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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Würzburg (Stadt)

königl. Kreisregierung, des Bezirksamtes, eines Bischofs, bischöfl. Ordinats und Konsistoriums, evang. Distriktsdekanats, israel. Distriktsrabbinats, Landgerichts (Oberlandesgericht Bamberg) mit einer Kammer für Handelssachen und 11 Amtsgerichten (Arnstein, Aub, Brückenau, Dettelbach, Gemünden, Karlstadt a. M., Kitzingen, Marktbreit, Ochsenfurt, Wiesentheid, W.), eines Amtsgerichts, Oberpost- und Oberbahnamtes, griech. Konsuls, einer Handels- und Gewerbekammer, Reichsbanknebenstelle, eines Bezirkskommandos sowie des Generalkommandos des 2. bayr. Armeekorps und der Kommandos der 4. Division, 7. Infanterie- und 2. Feldartilleriebrigade und hat (1895) 68747 (34067 männl., 34680 weibl.) E., darunter 13308 Evangelische und 2500 Israeliten, in Garnison das 9. Infanterieregiment Wrede, Stab, 1., 2. und reitende Abteilung des 2. Feldartillerieregiments Zorn und das 2. Trainbataillon (3. Compagnie in Germersheim), Post- und Telegraphenamt und Fernsprecheinrichtung. (Hierzu ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen, öffentlichen Gebäude u. s. w.)

Anlage, Denkmäler. Der größte Teil der Stadt liegt auf dem rechten Ufer des Mains und wird von prächtigen Anlagen, einer Ringstraße und dem Mainquai umschlossen. Auf dem linken Ufer befindet sich die ehemalige Citadelle der Festung, deren Werke rechts vom Main 1867‒74 niedergelegt sind, der «Marienberg», bis 1720 Sitz der Bischöfe, jetzt Kaserne. Auf der Juliuspromenade erhebt sich das 1847 von König Ludwig I. errichtete eherne Standbild des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbronn, nach Schwanthalers Modell; in der Domstraße der 1733 errichtete Vierröhrenbrunnnen; Büsten sind errichtet dem Naturforscher Philipp Franz von Siebold (von Roth in München), dem ehemaligen Bürgermeister von Zürn (von Spieß in Rom) und dem Komponisten V. E. Becker (von Hörner in Nürnberg). Auf dem Residenzplatz steht der prächtige von Ferd. von Miller in München ausgeführte Luitpoldbrunnen (Juni 1894) mit den Figuren der Frankonia, des Malers Grünewald, des Bildhauers Riemenschneider und Walthers von der Vogelweide, auf dem Kaiserplatz der 1895 vom Prinz-Regenten Luitpold von Bayern gestiftete Kiliansbrunnen mit zwei Schalen aus carrarischem Marmor und dem Erzstandbild des heil. Kilian (von Bath. Schmidt). W. hat 24 kath., 2 evang. Kirchen und eine Synagoge. Unter den Kirchen sind bemerkenswert: der Dom, eine kreuzförmige Pfeilerbasilika in roman. Stil, 862 begonnen, 1189 geweiht und 1240 wesentlich verändert, mit vielen Denkmälern von Bischöfen in dem im 18. Jahrh. im Barockstil gänzlich erneuerten Innern; die Neumünster Kirche mit roter Barockfaçade (1711‒19 erbaut), Kuppel (1734) und reichem Innern im Jesuitenstil; die schöne got. Marienkapelle, ein dreischiffiger schlanker Hallenbau (1377‒1441), 1856 restauriert und mit einem zierlichen durchbrochenen Turmhelm versehen, mit Statuen von Tilmann Riemenschneider; die Universitäts- oder Neubaukirche (1582‒91) in einer Mischung von got. und Renaissanceformen, mit einem großartigen Turme, jetzt Sternwarte; die altgot. restaurierte Franziskanerkirche; die evang. Stephanskirche mit schönen Fresken; die Haugerkirche, 1670‒91 von Petrini im Barockstil erbaut, mit zwei Türmen und Kuppel; die Stiftskirche St. Burkard, in ihrem westl. Teil das älteste äußerlich unversehrt gebliebene kirchliche Gebäude der Stadt, im roman. Stil 1033‒42 aufgeführt, 1168 erneuert, der spätgot. Chor von 1494 bis 1497; die Deutschherrenkirche, ein Juwel altgot. Baukunst, jetzt Militärmagazin, und die achteckige Marienkapelle auf dem Nikolausberg, das sog. Käpelle, eine Wallfahrtskirche mit Altarbildern; westlich der Aussichtsturm Frankenwarte. Neuerdings wurde eine zweite prot. Kirche (Johanniskirche) im frühgot. Stil nach Plänen von Steindorff vollendet; 1895 der Grundstein zur roman. St. Adalbertkirche gelegt.

Weltliche Gebäude. Das königl., früher bischöfl. Schloß, die Residenz, eins der größten und schönsten Schlösser, 1720‒44 durch Joh. Balth. Neumann erbaut (167 m lang, 89 m tief, 21 m hoch), mit 7 Höfen, 283 Gemächern, einer Kirche, großartigem Treppenhaus und Kaisersaal durch zwei Stockwerke (mit Gemälden des Venetianers Tiepolo). Die fürstbischöfl. Zimmer und der Spiegelsaal sind mit franz. Gobelins ausgeschlagen. Die Gemäldesammlung ist reich an Stillleben, die Kellereien bergen treffliche Frankenweine; in den Flügeln des Schlosses das Archiv, die Sammlungen des Historischen und die Gemäldeausstellung des Kunstvereins; im Hofgarten schmiedeeiserne Gitterthore und die neue Orangerie. Am 15. Mai 1896 brannte der Dachstuhl des rechten Flügels ab. Das 1567 gestiftete große Juliusspital mit einem Vermögen von 9 Mill. M., verbunden mit den klinischen Anstalten der Universität; ferner das Rathaus, Regierungsgebäude (früher Benediktinerkloster), die Universität, Theater, Harmoniegebäude, der neue Hauptbahnhof, die Ludwigshalle, Schrannenhalle, die 1856‒58 erbaute Maxschule mit dem Realgymnasium, der Kreisrealschule und den Sammlungen des Polytechnischen Vereins, das neue Gymnasium, chem. Laboratorium, die neuen Kasernen, das großartige Justizgebäude (1892), Universitätskollegienhaus (1896), Vincentinum (Anstalt für verwahrloste Knaben) und die prächtigen Privatbauten in der Ludwigsstraße, in den Ringstraßen und am Kaiserplatz.

Bildungs- und gemeinnützige Anstalten. Die Universität wurde 1402 durch Bischof Johann von Egloffstein gegründet, geriet aber nach dem Tode des Stifters (1411) in Verfall. Die Neugründung erfolgte 1582 durch Fürstbischof Julius Echter von Mespelbronn, und die reich dotierte Hochschule wurde als Hochburg des Katholicismus der Sammelpunkt der kath. Jugend Deutschlands und der Nachbarländer (etwa 1500 Studierende). Die theol. und philos. Fakultäten waren in den Händen der Jesuiten, die die Lehrstühle bis zur Aufhebung des Ordens (1773) innehatten. Die Besetzung der Stadt durch die Schweden (1631) führte zur Auflösung der Universität, die sich erst nach 1648 wieder erholte. Durch die Vereinigung des Hochstifts mit Bayern verlor die Universität den Charakter einer kirchlichen Anstalt. Seitdem hat sich besonders die mediz. Fakultät eine hervorragende Stellung errungen. Die Universität hat (1896/97) 52 Professoren, 26 Docenten, 1544 Studierende, darunter etwa 800 Mediziner und 10 Hörer. Die Universitätsbibliothek ist vom vormaligen Großherzog von Frankfurt, Karl von Dalberg, gestiftet und enthält 300000 Bände, darunter das Evangelienbuch des Frankenapostels Kilian (7. Jahrh.) mit geschnitztem Elfenbeindeckel (9. oder 10. Jahrh.). Das Naturalienkabinett wurde von dem ehemaligen Minoriten Professor Blank (gest. 1827) gesammelt und später vermehrt. Das 1801 von Professor Dr. Joseph Fröhlich