserne, und das Provinzialmuseum mit reichhaltiger Altertümersammlung. Ein Monumentalbrunnen mit Erzstandbild des Erzbischofs Balduin (von F. von Miller) wurde 1897 errichtet.

Bildungs- und Wohlthätigkeitsanstalten. Die 1472 gestiftete Universität der Jesuiten wurde 1798 aufgehoben. Die Stadt hat ein Gymnasium (seit 1563), Realgymnasium (1822), eine königl. und zwei private höhere Mädchenschulen, Lehrerinnenseminar, Priesterseminar, bischöfl. Konvikt, Provinzialweinbauschule, Provinzialtaubstummenanstalt, Stadtbibliothek (über 100 000 Bände, Handschriften), Vereine für Wissenschaft, Kunst und Handwerk, Bürgerhospital (Hospitienanstalt), Provinzialmutterhaus der Barmherzigen Schwestern, Krankenhaus und Kuranstalt der Barmherzigen Brüder, Landarmenhaus, Sparkasse, Wasserwerk, Kanalisation, Gaswerk und Schlachthaus. Die Industrie erstreckt sich auf Eisengießereien, Färbereien, bedeutende Gerbereien, auf Fabrikation von Möbeln, Bürsten, Hüten, Regenschirmen, Rouleaux, Schuhwaren, Seife und Kerzen, Tabak und Cigarren, Wachswaren, Asphalt, Klaviere, Billards, Essig, pharmaceutischen Präparaten, optischen Instrumenten, Handschuhen, Malz und Kaffeesurrogaten, Wagen, Senf, künstlichem Eis, Gold- und Silberwaren, ferner bestehen Brauereien, Lumpensortieranstalten, mechan. Werkstätten, lithogr. Anstalten, Industrie für Glasmalerei und bedeutende Gärtnereien, Weinbau, Holz- und Weinhandel. Die jährlichen Versteigerungen von Mosel- und Saarweinen sind weit bekannt. In der Nähe sind Brüche von Dachschiefer (17 Brüche; Jahresproduktion 159 000 M.), Steinen und Gyps (86 378 000 M.), sowie Bergbau auf Blei-, Kupfer- und Zinkerze.

Geschichte der Stadt und des Erzbistums. T. (August Trevirorum) ist die alte Hauptstadt der kelt. Trevirer, wurde dann wahrscheinlich vom Kaiser Augustus zur Sicherung der Rheingrenze neu befestigt und etwa von 286 bis 400 die Residenz der röm. Kaiser für den Westen. 411 (endgültig 455) fiel die Stadt an die Franken. Das Erzstift entstand wahrscheinlich um 815 aus einem angeblich schon im 1. Jahrh. gestifteten Bistum in T. Die Stadt wurde im 5. Jahrh. wiederholt zerstört, und bis in das 7. Jahrh. ist hier die Reihe der Bischöfe unsicher und vielleicht längere Zeit unterbrochen. T. gehörte dann zu Austrasien, kam im Vertrage zu Verdun von 843 an Lothringen, 870 an Deutschland, 895 wieder an Lothringen und wurde durch König Heinrich I. bleibend mit Deutschland vereinigt. Nachmals, unter den Erzbischöfen und spätern Kurfürsten von T., die zeitweilig ihren Sitz nach Ehrenbreitstein und Koblenz verlegten, gelangte die Stadt zu großer Macht; doch war sie mit den Erzbischöfen, die ihre Freiheiten und Privilegien nicht anerkennen wollten, oft in heftiger Fehde. Erst 1580 wurde ihr die lange Zeit angestrebte Reichsunmittelbarkeit definitiv durch kaiserl. Urteil aberkannt. Der Kurfürst von T., der sich den Titel "Kanzler durch Gallia" beilegte, war der Reihenfolge nach der zweite Kurfürst in Deutschland. Das Land teilte sich in das obere und das niedere Stift, letzteres mit der erzbischöfl. Residenz Koblenz. Unter den Erzbischöfen sind zu nennen der Graf Balduin (s. d.) von Luxemburg (1307-54), Bruder Kaiser Heinrichs VII. und der Begründer der Macht des Erzstifts wie des luxemb. Kaiserhauses; der Graf Richard von Greiffenklau (1511-31), der dem Eindringen der Reformation in das Erzstift wehrte, 1512 zuerst eine Ausstellung des Heiligen Rockes veranstaltete und durch seine Fehde (1522) mit Sickingen bekannt ist; der Erzbischof Philipp Christoph von Sötern (1623-52), der 1632 den Franzosen das Besatzungsrecht von Koblenz und Ehrenbreitstein zugesagt hatte, deshalb mit dem Domkapitel zerfiel und 1635 von den Spaniern gefangen genommen, 1645 von Turenne nach T. zurückgeführt wurde und den Franzosen die Schutzherrlichkeit über Philippsburg, das Bistum Speyer und alle seine linksrhein. Besitzungen einräumte; der Pfalzgraf Franz Ludwig von Neuburg (1716-29), der sehr viel zur Verbesserung des Rechtszustandes seines Landes that, und der letzte Kurfürst, der Prinz Clemens Wenzeslaus (s.d.) von Sachsen (1768-1803), der regen Anteil an der Emser Punktation (s. d.) nahm, aber mit dem Erzbischof von Mainz wieder zurücktrat. Beim Ausbruch der Französischen Revolution sammelten sich im Trierschen, namentlich in Koblenz, die franz. Royalisten. Nachdem die Franzosen 1794 T. und Koblenz genommen hatten, wurde das Triersche Land auf dem linken Rheinufer zu Frankreich geschlagen und, nachdem auch die Festung Ehrenbreitstein sich 1799 hatte ergeben müssen, fast das ganze Kurfürstentum mit Frankreich vereinigt. Im Frieden zu Lunéville wurde