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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Zuckerruhr; Zuckersäure; Zuckersteuer

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Zuckerruhr – Zuckersteuer

der Menge der sonst noch vorhandenen, im Saft gelösten Trockensubstanzbestandteile. Je weniger von diesen anwesend sind, um so besser verarbeitet sich nämlich die Z. Man bestimmt infolgedessen den Reinheitsquotienten, das ist die Zahl, die man erhält bei Division der Prozentzahl für Zuckergehalt durch die Prozentzahl für Gesamttrockensubstanz und Multiplikation mit 100, oder mit andern Worten, man bestimmt den Prozentgehalt der Trockensubstanz des Saftes an Zucker. Eine gute Z. muß mindestens 12 Proz. Zucker und einen Quotienten über 75 haben. Der Zuckergehalt wird durch polarimetrische Untersuchung eines alkoholischen Auszuges (früher fälschlicherweise des ausgepreßten Saftes) bestimmt. Die Trockensubstanz des Saftes wird annähernd aus dem spec. Gewicht desselben berechnet.

Die Z. gedeiht nur im gemäßigten Klima. In Deutschland (s. Karte der Landwirtschaft im Deutschen Reiche, beim Artikel Deutschland [und Deutsches Reich]) blüht der Zuckerrübenbau in Anhalt, Braunschweig, Regierungsbezirk Hildesheim, Provinz Sachsen, Oderbruch, Schlesien und in neuerer Zeit in Posen und Mecklenburg; in Österreich: in Böhmen, Mähren und Schlesien, auch stellenweise in Ungarn. In Frankreich wird die Z. besonders in den an Belgien und den Kanal grenzenden Departements, in Rußland in den südl. Gouvernements angebaut. Auch in den Vereinigten Staaten wächst der Bau der Z. rasch. Die Kultur verlangt eine intensive Bodenbearbeitung, Anwendung künstlicher Düngemittel (Superphosphat, Chilesalpeter) und Benutzung von verbesserten Ackergeräten und Maschinen. Die Aussaat geschieht im April durch Drillen, die aufgelaufenen Pflänzchen werden verzogen (vereinzelt) und bis zum Heranwachsen der Rübe häufig behackt (und behäufelt). Das Behacken geschieht teils mit der Hand, teils mittels von Tieren gezogener Maschinen. Von tierischen Feinden ist der Z. besonders die Rübennematode (s. d.) gefährlich; unter den pflanzlichen ist in jüngster Zeit ein Pilz, Phoma Betae Frank, festgestellt worden, der, wie es scheint, bei den jungen Rübenpflanzen den Wurzelbrand und bei der herangewachsenen Rübe die Herzfäule und Trockenfäule hervorruft, verderbliche Krankheiten, welche sich durch Anfaulen des hypokotylen Gliedes (bei der jungen Pflanze), der Blattkrone und der Rübe selbst kennzeichnen. Die Ernte der Z. beginnt Mitte September und beträgt, je nach der Güte des Bodens und der darauf verwendeten Kultur, etwa 30‒40000 kg pro Hektar. Über die Aufbewahrung der geernteten Z. s. Rübenaufbewahrung. Man berechnet die Produktionskosten pro Centner Z. mit 85‒120 Pf. (inklusive des Pachtzinses für das Feld). Die Zuckerfabriken bezahlten bislang den Centner (je nach dem Zuckergehalt) etwa mit 1 M. (gegenwärtig aber weniger) unter unentgeltlicher Zurückgabe (des größern Teils) der abfallenden Rübenschnitzel (s. Zuckerfabrikation), die ein wichtiges Viehfutter bilden. Die aus den Diffuseuren kommenden Schnitzel enthalten nur 4‒5 Proz. Trockensubstanz, die gepreßten 9‒10 Proz. und zwar etwa 0,9 Proz. Proteïn, 0,05 Fett, 6,3 stickstofffreie Extraktstoffe, 2,4 Rohfaser und 0,6 Proz. Asche. In manchen Zuckerfabriken wird gegenwärtig in besondern Trockenanlagen der Wassergehalt der Schnitzel auf etwa 15 Proz. verringert und dieselben dadurch (ohne zu große Kosten) in ein sehr gedeihliches, haltbares Futter verwandelt. Die nicht getrockneten Schnitzel werden zwecks Aufbewahrung eingemietet. Auch die bei der Ernte der Z. abzuschneidenden Köpfe mit Blättern liefern im frischen und gesäuerten Zustande ein brauchbares Futter. – Vgl. Buerstenbinder, Die Z. (3. Aufl., Hamb. 1896); Werner, Der praktische Zuckerrübenbauer (Bonn 1888); Knauer, Der Rübenbau (7. Aufl., Berl. 1894); Eisbein, Der Zuckerrübenbau (Stuttg. 1895); ders., Die kleinen Feinde des Zuckerrübenbaues (2. Aufl., Berl. 1895); Briem, Der praktische Rübenbau (Wien 1895); Doering, Die Z. und ihr Anbau (Bresl. 1896).

Zuckerruhr, s. Diabetes.

Zuckersäure, eine zweibasische organische Säure von der Zusammensetzung:

C₆H₁₀O₈ = COOH·[CH(OH)]₄·COOH,

die bei der Oxydation von Trauben-, Rohrzucker, Stärke, Mannit u. s. w. mit Salpetersäure entsteht. Sie ist in Wasser leicht löslich und kann in krystallisiertem Zustande erhalten werden. Isomer mit der Z. sind die Schleimsäure (s. d.) und die Isozuckersäure. – Z. wird auch die Oxalsäure (s. d.) genannt.

Zuckersteuer. Solange Europa nur Kolonialzucker verbrauchte, konnte die Besteuerung einfach durch Erhebung eines Einfuhrzolls erfolgen, und in dieser Form gewann sie seit dem 17. Jahrh. allmählich eine große finanzielle Bedeutung. In England, das den stärksten Zuckerverbrauch ohne eigene Rübenzuckerindustrie hat, bestand dies System bis 1874, seit welchem Jahre weder Zoll noch Steuer auf dem Zucker ruhen. In den Ländern des europ. Festlandes hatte durch die Kontinentalsperre die Fabrikation des Rübenzuckers einen kräftigen Anstoß erhalten, und in den nächstfolgenden Jahrzehnten war dieser einheimische Zucker, geschützt durch den hohen Finanzzoll auf Kolonialzucker, mehr und mehr konkurrenzfähig geworden. Hier entwickelte sich eine innere Z. in verschiedenen Formen. Man unterscheidet folgende Hauptarten der Z.: 1) Rübensteuer (Materialsteuer) wird nach der Gewichtsmenge der zu verarbeitenden Rüben bemessen, kann also die Verschiedenheiten im Zuckergehalt der Rüben und die Abweichungen in der technischen Leistungsfähigkeit der einzelnen Fabriken nicht berücksichtigen und belastet das Fabrikat sehr ungleich. Freilich ist sie einfach durchzuführen und zu kontrollieren, läßt den eigentlichen Betrieb frei und hat erfahrungsgemäß auf die Entwicklung der Zuckerindustrie einen großen fördernden Einfluß, da sie zu intensiver Betriebsweise von Anbau und Fabrikation anspornt.

2) Saftsteuer, belastet den Zuckersaft. Da die Ermittelung des Zuckergehaltes im Safte durch Polarisation steuertechnisch nicht allgemein durchführbar ist, so begnügt man sich damit, die Dichtigkeit anstatt des Zuckergehalts zu Grunde zu legen. Infolgedessen ist auch bei dieser schwerer durchführbaren und für den Betrieb viel lästigern Steuerform die Belastung des fertigen Zuckers sehr ungleich.

3) Bei der Pauschalierungssteuer wird die Leistungsfähigkeit gewisser, zur Zuckererzeugung dienender Vorrichtungen, namentlich der Saftgewinnungsapparate, zu Grunde gelegt. Sie belästigt die Fabrikation wenig und ist leicht durchzuführen. Indessen ist die Leistungsfähigkeit der Apparate nicht genau festzustellen; die Belastung ist ungleichmäßig.

4) Fabrikatsteuer wird vom Fabrikanten selbst entrichtet oder beim Austritt des Zuckers in den freien Verkehr (Verbrauchsabgabe) erhoben. Die zweite Form gilt für die treffendere, weil sie die Beschaffenheit des Zuckers berücksichtigt, einseitige Begünstigungen vermeidet, den Betrieb weniger be- ^[folgende Seite]