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Württemberg (Bergbau. Industrie. Handel. Verkehrswesen)
ferner aus Rehwild und Hasen, Federwild (worunter Auerwild im Schwarzwald), Schnepfen, Wildenten und Raubzeug. Pachtertrag über 300000 M. Einen bedeutenden Zuschuß an Brennmaterial liefern die Torfmoore (etwa 16500 ha mit einer mittlern Mächtigkeit von 3 m und einem durchschnittlichen Ertrag von 5 t pro Hektar). Bedeutend ist die Holzausfuhr vom Schwarzwald nach Mannheim und Holland.
Bergbau. Unter den Produkten des Bergbaues sind nur Salz und Eisenerz erheblich. Von den vier Staatssalinen sind Friedrichshall und Hall mit Wilhelmsglück die bedeutendsten; ein Privatsalzwerk befindet sich in Heilbronn. Es wurden erzeugt 1896: 233593 t Steinsalz (Wert 964970 M), 45709 t Kochsalz (1401481 M.), 10960 t Eisenerze (55896 M.) und 3809 t Roheisen (407819 M.). Der Staat besitzt 6 Eisenhüttenwerke (Gießereien, Schweißeisen- und Flußeisenwerke) zu Königsbronn, Wasseralfingen, Abtsgmünd, Friedrichsthal mit Christophsthal, Schussenried und Ludwigsthal. Töpferthon wird bei Heidenheim und Schramberg gewonnen; Kalksteine, Gips, Kalkschiefer, Mühl- und Quadersteine sind reichlich vorhanden.
Industrie. W., früher vorzugsweise mit Landwirtschaft beschäftigt, hat sich in neuerer Zeit zugleich der Industrie zugewandt. Sämtliche Gewerbe beschäftigten 1895: 395828 (1882: 288106) Personen. Glockengießereien finden sich in Stuttgart, Reutlingen, Cannstatt; Kupfer- und Blechwaren fabriken in Eßlingen, Göppingen, Biberach, Ludwigsburg, Ellwangen; Sensenfabriken in Friedrichsthal und Neuenbürg; Maschinenwerkstätten aller Art in Eßlingen, Berg, Cannstatt, Heilbronn, Geislingen u. s. w. Einen Weltruf hat die 1846 gegründete Maschinenfabrik in Eßlingen (2000 Arbeiter) mit Filialen in Cannstatt und Sarono ^[richtig: Saronno] in Oberitalien - sie liefert besonders Lokomotiven auch nach dem Auslande. Ferner bestehen elektrotechnische Fabriken in Cannstatt und Stuttgart, eine Gewehrfabrik zu Oberndorf, Messing- und Bronzefabriken, Galvanotechnik, Plattierung u. s. w. in Geislingen, Stuttgart, Ulm, Reutlingen und Gmünd. Gold- und Silberwarenfabriken in Gmünd, Heilbronn und Stuttgart; Metallprägereien in Stuttgart; Feuerwehrgeräte liefern Ulm und Biberach, Messerwaren und chirurg. Instrumente Tuttlingen; die Uhrenfabrikation blüht in Schramberg und Schwenningen. Die Textilindustrie ist sehr ausgedehnt: Leinenindustrie wird am stärksten auf und an der Alb, in Urach, Laichingen, Blaubeuren u. s. w. betrieben; bedeutende Baumwollspinnereien sind in Rottweil, Betzingen, Kuchen, Nürtingen, Reutlingen, Urach, Cannstatt, eine große Verbandstofffabrik in Heidenheim, Weißstickerei in Ravensburg. Seidenmanufaktur wird in Isny, Wiesenthal, Waiblingen, Sindelfingen betrieben, Wollindustrie in Stuttgart, Heidenheim, Calw, Reutlingen, Nagold, Metzingen, Eßlingen, Göppingen u. s. w., Korsettfabrikation in Stuttgart, Göppingen, Cannstatt u. s. w., Wollfilzfabrikation in Giengen, Hutfabrikation in Ulm und Ebingen. Hervorragend ist die Papierfabrikation in Heilbronn, Faurndau, Dettingen, Pfullingen, Oberlenningeu, Mochenwangen, Höll-Wolfegg, Salach, Wildbad, Gemmrigheim; Leder wird hauptsächlich in Reutlingen, Backnang, Calw, Stuttgart bereitet. Bedeutend ist der Buchdruck und die sonstigen graphischen Gewerbe in Stuttgart, Eßlingen, Ulm u. s. w Für musikalische Instrumente bestehen zablreiche Fabriken in Stuttgart, Aalen und Kirchheim; die bedeutendste Orgelbauanstalt hat Ludwigsburg. Für Holz- und Beinschnitzerei sind Hauptplätze Geislingen und Stuttgart, für Bau- und Möbeltischlerei Stuttgart, Böblingen, Zuffenhausen und Metzingen. Kaffeesurrogate werden hauptsächlich in Ludwigsburg, Schokolade und Konditoreiwaren in Stuttgart, Konserven in Gerabronn, Tabak und Cigarren in Ulm, Heidenheim u. s. w. hergestellt. Molkereien giebt es auf der Alb und in Oberschwaben. Große Runkelrübenzuckerfabriken bestehen in Stuttgart, Böblingen, Heilbronn, Brauereien über 2500, Fabrikation von Schaumwein in Stuttgart, Eßlingen, Rottweil, chemische, Farben- und Lackfabriken hauptsächlich in Stuttgart und Heilbronn. Pulver wird besonders in Rottweil, Cement in Blaubeuren, Ehingen, Lauffen a. N. hergestellt. Ziegeleien befinden sich besonders in Stuttgart, Waiblingen, Glasfabriken in Buhlbach, Schönmünzach, Zuffenhausen, eine Porzellanfabrik in Schramberg.
Handel. Bedentend ist der Speditions- und Transithandel. Ausgeführt werden vorzüglich Vieh, Wolle und andere Vieherzeugnisse, Getreide und Nutzholz, dann Salz, Obst, Hopfen, Tuch und Wollwaren, Leinwand, Leder und Lederarbeiten, Papier, Schwarzwälder Uhren, Musikinstrumente, Metallwaren, Gold- und Silberarbeiten, chem. Produkte. Eingeführt werden Tabaksblätter, Hanf und Flachs, Häute und Felle, Steinkohlen, Baumwolle, Seidenzeuge. Porzellan, Steingut, Fayence, Kolonial-, Spezerei- und Galanteriewaren. Haupthandelsplätze sind Heilbronn, Stuttgart, Ulm, Friedrichshafen. Besondere Erwähnung verdient der Buchhandel und die graphische Industrie. Stuttgart nimmt in dieser Beziehung nach Leipzig und Berlin die erste Stelle ein (s. unten). 22 fremde Konsulate befinden sich in Stuttgart. Gewerbe und Handel werden gefördert: durch die Centralstelle für Gewerbe und Handel mit großem Gewerbemuseum in Stuttgart, durch 8 Handels- und Gewerbekammern, den aus Vertretern des Handels, der Gewerbe und der Landwirtschaft bestehenden Beirat bei dem Ministerium der Verkehrsanstalten, den Kunstgewerbeverein in Stuttgart, durch Gewerbevereine, Ausstellungen u. s. w. In Stuttgart befindet sich eine Reichsbankhauptstelle mit Nebenstellen in Gmünd, Göppingen, Heilbronn, Ravensburg, Reutlingen und Ulm. Wichtigste Privatbanken sind die Württembergische Hypothekenbank, Württembergische Notenbank (s. d.), Württembergische Vereinsbank (s. d.), Württembergischer Kreditverein, Stuttgarter Rentenanstalt, Stuttgarter Lebensversicherungs- und Ersparnisbank; 98 Vorschuß- und Kreditvereine, 615 Darlehnskassenvereine.
Verkehrswesen. Die Schiffahrt auf dem Neckar ist in steter Zunahme begriffen. Aus Heilbronn gingen 1896 ab zu Thal 119383 t, darunter 85835 t Salz; es kamen an zu Berg 131333 t, darunter 36487 t Kaufmannsgüter und 86021 t Kohlen, Steine u. a. Es fuhren auf dem Neckar von Heilbronn abwärts 705 Flöße und 238 Schiffe mit geschnittenem Holz. Auf dem Bodensee ist der Staat mit 8 Dampf-, 4 Schleppschiffen, 1 Dampfbarkasse und 2 Trajektkähnen beteiligt. Über die Eisenbahnen s. Württembergische Eisenbahnen.
Posten. Die Post, früher im Besitz des Hauses Thurn und Taxis, kam durch Vertrag vom 1. Juli 1851 in Verwaltung des Staates. Die grundsätzlichen Bestimmungen über die rechtlichen Verhältnisse zwischen der Post und dem Publikum, die Pri-